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14.05.2012 13:26

Arsen- und Selen-belastete Grundwässer in Südostasien

Monika Landgraf Presse, Kommunikation und Marketing
Karlsruher Institut für Technologie

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer Massenvergiftung: 100 Millionen Menschen weltweit sind von Arsen-verunreinigtem Grundwasser betroffen, besonders in Südostasien. Wasser und Böden verschiedener Regionen sind auch mit Selen belastet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Mineralogie und Geochemie (IMG) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchen, durch welche Prozesse Arsen und Selen freigesetzt werden – um gezielte Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

    „Belastete Grundwässer findet man vor allem in den Deltaebenen, in denen die Sedimente aus Gebirgen abgelagert werden – zum Beispiel im Red-River-Delta in Vietnam oder im Delta von Ganges und Brahmaputra in Indien und Bangladesh“, sagt Professor Thomas Neumann vom IMG. „In diesen dicht besiedelten Regionen gibt es keine zentrale Trinkwasserversorgung und -aufbereitung, deshalb sind so viele Menschen betroffen.“ Der von der WHO empfohlene Grenzwert für Arsen liegt bei zehn Mikrogramm pro Liter Wasser – in vielen Ländern Südostasiens liegt er zum Teil bei 50, der tatsächlich gemessene Wert kann sogar bei mehreren Tausend Mikrogramm pro Liter liegen. Trinkt man über längere Zeit verunreinigtes Wasser, kommt es zu gesundheitlichen Problemen: von Hautkrankheiten wie schwarzen Flecken an Händen und Füßen bis hin zu verschiedenen Krebsarten. Neumann und sein Team untersuchen die Mechanismen der Freisetzung von Arsen und Selen ins Grundwasser – um Maßnahmen dagegen treffen oder die betroffenen Grundwasserleiter (Aquifere) beim Bohren neuer Brunnen meiden zu können.

    Verantwortlich für die Freisetzung sind Redoxprozesse: chemische Reaktionen, bei denen ein Reaktionspartner Elektronen auf einen anderen überträgt. Bei der Verwitterung in den Gebirgen, zum Beispiel im Himalaya, werden Arsen und Selen vermutlich aus Sulfiden freigesetzt, die – wenn Sauerstoff zur Verfügung steht – nicht stabil sind: Dabei bilden sich zum Beispiel Eisenoxide, an die Arsen und Selen binden, und über die Flüsse dann in den Deltaebenen abgelagert werden. Bilden sich dort im Grundwasser Bedingungen aus, in denen kein Sauerstoff zur Verfügung steht, lösen sich die Eisenoxide wieder und die daran gebundenen Arsen- und Selen-Ionen werden ins Wasser freigesetzt. „Besonders hoch ist die Freisetzungsrate, wenn viel organisches Material vorliegt, wie Torf, Pflanzenreste oder auch Abwasser, da durch ihren Abbau Sauerstoff verbraucht wird“, erläutert Dr. Elisabeth Eiche. „Gerade in den Deltaregionen ist viel organisches Material in den Sedimentschichten eingelagert – beim Arsen ist die Freisetzung ein sehr großflächiger Prozess, so sind in Bangladesh etwa 40 Prozent des Landes betroffen.“ Bei den Redoxprozessen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ansetzen: Eine Möglichkeit sie zu verhindern, ist das dauerhafte Erhöhen oder Absenken des Grundwasserspiegels, sodass die chemischen Verhältnisse hier stabil bleiben. Helfen können auch Filtersysteme, etwa einfache Sandfilter, in denen im Wasser gelöstes Eisen durch Belüftung ausgefällt wird und dabei das Arsen oder Selen bindet.

    Zurzeit konzentriert sich die Forschung des IMG auf die Selenbelastung in der Region Punjab: In der „Kornkammer Indiens“ werden vor allem Reis und Weizen angebaut. Die Nachwuchsgruppe um Dr. Monika Stelling untersucht, welchen Einfluss anthropogene, also von Menschen verursachte, Veränderungen auf das Verhalten von Selen im System Wasser-Boden-Pflanze haben. Als wichtigsten Eintragspfad haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bewässerung identifiziert: Das Selen findet sich nicht im gesamten Bodenprofil, sondern lediglich in den obersten fünfzehn Zentimetern. In hoher Konzentration liegt es dagegen an Bewässerungskanälen und auf den stark bewässerten Reisfeldern vor. Nun geht es darum, angepasste Bewässerungszyklen zu entwickeln und den Bauern als Richtlinien an die Hand zu geben. Aber auch darum, herauszufinden, welche Nutzung sich je nach Boden und Wasserqualität am besten eignet. „Für den Reisanbau braucht man viel mehr Wasser als für den Weizenanbau. Dies führt zur verstärkten Selenanreicherung im Boden. Gleichzeitig ändern sich aber auch die Redoxbedingungen im Boden: Das Selen ist weniger mobil und kann von den Pflanzen nicht so gut aufgenommen werden“, sagt Monika Stelling. Einfluss hat auch die Düngung: „Durch verschiedene Ionen, die im Dünger sind, kann bei der Aufnahme in die Pflanze eine Wettbewerbsreaktion mit dem Selen auftreten.“ Anders als Arsen ist das Spurenelement Selen gleichzeitig giftiger Schadstoff und notwendiger Nährstoff. „Wir müssen deshalb in beide Richtungen denken: Ziel unserer Forschung ist auch, den Bauern künftig Empfehlungen für die Bepflanzung an die Hand geben zu können, ihnen sagen zu können, welche Pflanzen und welcher Dünger sich für stark belastete Gebiete und welche sich für Mangelgebiete eignen.“

    Eine Plattform für den Erfahrungsaustausch bietet das IMG mit der Tagung „Selen 2012“, die am 8. und 9. Oktober am KIT stattfindet. Sie richtet sich an Mineralogen und Chemiker genauso wie an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Agrarwissenschaft, Hydrologie und Hydrogeologie, Biologie, Medizin, Ernährung und nukleare Entsorgung.

    Nähere Informationen: www.img.kit.edu

    Das KIT-Zentrum Klima und Umwelt entwickelt Strategien und Technologien zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen: Dafür erarbeiten 660 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 32 Instituten Grundlagen- und Anwendungswissen zum Klima- und Umweltwandel. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung der Ursachen von Umweltproblemen, sondern zunehmend um die Anpassung an veränderte Verhältnisse.

    Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

    Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: www.kit.edu

    Das Foto steht in druckfähiger Qualität auf www.kit.edu zum Download bereit und kann angefordert werden unter: presse@kit.edu oder +49 721 608-47414. Die Verwendung des Bildes ist ausschließlich in dem oben genannten Zusammenhang gestattet.

    Weiterer Kontakt:

    Margarete Lehné
    Presse, Kommunikation und
    Marketing
    Tel.: +49 721 608-48121
    Fax: +49 721 608-43658
    E-Mail: margarete.lehne@kit.edu


    Bilder

    Entnahme von Wasserproben mit indischen Forschern zur Bestimmung der  Gehalte von unter anderem Selen und Arsen. (Foto: IMG)
    Entnahme von Wasserproben mit indischen Forschern zur Bestimmung der Gehalte von unter anderem Sele ...

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    Weizen mit Verfärbungen (Chlorose) auf  selenreichen Böden in Punjab, Indien  (Foto: K. Dhillon)
    Weizen mit Verfärbungen (Chlorose) auf selenreichen Böden in Punjab, Indien (Foto: K. Dhillon)

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    Anhang
    attachment icon Arsen- und Selen-belastete Grundwässer in Südostasien

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geowissenschaften, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Entnahme von Wasserproben mit indischen Forschern zur Bestimmung der Gehalte von unter anderem Selen und Arsen. (Foto: IMG)


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    Weizen mit Verfärbungen (Chlorose) auf selenreichen Böden in Punjab, Indien (Foto: K. Dhillon)


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