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09.10.2006 17:56

Wie wir auch im Dunkeln sehen können - Fehlende Calciumsignale führen zu Nachtblindheit

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Die meisten Sinneseindrücke erhält der Mensch über die Augen - auch in der Dunkelheit. Dazu müssen in der Netzhaut des Auges mit Hilfe von Kanalproteinen lang anhaltende Calciumsignale entstehen. Ein Team um Dr. Christian Wahl-Schott am Zentrum für Pharmaforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, geleitet von Professor Martin Biel, konnte nun den Mechanismus aufklären, der dies erlaubt. Nahe verwandte und sehr ähnliche Calciumkanäle in anderem Gewebe des Körpers verfügen über einen Mechanismus, mit dem sie sich selbst Calcium-abhängig abschalten können. Wie die Forscher in der "Early Online Edition" der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" berichten, können die Kanäle der Netzhaut diese negative Rückkopplung aber inhibieren und so lang anhaltende Calciumsignale erzeugen. Fehlt die Möglichkeit der Inhibierung, entsteht eine angeborene Form der Nachtblindheit, bei der die Betroffenen bei Dämmerung und Dunkelheit unter erheblichen Sehproblemen leiden.

    Die Netzhaut oder Retina ist der Licht aufnehmende, sensorische Teil des Auges. Hier wandeln Photorezeptoren Lichtreize in elektrische Signale um. Diese Signale werden an den Kontaktstellen, den Synapsen, zwischen den Photorezeptoren und den in der Informationskette nachfolgenden Bipolarzellen mit Hilfe des Botenstoffs Glutamat übertragen. Bei dessen Freisetzung spielen die Calciumkanäle in der Retina eine entscheidende Rolle. Denn damit bei Nacht gesehen werden kann, muss kontinuierlich Calcium aus dem umgebenden Milieu über die Kanäle in die Photorezeptoren einströmen. "Diese Aufgabe leisten die Calciumkanäle, wie wir in einer vorangegangenen Arbeit gezeigt haben", so Wahl-Schott. "Damit unterscheiden sie sich aber von nahe verwandten Calciumkanälen, den so genannten "High Voltage Activated Calcium Channels", wie sie etwa im Herz, im normalen Muskel, den Drüsen und im Gehirn vorkommen. Diese Kanäle können Calcium nicht kontinuierlich transportieren, weil sie über einen Mechanismus verfügen, der ihnen erlaubt, sich selbst abzustellen." Dank dieser negativen Rückkopplung, der "Calcium-abhängigen Inaktivierung (CDI)", wird eine Überladung der Zelle mit Calcium verhindert.

    In den Calciumkanälen der Retina gibt es diesen wichtigen Regulationsweg aber nicht. "Uns hat interessiert, wie die Calciumkanäle der Netzhaut diese negative Rückkopplung unterdrücken können", berichtet Wahl-Schott. "Wir konnten die dafür verantwortliche regulatorische Domäne am Ende des aus etwa 2000 Bausteinen, so genannten Aminosäuren, bestehenden Calciumkanalproteins identifizieren, die dafür verantwortlich ist. Diese Domäne haben wir 'Inhibitor der Calcium-abhängigen Inaktivierung (ICDI)' genannt." Wird diese Domäne entfernt, verhalten sich die Calciumkanäle in der Retina wie ihre nahen Verwandten und zeigen plötzlich den negativen Rückkopplungsmechanismus der Calcium-abhängigen Inaktivierung. "Unser Ergebnis hat auch große pathophysiologische Relevanz", so Wahl-Schott. "Es hat sich nämlich gezeigt, dass in den retinalen Calciumkanälen von Patienten mit einer Form der angeborenen Nachtblindheit genau diese Domäne fehlt. Jetzt ist auch klar, was dann passiert: Die Betroffenen können in der Dunkelheit nichts sehen, weil sich die Kanäle selbst Calcium-abhängig inaktivieren. Das hat zur Folge, dass die für den Sehprozess im Dunkeln notwendigen permanenten Calciumsignale nicht entstehen können."

    Publikation:
    "Switching off calcium-dependent inactivation in L-type calcium channels by an autoinhibitory domain", Christian Wahl-Schott, Ludwig Baumann, Hartmut Cuny, Christian Eckert, Kristina Griessmeier, and Martin Biel, PNAS, online am 6. Oktober 2006

    Ansprechpartner:
    Dr. Christian Wahl-Schott
    Institut Pharmakologie für Naturwissenschaften
    Zentrum für Pharmaforschung der LMU München
    Tel.: 089 / 2180-77 320
    E-Mail: christian.wahl@cup.uni-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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