Unter Heuschrecken haben schlechte Sänger keine gute Karten: Sie schrecken weibliche Artgenossen stärker ab als gute Sänger diese anziehen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Forschern aus Berlin.
Welcher Paarungspartner ist der beste? Um diese schwierige Frage zu beantworten, stützen sich weibliche Heuschrecken auf die Gesangkünste männlicher Artgenossen. Dabei fällt die Qualität schlechter Sänger stärker ins Gewicht als die guter Sänger. Letztere hat wenig Einfluss auf die Entscheidung der Weibchen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern um Bernhard Ronacher am Bernstein Zentrum Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Wissenschaftler betonen, dass das Forschungsergebnis mit gängigen Theorien der Partnerwahl übereinstimmt: Es hilft Weibchen, zeit- und kostenaufwändige Kontakte mit ungeeigneten Paarungspartnern zu vermeiden – wie etwa mit Männchen anderer Arten, welche einen verschiedenartigen Gesang besitzen.
Für die Studie spielten die Forscher Heuschreckenweibchen in einer schallisolierten Kammer männliche Lockgesänge vor. Bei Gefallen produzieren die Weibchen einen Antwortgesang, der wiederum die Männchen in ihrem Balzverhalten bestärkt. „Als besonders attraktiv werden Gesänge bewertet, bei denen die Lautstärke mehr oder weniger konstant gehalten wird“, erläutert Jan Clemens, Erstautor der Studie. Die Wissenschaftler präsentierten den Tieren sowohl gute als auch schlechte Lockgesänge und nahmen die weiblichen Antworten auf, um den Entscheidungsprozess der Tiere zu untersuchen.
„Wir fanden heraus, dass besonders der Beginn eines Gesangs Einfluss auf die Antwort der Weibchen hat“, erklärt Clemens. Folglich sollte ein guter Gesang die Weibchen schnell paarungswillig stimmen – was jedoch gängigen Theorien der sexuellen Auslese widerspricht. Diese besagen, dass Weibchen besonders wählerisch sein und daher überprüfen sollten, ob Männchen auch langfristig gute Gesänge produzieren.
Um den Mechanismen der Entscheidungsfindung genauer auf den Grund zu gehen, haben die Forscher ihre Daten mit einem Computermodell analysiert. Dieses Modell erlaubte ihnen die Verhaltensdaten in Hinblick auf weitere Kennwerte zu interpretieren, wie etwa der Gewichtung der Sinneseindrücke beim Entscheidungsprozess oder die innere Entscheidungsschwelle des Tieres.
„Dieses Modell lieferte uns einen ganz anderen Erklärungsansatz: Dabei hat ein schlechter Gesang viel mehr Gewicht im Entscheidungsprozess als ein guter. Das stimmt besser mit der gängigen Theorie sexueller Auslese überein, da es hilft, eine unvorteilhafte Partnerwahl zu vermeiden“, erläutert Clemens. Der Neurowissenschaftler weist auf die erweiterten Auswertungsmöglichkeiten durch Computermodelle hin. Erst das Modell konnte ihnen helfen, das Verhalten der Heuschreckenweibchen dahingehend zu interpretieren, dass diese nicht impulsiv auf gute Gesänge reagieren, sondern im Gegenteil schlechte Gesänge selektiv ablehnen.
Das Bernstein Zentrum Berlin ist Teil des Nationalen Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience. Seit 2004 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dieser Initiative die neue Forschungsdisziplin Computational Neuroscience mit über 180 Mio. €. Das Netzwerk ist benannt nach dem deutschen Physiologen Julius Bernstein (1835-1917).
Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne:
Prof. Dr. Bernhard Ronacher
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Biologie
Abteilung Verhaltensphysiologie
Invalidenstraße 43
10115 Berlin
Tel: +49 (030) 2093-8806
E-Mail: bernhard.ronacher@rz.hu-berlin.de
Dr. Jan Clemens
Princeton Neuroscience Institute and
Department of Molecular Biology
A53 PNI
Washington Road
Princeton, NJ (USA) 08544
Tel: +1 (609) 258-7668
E-Mail: clemensjan@gmail.com
Originalpublikation:
J. Clemens, S. Krämer, B. Ronacher (2014): Asymmetrical integration of sensory information during mating decisions in grasshoppers. PNAS, advanced online publication
doi: 10.1073/pnas.1412741111
https://www2.hu-berlin.de/biologie/vhphys Webseite Bernhard Ronacher
http://www.princeton.edu/~janc Webseite Jan Clemens
http://www.hu-berlin.de Humboldt-Universität zu Berlin
http://www.bccn-berlin.de Bernstein Zentrum Berlin
http://www.nncn.de Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience
Eine Heuschrecke der Art Chorthippus biguttulus, die die Forscher untersuchten.
Bildrechte: Monika Eberhard, 2014
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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