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26.08.2014 10:23

Verständlichkeit der Landtagswahlprogramme: Zweitschlechtestes Ergebnis seit Beginn der Studie

Florian Klebs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Hohenheim

    Universität Hohenheim untersucht Parteiprogramme zu den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen

    Fremdwörter, Anglizismen und überlange Sätze: Kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim die Wahlprogramme der Parteien auf ihre formale Verständlichkeit hin überprüft. Konkret fahndeten die Wissenschaftler nach Satz-Ungetümen (Sätze ab 20 Wörtern und Schachtelsätze), Fachbegriffen und Fremdwörtern. Ihr Ergebnis ist ernüchternd: Die meisten Parteien in Sachsen schreiben an den Wählerinnen und Wählern vorbei.

    Was sind „revolvierende Fonds“? Wer sind „LSBTTIQ-Menschen“? Und was bedeuten „Trittsteinbiotope“, „Kaskadenmodelle“ und „Außenwirtschaftsgutscheine“? Das sind nur einige der Formulierungen, die in den Landtagswahlprogrammen der Parteien in Brandenburg, Sachsen und Thüringen vorkommen.
    Was vielen Bürgern an Politik unverständlich und intransparent vorkommt, haben Prof. Dr. Frank Brettschneider und Claudia Thoms, M.Sc., vom Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim in genauen Zahlen ausgedrückt. In einem langfristigen Forschungsprojekt haben sie gemeinsam mit der Agentur H&H Communication Lab die formale Verständlichkeit von 115 Wahlprogrammen bei 21 Wahlen anhand des Hohenheimer Verständlichkeitsindex untersucht.

    Die Linke: politisches Kauderwelsch
    Am unverständlichsten formuliere in allen drei Bundesländern Die Linke: „Ihre Wahlprogramme in Sachsen und in Thüringen sind noch unverständlicher als politikwissenschaftliche Doktorarbeiten“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Die Programme der CDU in Thüringen und der SPD in Brandenburg seien dagegen für den Durchschnittswähler noch am verständlichsten. Alle anderen Parteien lägen dazwischen.
    Hürden für die Verständlichkeit seien komplizierte und zu lange Schachtelsätze, Anglizismen, Fachbegriffe und Fremdwörter. Die Forscher analysierten die Wahlprogramme der Parteien zu den Landtagswahlen mit der speziellen Verständlichkeits-Software "TextLab".

    Programme erfordern politisches Fachwissen
    Am verständlichsten für die Wählerinnen und Wähler sind die Programme in Brandenburg: Sie erreichen im Schnitt 8,7 Punkte auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX). Die Landtagswahlprogramme in Sachsen erreichen mit 6,7 Punkten hingegen das zweitschlechteste Ergebnis, das die Hohenheimer Wissenschaftler je für Wahlprogramme gemessen haben. Nur die Programme zur Europawahl 2009 waren noch unverständlicher (6,6 Punkte).
    Die verständlichsten Wahlprogramme liefern die CDU in Thüringen und die SPD in Brandenburg (11,0 Punkte). Am unverständlichsten formulieren auch hier die Linken: Über alle drei Wahlen hinweg erreichen sie im Schnitt nur 4,6 Punkte. In Sachsen erreicht ihr Programm nur 3,3 Punkte. Im Vergleich dazu erreicht die CDU in den drei Bundesländern im Schnitt 9,8 Punkte.
    Das Problem dahinter: „Wer nicht verstanden wird, kann auch nicht überzeugen“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. „Ohne ein hohes Bildungsniveau oder politisches Fachwissen sind einige Inhalte der Landtagswahlprogramme für die Wählerinnen und Wähler nur schwer verständlich.“

    Fachchinesisch und Bandwurmsätze
    „Bei sämtlichen Parteien finden sich Verstöße gegen grundlegende Verständlichkeitsregeln“, urteilt Prof. Dr. Frank Brettschneider. „Vor allem die Wortwahl der Parteien trägt zur Komplexität der Texte bei“, so Claudia Thoms. Grund: Die Wortwahl sei meist das Ergebnis von innerparteilichen Expertenrunden.
    Diese bürokratische Fachsprache verwendeten die Parteien dann auch in ihren Wahlprogrammen. An den Bedürfnissen der Leserinnen und Leser, die sich nicht tagtäglich mit diesen Themen beschäftigen, schreiben sie damit vorbei, so das Urteil der Hohenheimer Experten.
    Sowohl die Verwendung von Anglizismen als auch von „Denglisch“ (deutsch-englische Begriffe) erschwere das Verständnis – zumindest für einige Wählergruppen. „Joint Investigation Teams“ (CDU Sachsen), „First Responder“ (Grüne Sachsen) und „Business Guide“ (SPD Brandenburg) verstünden nur einige Menschen. Das Gleiche gelte für „Contractings“ (Linke Thüringen), „Clustermanagement“ (SPD Thüringen) oder „Racial Profiling“ (SPD Thüringen).
    „Auch zu lange Sätze machen die Wahlprogramme unverständlich, vor allem für Wenig-Leser“, sagt Claudia Thoms. Dennoch fanden die Hohenheimer Wissenschaftler bei allen Parteien überlange Sätze. 30 bis 40 Wörter pro Satz waren keine Seltenheit.

    Hintergrund: Der Hohenheimer Wahlprogramm-Check
    Die Wahlprogramme sind ein Kommunikationsmittel der Parteien, um die eigenen Positionen darzulegen. Seit 2009 untersucht das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft insbesondere Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim im „Wahlprogramm-Check“ wie verständlich die Parteien in ihren Wahlprogramm kommunizieren, welche Hürden sich finden und welche Themen und Begriffe in den Programmen dominieren. Die Studie ist eine Kooperation mit der Ulmer Agentur für Verständlichkeitsmessung H&H Communication Lab GmbH.
    Möglich werden diese Analysen durch die von der H&H Communication Lab GmbH und von der Universität Hohenheim entwickelte Verständlichkeitssoftware „TextLab“. Diese Software berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).
    Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen, der die Verständlichkeit der Programme und Texte auf einer Skala von 0 (unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) abbildet. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in der Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung kommen im Schnitt auf 16,8 Punkte.
    Text: Töpfer

    Kontakt für Medien:
    Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, insb. Kommunikationstheorie, 70599 Stuttgart, Tel.: 0711/459-24030, E-Mail: frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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