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12.09.2013 17:19

Parkinson: Mit Genom-Analyse und Stammzellen europaweit auf Ursachensuche

Silke Jakobi Pressestelle
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)

    Gene und Umweltfaktoren werden für die Entstehung der Parkinson-Krankheit verantwortlich gemacht. Doch welche Genfehler die Auslöser für die Schüttellähmung sind und wie die Umweltfaktoren den Untergang der Hirnzellen fördern, ist in den meisten Fällen noch unklar. Das von acht EU-Mitgliedsstaaten mit rund 4,7 Millionen geförderte Forschungsprojekt COURAGE-PD* soll hier neue Erkenntnisse bringen. Unter Tübinger Leitung kombiniert es dabei erstmals umfangreiche Genom-Analysen mit epidemiologischen Daten und dem Einsatz von Stammzellen, die heute aus der Haut der betroffenen Patienten gezüchtet werden können.

    Das Projekt ist Teil der größten globalen Forschungsinitiative „Joint Programming for Neurodegenerative Diseases (JPND)“. Ziel von JPND ist die europaweite Bündelung und Stärkung der Forschung im Bereich altersbedingter, neurodegenerativer Erkrankungen.

    In den letzten Jahren wurden mehrere Gendefekte gefunden, die einen Morbus Parkinson auslösen können. „Jede einzelne Mutation erklärt jedoch nur eine sehr kleine Zahl von Erkrankungen. Für die meisten erblichen Parkinsonfälle sind die genetischen Ursachen unbekannt“, erläutert Professor Dr. med. Thomas Gasser, Vorstandsvorsitzender am Hertie Institut für klinische Hirnforschung (HIH) des Universitätsklinikums Tübingen und Koordinator der klinischen Forschung am Standort Tübingen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Auch die epidemiologische Forschung habe Fortschritte gemacht. „Wir kennen Faktoren wie Kaffee oder Nikotin, die vor der Erkrankung schützen, während andere wie Kopfverletzungen oder Pestizide das Risiko zu erhöhen scheinen“, berichtet Gasser: „Aber wie diese Faktoren zusammenwirken und in die Erkrankungsmechanismen eingreifen, ist bisher unbekannt.“

    Neue Technologien zur Genom-Analyse und zur Generierung von Stammzellen sollten diese Lücken jetzt schließen. Gemeinsam mit Neurowissenschaftlern aus acht anderen Ländern will das Tübinger Team das gesamte Erbgut von 300 Patienten mit besonderer familiärer Belastung analysieren. In einem weiteren Projekt wollen die Hirnforscher das Erbgut von 500 weiteren Personen, bei denen bereits Risikogene gefunden wurden, mittels einer „tiefen Sequenzierung“ näher unter die Lupe nehmen. Die Hoffnung besteht bei beiden Projekten darin, auf neue Mutationen in bekannten Genen zu stoßen, die plausibel in das Krankheitsgeschehen eingreifen. Das häufigste dieser „Parkinson-Gene", das LRRK2-Gen, wurde 2004 von einer Forschungsgruppe des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung entdeckt.

    Die Relevanz der neu entdeckten Genfehler muss in einem zweiten Schritt an einer möglichst großen Anzahl von Patienten und Gesunden geprüft werden. Dafür kommen die Blutproben von mehr als 70.000 Personen, des von Tübinger Forschern mitbegründeten größten weltweiten Netzwerks „GEO-PD“ zu genetischen Ursachen der Parkinson-Krankheit, zum Einsatz. „Dieser Validierungsschritt ist notwendig, um statistische Zufallsbefunde auszuschließen“, sagt Gasser, der bei dieser Gelegenheit an etwa 10.000 Personen prüfen will, wie die Genmutationen zu in den letzten Jahren aufgespürten Umweltfaktoren passen.

    Im letzten Schritt soll dann der Einfluss einzelner Mutationen an Stammzellen untersucht werden. Die Forscher greifen dazu die in den letzten Jahren entwickelte Technik der induzierten pluripotenten Stammzellen, kurz iPS-Zellen, zurück. Dabei werden Zellen aus einer Hautprobe der Patienten zunächst in Stammzellen umprogrammiert, um sie danach im Labor gezielt in Nervenzellen ausreifen zu lassen. Professor Gasser: „Wir können dann untersuchen, wie die Mutationen den Zelltod begünstigen und welchen Einfluss die Umweltfaktoren dabei haben.“ Die Forscher erhoffen sich auch Ansätze zur Entwicklung neuer Medikamente zur Vorbeugung oder Therapie der unheilbaren Erkrankung. Wie immer in der Wissenschaft lässt sich ein Erfolg nicht vorhersagen. Gasser ist allerdings zuversichtlich, dass die Studie das Wissen über die Erkrankungsmechanismen erweitern wird.

    *COURAGE-PD steht für “COmprehensive Unbiased Risk factor Assessment for Genetics and Environment in Parkinson‘s Disease” http://www.neurodegenerationresearch.eu/initiatives/2012-joint-transnational-cal...

    Die „Joint Programming Initiativen“ sind von den EU-Mitgliedsstaaten ins Leben gerufene und getragene Maßnahmen. Mit Gründung der Initiative im Jahr 2008 wurden insgesamt zehn Joint Programming Initiativen ins Leben gerufen. Hierbei stellt „Joint Programme – Neurodegenerative Disease Research“ (JPND) die Pilotinitiative dar. Bislang sind 25 europäische Länder, sowie Kanada und Israel, der Pilotinitiative beigetreten. Das Ziel von JPND ist die europaweite Bündelung und Stärkung der Forschung im Bereich altersbedingter, neurodegenerativer Erkrankungen. www.neurodegenerationresearch.eu

    Das Genetic Epidemiology of Parkinson‘s Disease (GEO-PD) Konsortium wurde im Jahre 2004 mit Tübinger Beteiligung gegründet und dient der Erforschung genetischer und umweltbedingter Ursachen der Parkinson-Krankheit weltweit. Zwischenzeitlich sind in diesem Konsortium Parkinson-Forscher von 57 Institutionen aus 29 Ländern und 6 Kontinenten zusammengeschlossen, wodurch Proben von über 70.000 Parkinson-Patienten und gesunden Kontrollpersonen aus verschiedenen Regionen der Erde für die Forschung zur Verfügung stehen. www.geopd.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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