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18.11.2014 09:48

Gegen den Strom – Mobilität der Bakterien als Angriffspunkt zur Krankheitsbekämpfung

Dr. Susanna Kautschitsch Public Relations
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Sich zu bewegen, hilft vielen Bakterien, in bestimmte Nischen zu gelangen oder sich aus feindlichen Umgebungen zurückzuziehen. Das Bakterium Mycoplasma gallisepticum, ein Krankheitserreger bei Geflügel, kann auf glatten Oberflächen gleiten. WissenschafterInnen der Vetmeduni Vienna fanden nun heraus, welche Proteine für diesen Gleitmechanismus verantwortlich sind. Das Gleiten zu unterbinden, könnte die Bakterien weniger infektiös machen, aber auch helfen, einen Impfstoff gegen den Erreger zu entwickeln. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Veterinary Research veröffentlicht.

    Mycoplasma gallisepticum verursacht chronische Erkrankungen der Atemwege bei Vögeln. Vor allem Hühner- und Putenherden sind von der Tierseuche betroffen. Besonders in Kombination mit weiteren Infektionen ist der Keim lebensbedrohlich für die Tiere. EU-weit müssen Geflügelzuchtbetriebe nachweislich frei von Mycoplasma gallisepticum sein, da sonst die Schließung droht.

    Mycoplasma gallisepticum ist mit dem Humankeim Mycoplasma pneumoniae verwandt, der bei Menschen Bronchitis und Lungenentzündungen verursacht. Mycoplasmen gehören zu den kleinsten Mikroorganismen überhaupt. In der Fachwelt spricht man sogar von degenerierten Bakterien, da sie einen Großteil ihres Erbmaterials im Laufe der Evolution über Bord geworfen haben und somit das kleinste bakterielle Genom besitzen. Gerade das aber macht sie zu effizient angepassten Krankheitserregern bei Mensch und Tier.

    Mindestens drei Proteine für Gleitmechanismus verantwortlich

    Dass M. gallisepticum gleitet, ist seit den 1960er-Jahren bekannt. Wie der Mechanismus aber genau funktioniert und welche Proteine das Gleiten ermöglichen, war bislang unklar. Erstautorin Ivana Indikova und Studienleiter Michael Szostak vom Institut für Mikrobiologie der Vetmeduni Vienna haben nun herausgefunden, dass die Proteine GapA, CrmA und Mgc2 das Bakterium bewegen. „Fehlt dem Bakterium eines dieser drei Proteine, kann es sich nicht mehr eigenständig bewegen. Uns interessiert, ob unbewegliche Mycoplasmen weniger infektiös sind. Wäre das der Fall, könnten wir gezielt Mobilitätsgene ausschalten und so den Keim ungefährlich machen“, erklärt Szostak.

    Die Gleitfähigkeit könnte sogar dazu beitragen, dass Mycoplasmen in Körperzellen eindringen und sie durchqueren können. Damit würden sie sich einerseits vor dem Immunsystem in Sicherheit bringen und andererseits die Infektion effizient über den Wirtskörper ausbreiten.

    Auch die Entwicklung eines Impfstoffes schwebt den ExpertInnen vor. „Eine unbeweglicher und nicht krankmachender Keim könnte Basis für einen neuen Impfstoff sein, den das Immunsystem zwar erkennt und bekämpft, der aber keine Krankheit im Organismus verursacht“, erklärt Szostak.

    Bewegen sich gleitende Mycoplasmen gegen den Strom?

    Die Fähigkeit sich zu bewegen, bringt den Erregern also gewisse Vorteile. Auf welche Reize M. gallisepticum beim Gleiten reagiert, ist aber noch unbekannt. Szostak vermutet: „Die meisten Mycoplasmen können nicht gleiten. Die gleitenden Arten wurden bisher nur im Atemtrakt und Genitaltrakt nachgewiesen. Also überall dort, wo es einen gerichteten Schleimfluss gibt. Wir glauben, dass die gleitenden Bakterien sich möglicherweise gegen diesen Strom bewegen, um tieferliegende Körperregionen zu erreichen. Wir planen gerade weitere Experimente, um dieser Frage nachzugehen.“

    Service:

    Der Artikel „First identification of proteins involved in motility of Mycoplasma gallisepticum” von Ivana Indikova, Martin Vronka und Michael P. Szostak wurde im Journal Veterinary Research veröffentlicht. DOI: 10.1186/s13567-014-0099-2 http://www.veterinaryresearch.org/content/45/1/99

    Über die Veterinärmedizinische Universität Wien

    Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. Im Jahr 2015 feiert die Vetmeduni Vienna ihr 250-jähriges Bestehen. http://www.vetmeduni.ac.at

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Dr. Michael Szostak
    Institut für Mikrobiologie
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 20577-2104
    michael.szostak@vetmeduni.ac.at

    Aussenderin:
    Dr. Susanna Kautschitsch
    Wissenschaftskommunikation / Public Relations
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    T +43 1 25077-1153
    susanna.kautschitsch@vetmeduni.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinfo2014/bak...


    Bilder

    Mycoplasma gallisepticum auf Epithelzellen einer Hühnerluftröhre.
    Mycoplasma gallisepticum auf Epithelzellen einer Hühnerluftröhre.
    Foto: Michael Szostak / Vetmeduni Vienna
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Mycoplasma gallisepticum auf Epithelzellen einer Hühnerluftröhre.


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