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21.11.2014 13:30

Hirnerkrankungen verstehen - eine Million Euro für Leipziger Neurowissenschaften

Diana Smikalla Pressestelle
Universität Leipzig

    - Gemeinsame Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Universität Leipzig -

    Gleich drei Projekte von Leipziger Wissenschaftlern fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in einem neuen Schwerpunktprogramm zur Rolle regulatorischer Nukleinsäuren in der Hirnentwicklung, Plastizität und bei Erkrankungen des Nervensystems. Bei deutschlandweit insgesamt 17 geförderten Projekten nimmt Leipzig damit einen Spitzenplatz in dieser Schwerpunktförderung der DFG ein.

    "Konkret geht es dabei um die so genannten nicht Protein-kodierenden Ribonukleinsäuren oder auch ncRNA", sagt Prof. Dr. Thomas Arendt, Direktor des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Schon seit einigen Jahren sei bekannt, dass es RNA-Moleküle gibt, welche die Umsetzung der im Erbgut (Genom) vorhandenen genetischen Informationen regulieren können. "Nur ein gewisser Prozentsatz der im Genom gespeicherten Information wird über RNA in Proteine übersetzt und übermittelt damit die Bauanleitung für Eiweißverbindungen", so Arendt weiter. Bislang sei den übrigen RNAs, die keine Protein-kodierende Information besitzen, nur geringe Bedeutung beigemessen worden, so dass ihre Rolle wenig untersucht und kaum verstanden wurde. "Sie sind aber wahrscheinlich von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung und Regulation der komplexen Funktionen von Geweben und Organen", erläutert Arendt. Deshalb sollen sie nun systematisch untersucht werden, was die DFG in Leipzig mit einer Million Euro unterstützt.

    Komplexe Entwicklung von Gehirn und Auge

    Eins der drei geförderten Projekte stammt von Dr. Katja Nowick und Prof. Peter Stadler vom Interdisziplinären Zentrum für Bioinformatik (IZBI). Es zielt darauf ab, die stammesgeschichtliche Entwicklung (Phylogenese) der genomischen Organisation in ihrem komplexen Umfang zu erforschen. "Sie ist zwischen niedrigen und höher entwickelten Arten sehr ähnlich", so Arendt. Jedoch stehen genau aus diesem Grund einige grundlegende Fragen noch im Raum. "Wie konnte sich dennoch das so komplexe menschliche Hirn mit all seinen Unterschieden zu den Gehirnen anderer Tiere entwickeln?" Die Forscher vermuten, dass genau diese regulatorischen RNA-Moleküle dabei eine wesentliche Rolle spielten. Geklärt werden müsse aber, wie sie sich von niedrigen zu höher entwickelten Arten verändert haben.

    Dr. Jörg Hackermüller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Dr. Mike Karl vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und der TU Dresden wollen herausfinden, welche Rolle die RNA-Moleküle bei der Entwicklung, Degeneration und Regeneration der Netzhaut des Auges in der Maus spielen. Dieser Ansatz soll die Bedeutung der RNA-Moleküle bei der Plastizität von neuronalen Strukturen sowie den Mangel an Selbstheilung (Regeneration) beim Menschen herausarbeiten.

    Alzheimer ausschließlich menschliche Erkrankung

    In dem von Prof. Arendt selbst verantworteten Projekt sollen schließlich die stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) und entwicklungsbiologischen (ontogenetischen) Aspekte zusammengeführt werden. Im Mittelpunkt der Forschung steht dabei die Alzheimersche Erkrankung. "Alzheimer ist menschenspezifisch, bei keiner anderen Art ist diese Krankheit bekannt", berichtet der Wissenschaftler. Dies hänge vermutlich damit zusammen, dass der Mensch eine sehr hohe Entwicklungsstufe erreicht hat und das menschliche Gehirn vielleicht gerade deshalb so anfällig sei. "Funktionen, die bei Alzheimer früh verloren gehen, werden in der Entwicklung des Individuums erst sehr spät erworben und umgekehrt", sagt er. Im Gehirn von Patienten seien zugleich solche Bereiche besonders betroffen, die spät entwickelt werden. "Wir sehen sehr viele Veränderungen von Regulator-Molekülen bei Alzheimer und nun gilt es, die Zusammenhänge und dahinter steckenden Mechanismen herauszufinden."

    Dass es sich dabei um extrem komplexe Strukturen handelt, macht Arendt an einem Beispiel deutlich. "Eine Nervenzelle steht mit bis zu 10 000 anderen Nervenzellen in Verbindung." An den Schnittstellen der Zellkommunikation untereinander, den Synapsen, werden Moleküle gebraucht, die ganz spezielle Informationen in hoher Geschwindigkeit und sehr genau überbringen. "Wir müssen nun auf die Regulatorebene vordringen, um die komplexen Vorgänge erklären zu können, die dort ablaufen." Dieses Netzwerk zu analysieren und experimentell abzubilden, sei äußerst schwierig. Dazu seien unter anderem auch neue Werkzeuge in der Bioinformatik notwendig.

    "Wir bewegen uns hier auf einem Feld, das für die Zell- und Molekularbiologie noch einige Überraschungen bereithält", ist sich Arendt sicher. "Die Natur schafft es, mit einem relativ einfachen Baukasten von Elementen ein so hoch komplexes Organ wie das Gehirn zu entwickeln." Wenn es nun gelänge, die Regulatormoleküle besser zu kennen, helfe dies, den Baukasten insgesamt zu verstehen. Dabei können andere Fachdisziplinen seinen Angaben zufolge wichtige Anregungen und Erkenntnisse beisteuern. "Entsprechend gibt es vielfältige Interaktionen mit anderen Gruppen in Leipzig, insbesondere mit Universitätsprofessor Dr. Friedemann Horn vom Institut für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin. Seine Arbeiten zur Rolle von nicht Protein-kodierenden RNAs in der Tumorbiologie sind für unsere Forschung von großer Bedeutung." (Jörg Aberger)
    Weitere Informationen:

    Prof. Dr. Thomas Arendt
    Telefon: +49 341 97-25721
    E-Mail: aret@medizin.uni-leipzig.de

    Dr. Jörg Hackermüller
    Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
    Nachwuchsgruppe Bioinformatics & Transcriptomics
    Telefon: 0341 235 1561


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/~pfi/pfi/de/neuroanatomie/mitarbeiter/mitarbeiter.html Link zum Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, Medizinische Fakultät, Leipzig
    http://www.ufz.de/index.php?de=30930 Link zum Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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