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13.11.2013 13:06

Kultur unter Kontrolle

Johannes Scholten Pressestelle
Philipps-Universität Marburg

    Reformen im Iran? Die Wahl von Hassan Rohani zum Präsidenten der „Islamischen Republik“ haben Hoffnungen auf politische Veränderungen geweckt. Eine aktuelle Veröffentlichung aus dem Marburger „Centrum für Nah- und Mittelost-Studium“ liefert die historischen Hintergründe, die man kennen muss, um die aktuellen Entwicklungen im Vorderen Orient zu verstehen: Der englischsprachige Sammelband "Culture and Cultural Politics Under Reza Shah" verbindet erstmals die Kulturgeschichte der iranischen Moderne mit der Politik der 1920er- bis 40er-Jahre.

    Reza Schah Pahlavi trug von 1923 bis 1941 Regierungsverantwortung im persischen Staat. „Die Herrschaft Reza Schahs markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des modernen Iran“, schreiben die Herausgeber Dr. Bianca Devos und Professor Dr. Christoph Werner in ihrer Einleitung zu dem Kompendium. Doch die Kulturpolitik dieser Periode sei bislang weitgehend unbeachtet geblieben. Das vorliegende Werk schließt diese Forschungslücke: Es vereint 13 Beiträge, deren Autorinnen und Autoren die Epoche aus den Blickwinkeln von Literaturgeschichte, Sozialgeschichte, Musikethnologie, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft beleuchten.

    „Wir sehen die Beziehung zwischen Politik und Kultur nicht als hierarchisches Verhältnis, in der die Politik über die Kultur bestimmt, sondern eher als einen Austauschprozess in beide Richtungen“, heißt es in der Einleitung. Der Band würdigt die Bedeutung reformgesinnter Intellektueller für die Modernisierung des Iran ebenso wie die Rolle der modernen Mittelklasse als wesentlicher Kraft im Reformprozess; außerdem werfen die Beiträge ein neues Licht auf die Masse der Bevölkerung als Hauptzielgruppe der Reformen. Dabei werden bislang nicht ausgewertete Quellen herangezogen und das bereits bekannte Material neu interpretiert.

    Das Werk gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten geht es um die intellektuelle und technokratische Elite, die den öffentlichen Diskurs um die Modernisierung des Iran maßgeblich beeinflusste. Viele Aufsätze des Bandes belegen, wie stark die iranischen Reformer von westlichen Ideen beeinflusst waren. „Für die Mittelklasse diente Modernität und Vertrautheit mit westlichen Moden als Kennzeichen ihres sozialen Status“, erklären die Herausgeber. Der westliche Einfluss schlug sich in Literatur, Theater, Musik und Architektur ebenso nieder wie in neuen Verbreitungswegen von Massenkonsumgütern.
    „Die Schlüsselrolle in diesem Prozess nahmen jedoch nicht Ausländer ein, sondern Iraner“, betonen Devos und Werner – „vor allem solche, die eine Zeit im Westen zugebracht hatten und von dort neue Ideen sowie einen neuartigen Umgang mit moderner Lebensart mitbrachten.“

    Der zweite Abschnitt geht der Frage nach, wie die Kulturpolitik Reza Schahs zu charakterisieren sei. So weitete der Staat seine Kontrolle über das kulturelle und öffentliche Leben schrittweise durch eine Vielzahl von Vorschriften aus; „einer der Gründe hierfür war die Sorge der Reformer, die Modernisierung des Landes könne scheitern, wenn das Volk sich nicht an präzise formulierte Verfügungen halten würde“, legen die Herausgeber dar.

    Der letzte Teil handelt von der praktischen Umsetzung der Reformen und deren Auswirkungen auf das tägliche Leben Irans. „Die Wechselwirkung zwischen Kulturpolitik und allen Formen der Kultur wird hier am offensichtlichsten“, schreiben Devos und Werner; „so eroberte sich die Mittelklasse Freiräume für Unterhaltung, Musik und Austauschbeziehungen vielfältiger Art.“

    Christoph Werner ist Inhaber des Lehrstuhls für Iranistik am „Centrum für Nah- und Mittelost-Studien“ (CNMS) der Philipps-Universität. Bianca Devos ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am CNMS.

    Bibliografische Angaben: Bianca Devos und Christoph Werner (Hg.): Culture and Cultural Politics Under Reza Shah. The Pahlavi State, New Bourgeoisie and the Creation of a Modern Society in Iran (Iranian Studies. 18.), London: (Routledge) 2014, ISBN 978-0-415-82419-4, 338 Seiten, 85 Euro

    Weitere Informationen:
    Ansprechpartner: Professor Dr. Christoph Werner,
    Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (CNMS) - Iranistik
    Tel.: 06421 28-24810
    E-Mail: chwerner@uni-marburg.de

    Dr. Bianca Devos
    Tel.: 06421 28-24813
    E-Mail: devos@uni-marburg.de

    Internet: http://www.uni-marburg.de/cnms/iranistik/


    Bilder

    Die Iranisten (von links) Bianca Devos und Christoph Werner gaben einen Sammelband zur iranischen Kulturpolitik unter Reza Schah Pahlavi heraus.
    Die Iranisten (von links) Bianca Devos und Christoph Werner gaben einen Sammelband zur iranischen Ku ...
    (Foto: Dr. Mohammad Abdolmohammadzadeh / Philipps-Universität Marburg)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Politik
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Iranisten (von links) Bianca Devos und Christoph Werner gaben einen Sammelband zur iranischen Kulturpolitik unter Reza Schah Pahlavi heraus.


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