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26.02.2013 11:35

Wagners Wirken im Bild seiner Briefe

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Mehr als 10.000 Briefe hat Richard Wagner im Laufe seines Lebens geschrieben. Musikwissenschaftler der Universität Würzburg arbeiten in einem Langzeitprojekt an einer kommentierten Ausgabe. Das Ende dieser Arbeit ist mittlerweile absehbar.

    „Vorgestern habe ich das letzte Finale meiner Oper – und somit meine ganze Oper – vollendet; es war grad‘ Mittag um 12 Uhr, und es läuteten von allen Thürmen die Glocken, als ich das Finis darunter schrieb; das hat mir sehr gefallen!“ Es ist der 11. Dezember 1833. Richard Wagner ist gerade einmal 20 Jahre alt, als er in Würzburg den Schlusspunkt unter die Komposition seiner ersten Oper „Die Feen“ setzt und voller Stolz seiner Schwester Rosalie in einem Brief davon berichtet. Schon am kommenden Tag sollen Passagen aus dieser Oper in einem Konzert der Öffentlichkeit präsentiert werden. „Eine Dilettantin mit schöner Stimme wird die große Arie der Ada singen, und dann wird von derselben, von Albert und noch einem jungen Bassisten ein Terzett daraus vorgetragen“, schreibt Wagner.

    Ein Werk von 10.000 Briefen

    Seit Januar lebt Wagner in Würzburg. Auf Vermittlung seines Bruders Albert, der hier als Sänger, Regisseur und Schauspieler beschäftigt ist, hat Richard Wagner für wenige Monate die Stelle eines Chordirigenten an der Oper übernommen. Lange hält es ihn allerdings nicht in der fränkischen Kleinstadt. Anfang 1834 verlässt er Würzburg und reist zurück nach Leipzig. Zwei Briefe von ihm sind aus dieser Zeit erhalten – zwei von rund 10.000, die der Komponist im Laufe seines Lebens an etwa 1200 unterschiedliche Adressaten geschrieben hat. Manche von ihnen erhielten nur einen einzigen Brief; mit anderen stand Wagner in regem Austausch, was in bis zu 400 Briefen seinen Niederschlag fand. An deren vollständiger Edition arbeiten momentan Musikwissenschaftler der Universität Würzburg. Am Lehrstuhl von Professor Andreas Haug betreuen Dr. Margret Jestremski, Dr. Martin Dürrer und Dr. Andreas Mielke das Langzeitprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft; voraussichtlich 2017 werden sie damit fertig sein.

    Die Edition

    Pro Kalenderjahr ein Band: So sieht das Editionskonzept für Richard Wagners Briefe aus. Aktuell ist Band 22 erschienen, der sich mit den Briefen des Jahres 1870 beschäftigt; weitere zwei Bände werden voraussichtlich noch in diesem Jahr in Druck gehen. Jeder von ihnen versammelt etwa 300 bis 350 Briefe des Komponisten. Die originalgetreue Wiedergabe dieser Briefe steht am Anfang der Editionsarbeit. Dabei haben die Wissenschaftler nach eigenen Worten Glück: „Wagners Briefe sind sehr gut lesbar“, sagt Margret Jestremski. Bei anderen Persönlichkeiten würde das Entziffern der Handschrift weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen.

    Weit verstreute Originale

    Selbstverständlich lagern nicht sämtliche Originalbriefe Wagners in den Regalen des Würzburger Instituts für Musikforschung – ganz im Gegenteil: „Wir haben nicht ein einziges Original“, sagt Andreas Mielke. Kein Wunder, bei Preisen von mehreren tausend Euro pro Exemplar, die inzwischen auf Auktionen verlangt und gezahlt werden. Rund ein Drittel aller heute bekannten Wagnerbriefe befindet sich im Archiv in Bayreuth; der Rest ist verstreut auf mehr als 200 Standorte weltweit. Schwerpunkte bilden dabei die Staatsbibliotheken in München und Berlin. Und natürlich liegen etliche Briefe in den Tresoren und Schließfächern zahlreicher privater Sammler, die über einen entsprechend großen Geldbeutel verfügen.

    Tauchen solche Briefe auf Auktionen auf, ist das eine wichtige Informationsquelle für die Musikwissenschaftler. „Häufig finden sich in den Katalogen dann Abbildungen dieser Briefe oder eine Wiedergabe des Textes“, sagt Andreas Mielke. Diese ermöglichen den Vergleich mit früheren Editionen oder füllen bisher bestehende Lücken. Dass heute noch komplett unbekannte Briefe Richard Wagners auftauchen, sei hingegen selten – etwa 200 waren es in den vergangenen zehn Jahren.

    Auch wenn also kein einziger Originalbrief Richard Wagners in Würzburg lagert, können Jestremski, Dürrer und Mielke trotzdem behaupten: „Wir kennen – fast – alle Briefe!“ Auf Mikrofilm und auf CD liegt ihnen jedes Exemplar vor. Beginnt die Arbeit an einem neuen Band, können sie chronologisch geordnet Brief für Brief des entsprechenden Jahrgangs ausdrucken und in Augenschein nehmen.

    Ein umfangreicher Kommentarteil

    Auf die textgetreue Wiedergabe der Briefe folgt in jedem Sammelband die wissenschaftliche Aufarbeitung: das Kommentieren und die inhaltliche Erschließung. Wo hat Wagner, der Zeit seines Lebens viel gereist ist, den Brief geschrieben? In welcher Beziehung stand er zu dem Adressaten? Tauchen Namen in dem Brief auf: Um wen handelt es sich? Wie sah Wagners persönliche Situation zu der Zeit aus, vor welchem geschichtlichen Hintergrund fand das Geschehen statt und – ganz wichtig: Stimmen die Fakten? „Sämtliche Fragen, die in dem Brief aufgeworfen werden, müssen von uns aufgeklärt und im Kommentarteil ausführlich behandelt werden“, erklärt Martin Dürrer die Vorgehensweise der Wissenschaftler.

    Das bedeutet: intensive Recherche in Sekundärliteratur, im Internet, in Archiven und Bibliotheken. Zusätzlich werten die Drei Gegenbriefe aus und beziehen sie in den Kommentar mit ein, soweit solche vorliegen. Das ist allerdings vergleichsweise selten der Fall: Rund 2000 solcher Gegenbriefe sind heute bekannt. „Wagner und seine Familie haben sehr viel weggeschmissen“, erklärt Margret Jestremski. In der Regel habe Wagner nur die Briefe bedeutender Persönlichkeiten, wie beispielsweise Ludwigs II und Franz Liszts, archiviert.

    Ein sogenannter „Themenkommentar“ rundet jeden Band der Edition ab. Darin führen die Autoren in die Schwerpunkte des jeweiligen Jahres ein: Welche Reisen und Aufenthalte haben in dieser Zeit Wagners Leben bestimmt? Mit welchen Werken hat er sich beschäftigt, welche Aufsätze und Schriften verfasst, an welchen Kompositionen hat er gearbeitet? Was geschah in seinem privaten Umfeld, wie waren die politischen Verhältnisse? Auf all diese Fragen gehen die Wissenschaftler in diesem Teil der Edition detailliert ein.

    Basis für weitergehende Forschung

    „Es ist die typische Form von Grundlagenforschung in den Geisteswissenschaften“: So beschreiben die Drei ihre Arbeit. Die Edition führe bisher weit verstreute Publikationen an einer Stelle zusammen und bilde damit die Basis für weitergehende Forschung zur Person und zum Werk Richard Wagners. Jeder Autor, der die heute schon überaus umfangreiche Sekundärliteratur zu Wagner um eine weitere Arbeit ergänzen will, könne auf ein genaues Studium der Briefe-Edition nicht verzichten. „Vielleicht sitzt ja schon längst einer an der nächsten Biographie und wartet sehnsüchtig auf die Briefe nach 1870“, sagt Martin Dürrer.

    Der müsste sich allerdings noch ein wenig gedulden: Ungefähr zweieinhalb Jahre hat die Arbeit an einem Band bisher gedauert, so die Erfahrung der drei Beteiligten. Da sich jeder von ihnen jeweils ein Jahr vornimmt, kommt also – grob gerechnet – jedes Jahr ein neuer Band auf den Markt. In den nächsten Jahren wird die Arbeit wohl aus mehreren Gründen schneller von der Hand gehen: Zum einen sind für die kommenden Bände bereits viele Vorarbeiten gelaufen; zum zweiten steigt mit der Anzahl der publizierten Bände natürlich auch das „Vorwissen“, auf das die Wissenschaftler zurückgreifen können; und zum dritten hat Wagner in seinen späten Lebensjahren deutlich weniger Briefe geschrieben als etwa um 1870 herum.

    Voraussichtlich im Jahr 2017 soll der letzte Band von Wagners „Sämtlichen Briefen“ vorliegen. Da der Komponist am 13. Februar 1883 starb, wird dieser Band die Briefe von 1882 und 1883 versammeln und mit einem Schreiben an den Leipziger Theaterdirektor Angelo Neumann enden. Darin geht es mal wieder – wie so oft bei Wagner – um potenzielle Aufführungen seiner Opern und natürlich auch um das leidige Geld.

    Noch eine Wagner-Edition in Würzburg

    Übrigens stehen nicht nur Richard Wagners Briefe im Zentrum des Interesses am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg. Am Lehrstuhl von Professor Ulrich Konrad ist vor wenigen Wochen ein weiteres Langzeitprojekt gestartet. Dessen Ziel ist es, in den kommenden 16 Jahren sämtliche Schriften Richard Wagners – zu denen weder seine Briefe noch seine Dramentexte zählen –für eine historisch-kritische Gesamtausgabe zu edieren.

    Kontakt

    Dr. Martin Dürrer, T: (0931) 31-88710, E-Mail: martin.duerrer@uni-wuerzburg.de

    Dr. Margret Jestremski, T: (0931) 31-88709, E-Mail: margret.jestremski@uni-wuerzburg.de

    Dr. Andreas Mielke, T: (0931) 31-88708, E-Mail: andreas.mielke@uni-wuerzburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.musikwissenschaft.uni-wuerzburg.de/forschung/richard_wagner_briefausg... Zur Homepage der Richard-Wagner-Briefausgabe


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Musik / Theater
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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