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07.11.2014 09:56

Ein schlechter Gesang schreckt ab

Mareike Kardinal Bernstein Koordinationsstelle
Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience

    Unter Heuschrecken haben schlechte Sänger keine gute Karten: Sie schrecken weibliche Artgenossen stärker ab als gute Sänger diese anziehen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Forschern aus Berlin.

    Welcher Paarungspartner ist der beste? Um diese schwierige Frage zu beantworten, stützen sich weibliche Heuschrecken auf die Gesangkünste männlicher Artgenossen. Dabei fällt die Qualität schlechter Sänger stärker ins Gewicht als die guter Sänger. Letztere hat wenig Einfluss auf die Entscheidung der Weibchen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern um Bernhard Ronacher am Bernstein Zentrum Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Wissenschaftler betonen, dass das Forschungsergebnis mit gängigen Theorien der Partnerwahl übereinstimmt: Es hilft Weibchen, zeit- und kostenaufwändige Kontakte mit ungeeigneten Paarungspartnern zu vermeiden – wie etwa mit Männchen anderer Arten, welche einen verschiedenartigen Gesang besitzen.

    Für die Studie spielten die Forscher Heuschreckenweibchen in einer schallisolierten Kammer männliche Lockgesänge vor. Bei Gefallen produzieren die Weibchen einen Antwortgesang, der wiederum die Männchen in ihrem Balzverhalten bestärkt. „Als besonders attraktiv werden Gesänge bewertet, bei denen die Lautstärke mehr oder weniger konstant gehalten wird“, erläutert Jan Clemens, Erstautor der Studie. Die Wissenschaftler präsentierten den Tieren sowohl gute als auch schlechte Lockgesänge und nahmen die weiblichen Antworten auf, um den Entscheidungsprozess der Tiere zu untersuchen.

    „Wir fanden heraus, dass besonders der Beginn eines Gesangs Einfluss auf die Antwort der Weibchen hat“, erklärt Clemens. Folglich sollte ein guter Gesang die Weibchen schnell paarungswillig stimmen – was jedoch gängigen Theorien der sexuellen Auslese widerspricht. Diese besagen, dass Weibchen besonders wählerisch sein und daher überprüfen sollten, ob Männchen auch langfristig gute Gesänge produzieren.
    Um den Mechanismen der Entscheidungsfindung genauer auf den Grund zu gehen, haben die Forscher ihre Daten mit einem Computermodell analysiert. Dieses Modell erlaubte ihnen die Verhaltensdaten in Hinblick auf weitere Kennwerte zu interpretieren, wie etwa der Gewichtung der Sinneseindrücke beim Entscheidungsprozess oder die innere Entscheidungsschwelle des Tieres.

    „Dieses Modell lieferte uns einen ganz anderen Erklärungsansatz: Dabei hat ein schlechter Gesang viel mehr Gewicht im Entscheidungsprozess als ein guter. Das stimmt besser mit der gängigen Theorie sexueller Auslese überein, da es hilft, eine unvorteilhafte Partnerwahl zu vermeiden“, erläutert Clemens. Der Neurowissenschaftler weist auf die erweiterten Auswertungsmöglichkeiten durch Computermodelle hin. Erst das Modell konnte ihnen helfen, das Verhalten der Heuschreckenweibchen dahingehend zu interpretieren, dass diese nicht impulsiv auf gute Gesänge reagieren, sondern im Gegenteil schlechte Gesänge selektiv ablehnen.

    Das Bernstein Zentrum Berlin ist Teil des Nationalen Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience. Seit 2004 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dieser Initiative die neue Forschungsdisziplin Computational Neuroscience mit über 180 Mio. €. Das Netzwerk ist benannt nach dem deutschen Physiologen Julius Bernstein (1835-1917).

    Weitere Informationen erteilen Ihnen gerne:

    Prof. Dr. Bernhard Ronacher
    Humboldt-Universität zu Berlin
    Institut für Biologie
    Abteilung Verhaltensphysiologie
    Invalidenstraße 43
    10115 Berlin
    Tel: +49 (030) 2093-8806
    E-Mail: bernhard.ronacher@rz.hu-berlin.de

    Dr. Jan Clemens
    Princeton Neuroscience Institute and
    Department of Molecular Biology
    A53 PNI
    Washington Road
    Princeton, NJ (USA) 08544
    Tel: +1 (609) 258-7668
    E-Mail: clemensjan@gmail.com

    Originalpublikation:

    J. Clemens, S. Krämer, B. Ronacher (2014): Asymmetrical integration of sensory information during mating decisions in grasshoppers. PNAS, advanced online publication
    doi: 10.1073/pnas.1412741111


    Weitere Informationen:

    https://www2.hu-berlin.de/biologie/vhphys Webseite Bernhard Ronacher
    http://www.princeton.edu/~janc Webseite Jan Clemens
    http://www.hu-berlin.de Humboldt-Universität zu Berlin
    http://www.bccn-berlin.de Bernstein Zentrum Berlin
    http://www.nncn.de Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience


    Bilder

    Eine Heuschrecke der Art Chorthippus biguttulus, die die Forscher untersuchten.
    Eine Heuschrecke der Art Chorthippus biguttulus, die die Forscher untersuchten.
    Bildrechte: Monika Eberhard, 2014
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Eine Heuschrecke der Art Chorthippus biguttulus, die die Forscher untersuchten.


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