Die Potenziale einer starken Primärversorgung mit Lotsenfunktion durch das Gesundheitssystem für eine Optimierung von Gesundheitsförderung, Prävention und die Betreuung chronisch Kranker diskutierten Experten/-innen beim European Health Forum Gastein.
Bad Hofgastein, 2. Oktober 2014 – Primary Health Care (PHC) sei ein Schlüssel zur Systemoptimierung des Gesundheitswesens, und müsse keineswegs im Gegensatz zur Wahlfreiheit der Patienten/-innen stehen. Vielmehr führe eine gut geplante und umgesetzte Primärversorgung zu effizienteren Versorgungsstrukturen und einer Kontinuität in der Patientenbetreuung, so Experten bei einer Diskussion über PHC-Modelle auf dem European Health Forum Gastein (EHFG).
„Eine starke Primärversorgung hat eine Reihe von Vorteilen. Sie ermöglicht zum Beispiel die systematische Umsetzung von Primärpräventions- und Screening-Programmen. Und sie stellt Patienten/-innen in den Mittelpunkt des Versorgungssystems, die kontinuierlich im Sinn von Behandlungspfaden von koordiniert vorgehenden Gesundheitsdienstleistern betreut werden“, so Prof. José M. Martin-Moreno von der Universität Valencia beim EHFG. „Die Alternative ist in der Regel ein kompliziertes und zugleich fragmentiertes System von Spezialisten ohne effektive Kommunikations- und Interaktionskanäle.“
Primary Health Care, so der Experte, müsse den Grundsätzen der sozialer Gerechtigkeit, der flächendeckenden Versorgung, der sektorübergreifenden Koordination sowie der Einbeziehung der Betroffenen in die Planung und Implementierung von
Gesundheitsprogrammen gerecht werden, betonte Prof. Martin-Moreno.
„Diese Partizipationsmöglichkeiten eröffnen Patienten/-innen auch ein gewisses Maß an Wahlfreiheit“, so Prof. Martin-Moreno. „Wenn man Wahlfreiheit aber darauf reduziert, dass man direkt, ohne vorhergehende Konsultation auf der ersten Versorgungsebene, zu jedem beliebigen Spezialisten gehen kann, dann kann die Koordinierungsleistung und Lotsenfunktion der Primärversorgung schon als eine relative Einschränkung der Wahlfreiheit empfunden werden.“
Attraktivität des Angebotes statt Gatekeeping
„Die Neugestaltung der Primärversorgung ist in Österreich ein aktuelles politisches Thema und ein zentraler Punkt der Gesundheitsreform. Eine entscheidende Frage ist die nach der Gestaltung des Zugangs zu den verschiedenen Ebenen der Gesundheitsversorgung“, so Dr. Josef Probst, Generaldirektor des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger auf dem EHFG. „Wir wollen kein Gatekeeping einführen, sondern wir setzen darauf, dass unser neues Modell der Primärversorgung so attraktiv für die Anbieter/-innen von Gesundheitsdiensten und Patienten/-innen sein wird, dass wir keine Hürden oder Zugangsregelungen benötigen.“
„Die derzeitige österreichische Primärversorgung ist, geprägt durch die dem Gesundheitssystem immanente starke Fragmentierung, in einigen für Primärversorgung wesentlichen Dimensionen nur schwach ausgeprägt. Es findet zwar bereits in einigen Fällen Koordination, intensive Zusammenarbeit und Kommunikation statt, allerdings nicht in einer verbindlichen und flächendeckenden Form“, so Sektionsleiter Dr. Clemens Martin Auer vom österreichischen Gesundheitsministerium. „Dies führt zu einigen unerwünschten Ergebnissen, wie einer hohen Spitalshäufigkeit und nur durchschnittlichen ‚Outcomes‘ von chronisch kranken Menschen. Die vernetzte, räumlich und zeitlich einfach zugängliche Form der Primärversorgung für die gesamte Bevölkerung gleichermaßen, in der durch Koordinierung und Kooperation die Effizienz, aber vor allem der Erfolg der ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Versorgung gefördert wird, muss daher das klare Ziel der Neuausrichtung der Primärversorgung in Österreich sein.“
Kommunikation versus Fragmentierung
In einer idealen Welt, mit einem hohen Level von Gesundheitskompetenz, wäre die Koordinierungsleistung durch eine PHC-Drehscheibe, die an die optimale Stelle für die jeweils benötigte Gesundheits- und Pflegeleistung weitervermittelt, vielleicht entbehrlich, so Prof. Martin-Moreno. „Aber solche Vorstellungen entsprechen nicht der Realität, vor allem angesichts mangelhafter oder heterogener Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung, aber auch etwa in Fällen multipler Komorbidität, die multidisziplinäre Teams vor besondere Herausforderungen stellen. Doch selbst unter der Annahme eines hohen Health Literacy-Levels hat der Gatekeeping-Ansatz einer gut durchdachten Primärversorgung seine Vorteile: gute Register-Systeme, gut geplante Arbeitsabläufe und Behandlungsprotokolle sowie die Stärkung einer multidisziplinärer Ausbildung, Forschung und Versorgung“, so Prof. Moreno.
„Electing Health – The Europe We Want“ ist das Motto des diesjährigen EHFG. Rund 600 Teilnehmer/-innen aus mehr als 50 Ländern nutzen Europas wichtigste gesundheitspolitische Konferenz in Bad Hofgastein zum Meinungsaustausch über zentrale Fragen europäischer Gesundheitssysteme. Die zukünftige Richtung der europäischen Gesundheitspolitik ist das Schwerpunktthema des Kongresses.
EHFG Pressebüro
Dr. Birgit Kofler
B&K Kommunikationsberatung GmbH
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