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20.02.2015 17:19

Genetischer Fingerabdruck von Darmbakterien

Dr. Tebke Böschen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Exzellenzcluster Entzündungsforschung

    Ein Forschungsteam des Exzellenzclusters Entzündungsforschung hat die Bakterienvergesellschaftung im Darm von Menschen aus Deutschland, Litauen und Indien untersucht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen dabei das so genannte Mikrobiom, die Gesamtheit der Bakterien im Darm, in den Blick. Sie fanden Unterschiede in der Bakterienzusammensetzung des Mikrobioms zwischen den drei Ländern, womöglich in Abhängigkeit von Lebens- und Ernährungsgewohnheiten oder auf Grund genetischer Unterschiede. Das Team beobachtete außerdem eine Veränderung des Mikrobioms mit zunehmendem Alter. Die Studie wurde jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Gut veröffentlicht.

    Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Kiel und Litauen verglich das Team des Exzellenzclusters Entzündungsforschung Proben von menschlichem Darmgewebe. Dabei untersuchte das Team sowohl gesunde Menschen als auch von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Betroffene. Das Mikrobiom von CED-Erkrankten zeigte dabei große Unterschiede, insbesondere zwischen Europa und Indien. Philipp Rausch vom Max-Planck Institut für Evolutionsbiologie in Plön und dem Institut für Experimentelle Medizin (Medizinische Fakultät der Kieler Universität und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung erläutert die neuesten Erkenntnisse: „Der deutliche Unterschied in der Bakterienzusammensetzung des Darmes zwischen Deutschland beziehungsweise Litauen und Indien ist teilweise durch unterschiedliche Ernährungs- und Lebensgewohnheiten, womöglich aber auch genetisch begründet.“ So sei auch die unterschiedlich starke regionale Verbreitung von Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zumindest teilweise zu erklären, da die bakteriellen Gemeinschaften einen starken Einfluss auf die Entwicklung von CEDs haben.

    Bei den Analysen wurde nur ein kleiner Abschnitt des Gens analysiert. Beim so genannten „Barcoding“ vergleichen die Forschenden genetische Merkmale, die bei allen untersuchten Individuen vorkommen, dabei aber zwischen Individuen variieren können. Untersucht wurde so das 16S rRNA-Gen, wobei gleichzeitig genomische (DNA) und exprimierte Versionen (RNA) des Gens sequenziert wurden. Dieses nur langsam mutierende Gen ist gut geeignet, um Bakterienarten voneinander zu unterscheiden. Durch die Analyse von DNA und RNA war es zusätzlich möglich, nicht nur die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften zu untersuchen, sondern auch deren Aktivität zu berechnen. Ateequr Rehman, Erstautor der Studie, erläutert die Funktionsweise: „Man kann vereinfacht sagen, dass das 16S rRNA-Gen ein genetischer Fingerabdruck, oder Barcode der Bakterien ist.“ Das Team untersuchte Darmbiopsien von Menschen aus Deutschland, Litauen und Indien. Mit Hilfe des 16S rRNA-Barcoding konnten die Forschenden schließlich feststellen, welche Bakterienarten und in welcher Anzahl sie vorkamen und wie aktiv diese bei den Untersuchten waren. So stießen sie auf deutliche Unterschiede zwischen Europa und Asien, die sich am stärksten in den aktiven Bakteriengemeinschaften abzeichneten. Auch die verschiedenen Krankheiten zeigen Unterschiede, bei Morbus Crohn-Erkrankten ist zum Beispiel ein Absinken der Diversität in allen Bakterienpopulationen zu verzeichnen.

    Eine spezielle Bakterienart, Papillibacter, fanden die Forscherinnen und Forscher vor allem bei gesunden Menschen, und zwar sowohl bei den europäischen wie auch bei den indischen Probengebern. Diese Bakterienart produziert kurzkettige Fettsäuren, die sehr wichtig für die Darmgesundheit sind. Menschen, die an einer CED leiden, haben deutlich weniger Papillibacter in ihrem Darm. Zusätzlich sind die vorhandenen Bakterien inaktiver als bei Gesunden. Dazu Clustermitglied und Projektleiter Professor Stephan Ott: „Das Mikrobiom ist eigentlich ein zusätzliches Organ, welches wir in uns tragen. Dieses Organ kann sich verändern, durch falsche Ernährung, Stress oder Medikation. Dadurch kann es anfälliger werden für Infektionen, die langfristig auch chronische Erkrankungen verursachen können.“

    Das menschliche Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikrolebewesen, die auf oder im Menschen leben. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das Mikrobiom insbesondere die Bakterienvergesellschaftung im Darm. Dieses komplexe System gewinnt zunehmend an Bedeutung, da das Mikrobiom vermutlich für zahlreiche Steuerungsprozesse im Körper mitverantwortlich ist. Bisher sind allerdings noch nicht alle Prozesse innerhalb dieses komplexen Systems bekannt. Die vorliegende Studie erweitert das Wissen zur Dynamik mikrobieller Gemeinschaften in chronischen Entzündungskrankheiten und deren Unterschiede in verschiedenen Weltregionen.

    Originalpublikation:
    A. Rehman, P. Rausch, J. Wang, J. Skieceviciene, G. Kiudelis, K. Bhagalia, D. Amarapurkar, L. Kupcinskas, S. Schreiber, P. Rosenstiel, J.F. Baines und S. Ott: Geographical patterns of the standing and active human gut microbiome in health and IBD (2015), Gut, http://dx.doi.org/10.1136/gutjnl-2014-308341.

    Bildmaterial steht zum Download bereit:
    http://inflammation-at-interfaces.de/de/newsroom/aktuelles/2015-049-1.jpg
    Philipp Rausch, Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung und Erstautor der aktuellen Studie.
    Foto: Tebke Böschen, Uni Kiel
    http://inflammation-at-interfaces.de/de/newsroom/aktuelles/2015-049-2.jpg
    Ateequr Rehman, Erstautor der aktuellen Studie.
    Foto: Robert Häsler
    http://inflammation-at-interfaces.de/de/newsroom/aktuelles/2015-049-3.jpg
    Das Mikrobiom von Menschen aus Deutschland, Indien und Litauen variiert erheblich. Dabei existieren geografische Unterschiede, aber auch die Bakterienzusammensetzung zwischen Gesunden und CED Betroffenen unterscheidet sich innerhalb sowie zwischen den Ländern.
    Abbildung: Philipp Rausch

    Kontakt:
    Philipp Rausch
    Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön
    Tel.: (04522) 763-368
    E-Mail: rausch@evolbio.mpg.de

    Pressekontakt:
    Dr. Tebke Böschen
    Telefon: (0431) 880-4682, E-Mail: tboeschen@uv.uni-kiel.de
    Internet: www.inflammation-at-interfaces.de

    Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces/Entzündungsforschung“ wird seit 2007 durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit einem Gesamtbudget von 68 Millionen Euro gefördert; derzeit befindet er sich in der zweiten Förderphase. Die rund 300 Clustermitglieder an den insgesamt vier Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften) forschen in einem innovativen, systemischen Ansatz an dem Phänomen Entzündung, das alle Barriereorgane wie Darm, Lunge und Haut befallen kann.

    Exzellenzcluster Entzündungsforschung
    Wissenschaftliche Geschäftsstelle, Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
    Postanschrift: Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
    Telefon: (0431) 880-4850, Telefax: (0431) 880-4894
    E-Mail: spetermann@uv.uni-kiel.de


    Weitere Informationen:

    http://inflammation-at-interfaces.de/de/newsroom/aktuelles/genetischer-fingerabd...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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