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08.01.2013 10:10

Bonner Forscher bergen ältestes Meeresraubtier

Johannes Seiler Abteilung Presse und Kommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Ein internationales Wissenschaftler-Team hat einen riesigen fossilen Meeresräuber in Nevada (USA) geborgen, der wie ein Monster über andere Fischechsen und sonstige Meeresreptilien herfiel. Der Ichthyosaurier Thalattoarchon saurophagis jagte mit seinen scharfen Reißzähnen vor rund 244 Millionen Jahren. Mit 8,6 Meter Länge ist er der wohl größte Meeresräuber seiner Zeit. Mit Unterstützung der National Geographic Society konnte die aufwändige Bergung durchgeführt werden. Der Ichthyosaurier wird nun in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) diese Woche online publiziert.

    Völlig unerwartet entdeckte im Juli 1998 ein Forscher-Team unter Führung von Prof. Dr. Martin Sander vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn in den abgelegenen Augusta Mountains in Nevada (USA) direkt neben einem schmalen, von Wildpferden ausgetretenen Pfad ein ungewöhnliches Fossil. „Es war sofort klar, dass es sich um einen Ichthyosaurier – also einen Fischsaurier – handeln musste. Auffallend waren aber die für Ichthyosaurier ungewöhnlichen scharfen Reißzähne“, berichtet Prof. Dr. Martin Sander. Erhalten sind der Schädel bis auf die verwitterte Schnauze, Teile der Flossen und die Wirbelsäule bis zur Schwanzspitze. Die Bergung des rund 244 Millionen Jahre alten und 8,6 Meter langen Ichthyosauriers war jedoch so aufwendig, dass sie erst 2008 mit Unterstützung der National Geographic Society durch Bonner Forscher durchgeführt werden konnte. Der Transport erfolgte mit Helikopter und Lastwagen.

    Größter Meeresräuber seiner Zeit

    Nun ist der Ichthyosaurier mit dem Namen Thalattoarchon saurophagis – zu deutsch „saurierfressender Meeresherrscher“ – wissenschaftlich beschrieben. Prof. Sander koordinierte die Auswertung und Verwandtschaftsanalyse des Fundes. „Die Fischechse war wohl der größte Meeresräuber seiner Zeit, der vor allem andere Ichthyosaurier jagte“, sagt er. Dem Fossil vergleichbar ist nur der Himalayasaurus, der jedoch erst 20 Millionen Jahre später auftrat und der deutlich schlechter erhalten ist. Damit ist der Neufund der geologisch älteste Beleg für ein von Landtieren abstammendes Meeresraubtier und der früheste Vertreter dieser Lebensweise.

    Bedeutendes Beispiel für das rasche Fortschreiten der Evolution

    Bei den Ichthyosauriern handelt es sich um Reptilien aus dem Erdmittelalter, die von Landwirbeltieren abstammen und sich an das Leben im Meer angepasst haben. Mit zahlreichen Arten dominierten sie 160 Millionen Jahre die Meere und ernährten sich weitgehend von Fischen, Tintenfischen und Muscheln. Nur Thalattoarchon saurophagis hatte eine Vorliebe für andere Ichthyosaurier. Die Fischechsen starben vor 93 Millionen Jahren aus. Der nun beschriebene Ichthyosaurier ist ein bedeutendes Beispiel, wie schnell die Evolution fortschreitet. Vor rund 252 Millionen Jahren kam es zu einer globalen Katastrophe, bei der ein Großteil des Lebens an Land und in den Ozeanen ausgelöscht wurde. Nur rund acht Millionen Jahre nach diesem Artensterben tauchte Thalattoarchon saurophagis auf und zeigt damit an, dass zu dieser frühen Zeit schon ein im Prinzip modernes Nahrungsnetz entstanden war.

    Rasche Erholung von der globalen Katastrophe

    „Es ist überraschend, wie schnell sich die Lebewelt von der globalen Katastrophe erholt hat“, sagt der Paläontologe der Universität Bonn, der das erstaunliche Fossil nun zusammen mit seinen früheren Studenten Dr. Nadia B. Fröbisch, Prof. Dr. Jörg Fröbisch (beide vom Museum für Naturkunde Berlin) und Prof. Dr. Lars Schmitz (W.M. Keck Science Department, Claremont McKenna, Pitzer, and Scripps Colleges, Claremont, USA) sowie seinem Doktorvater Dr. Olivier Rieppel (The Field Museum, Chicago, USA) beschrieben hat. Das Fossil wurde am Field Museum in Chicago aus dem Gestein freigelegt und befindet sich nun in der dortigen Sammlung.

    Rollenwechsel im Nahrungsnetz

    Das damalige Meeresökosystem ist nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler bereits überraschend modern gewesen: Die Nahrungsnetze ähneln ganz erstaunlich den heutigen. Ganz oben in der Nahrungspyramide stand Thalattoarchon saurophagis, der auf die Jagd von Fischfressern spezialisiert war. Prof. Sander: „Die Rollenbesetzungen haben sich geändert. Die Funktion dieses Ichthyosauriers wird heute von Killerwalen übernommen – wie etwa dem Orka, der die gleiche Größe erreicht. Zur Zeit der Dinosaurier wurde die Rolle dagegen durch Paddelechsen und Mosasaurier gespielt “

    Publikation: A macropredatory ichthyosaur form the Middle Triassic and the origin of modern trophic networks, „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1216750110

    Kontakt:

    Prof. Dr. Martin Sander
    Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
    Tel. 0228/733105
    E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de


    Weitere Informationen:

    http://press.nationalgeographic.com/downloads/temp2/file/ichthyosaur (username: press/password: press) Die Fotos dürfen nur in Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung unter Angabe der korrekten Fotoquelle veröffentlicht werden. Sonstige Verbreitung, Archivierung oder Verkauf der Bilder ist verboten. Bei Verstößen behält sich National Geographic ein Bildhonorar vor. Fragen zu den Fotos beantwortet Christy Solberg, National Geographic, E-Mail csolberg@ngs.org.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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