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08.08.2002 12:12

Von der Virgel zum Komma

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Nicht alle heutigen Satzzeichen sind seit Anbeginn der Entwicklung der deutschen Sprache geläufig. Andere dagegen wie etwa die sogenannte Virgel, ein kleiner Schrägstrich zwischen Passagen, wie er heute nur noch in Gesangspsalmen zu finden ist, sind vollständig aus unserem Zeichensetzungssystem verschwunden. Zudem hat sich die Sicht auf die ursprüngliche Funktion der Zeichensetzung gegenüber unserem heutigen Verständnis komplett verändert: Unter Sprachwissenschaftlern herrschte bislang die Auffassung vor, dass die Zeichensetzung allein der Darstellung der Intonation dient. Dass allerdings die Satzzeichen bereits lange vor dem 20. Jahrhundert grammatisch orientiert waren, zeigt Professor Dr. Hartmut Günther vom Seminar für Deutsche Sprache und ihrer Didaktik der Universität zu Köln anhand von Bibeltexten aus den Jahren von 1522 bis 1961.

    Von der Virgel zum Komma
    Die Entwicklung der deutschen Zeichensetzung

    Nicht alle heutigen Satzzeichen sind seit Anbeginn der Entwicklung der deutschen Sprache geläufig. Andere dagegen wie etwa die sogenannte Virgel, ein kleiner Schrägstrich zwischen Passagen, wie er heute nur noch in Gesangspsalmen zu finden ist, sind vollständig aus unserem Zeichensetzungssystem verschwunden. Zudem hat sich die Sicht auf die ursprüngliche Funktion der Zeichensetzung gegenüber unserem heutigen Verständnis komplett verändert: Unter Sprachwissenschaftlern herrschte bislang die Auffassung vor, dass die Zeichensetzung allein der Darstellung der Intonation dient. Dass allerdings die Satzzeichen bereits lange vor dem 20. Jahrhundert grammatisch orientiert waren, zeigt Professor Dr. Hartmut Günther vom Seminar für Deutsche Sprache und ihrer Didaktik der Universität zu Köln anhand von Bibeltexten aus den Jahren von 1522 bis 1961.

    Mit Ergebnissen aus seiner Untersuchung macht Professor Günther deutlich, dass die Schreibung - im Gegensatz zum geläufigen Standpunkt - von Anfang an einen grammatischen und keinen satzmelodischen Hintergrund hat. Als Grundlage für seine Untersuchung dienen Professor Günther zehn von Zeit zu Zeit der aktuellen Schreibung angepasste Drucke der Bibelübersetzung Martin Luthers. Diese gelten einerseits als der deutsche Text mit der größten Kontinuität, andererseits weisen sie aber auch viele kleine Veränderungen auf, anhand derer man bestimmte Prinzipien heraus arbeiten kann.

    Der größte Unterschied zwischen dem Text von 1522 und dem Luthertext aus dem Jahr 1961 besteht darin, dass die Virgel mit der Ausgabe von 1736 ein für allemal verschwindet. Dafür taucht das Komma auf, das in vorherigen Bibeldrucken nicht zu finden war. In den meisten Fällen ersetzt das Komma die Funktion des kleinen Schrägstrichs. Die Virgel hatte ebenso wie das Komma die grammatische Funktion, Hauptsätze von Nebensätzen zu unterscheiden. Das Semikolon taucht ab 1694 auf. Es vertritt teilweise den Punkt, um stärkere Zusammenhänge, und teilweise das Komma, um schwächere Zusammenhänge zu signalisieren.

    Während das Fragezeichen von Beginn der deutschen Texte an am Satzende vorhanden ist und auch seine Funktion nicht ändert, findet sich das Ausrufezeichen erst ab der Lutherausgabe von 1797. Der Punkt ist gegenüber Fragezeichen und Ausrufezeichen die unmarkierte Form des Satzendes. Das Fragezeichen birgt versteckt ein intonatorisches Prinzip: Bei Fragen verläuft die Satzmelodie anders als bei Aussagesätzen. Allerdings ist die Markierung eines Fragesatzes am Ende eines längeren Satzes für den Leser völlig überflüssig, da die Information über die unterschiedliche Satzmelodie zu spät kommt.

    Professor Günther widerlegt mit seinen Untersuchungsergebnissen die Vorstellung, dass ein rhythmisch-intonatorisches Prinzip zunächst die Zeichensetzung dominiert, bevor das grammatische Prinzip dominierte. Er geht vielmehr davon aus, dass Betonung und Zeichensetzung zwei voneinander unabhängige Mittel sind, um auf der Satzebene grammatische Strukturen zu signalisieren. Nach Auffassung Professor Günters bildet die Intonation die Zeichensetzung nicht ab. Diese Tatsache ist zudem nicht nur auf das Deutsche beschränkt, sondern gilt auch für das Rumänische und damit womöglich auch für andere indoeuropäische Sprachen.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Professor Dr. Hartmut Günther unter der Telefonnummer 0221/470-4765, der Faxnummer 0221/470-5073 und der E-Mail Adresse Hartmut.guenther@uni-koeln.de zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.html).
    Für die Übersendung eines Belegexemplars wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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