idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.04.2015 13:58

Alkoholstudie liefert überraschende Ergebnisse

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Die Sterblichkeit von Patienten mit Alkoholsucht in Allgemeinkrankenhäusern ist um ein Vielfaches höher als bei Behandelten ohne Alkoholabhängigkeit. Außerdem sterben sie im Schnitt rund 7,6 Jahre früher als Krankenhauspatienten ohne einen solchen Suchthintergrund. Das haben Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn mit britischen Kollegen anhand von Patientendaten mehrerer Allgemeinkrankenhäuser in Manchester (England) herausgefunden. Die Forscher fordern eine frühere und intensivere psychotherapeutische Begleitung von Alkoholkranken. Die Studie ist nun im Journal “European Psychiatry” veröffentlicht.

    Wie komme ich nur an Alkohol heran? Die Gedanken der Suchtkranken verengen sich zunehmend auf diese Frage. In dem Maße wie das zwanghafte Trinkverhalten zunimmt, werden andere Interessen vernachlässigt. Als typisch gilt auch, dass Betroffene ihre Sucht leugnen, unter Entzugserscheinungen leiden und die Gewöhnung an den Alkoholkonsum zunimmt. Darüber hinaus führt Alkoholismus zu Veränderungen der Persönlichkeit sowie zu Problemen in der Familie und am Arbeitsplatz.

    „Mit der Alkoholsucht sind sowohl psychische Probleme als auch erhebliche körperliche Beeinträchtigungen der Gesundheit verbunden“, sagt Dr. Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. „Im Schnitt sterben Alkoholiker, die wegen gesundheitlicher Probleme in britischen Allgemeinkrankenhäusern behandelt wurden, aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer körperlicher Begleiterkrankungen 7,6 Jahre früher als Patienten ohne Alkoholsucht“, berichtet der Wissenschaftler. Für die Studie werteten Dr. Schoepf und Prof. Dr. Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England Patientendaten von sieben Allgemeinkrankenhäusern in Manchester aus.

    Es handelt sich dabei um eine Langzeitbeobachtung: Die Daten erstrecken sich über einen Zeitraum von 12,5 Jahren. Mit ihrer Hilfe analysierten die Wissenschaftler die körperlichen Begleiterkrankungen von 23.371 Krankenhauspatienten mit Alkoholsucht und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe aus zufällig ausgewählten 233.710 Behandelten ohne Alkoholismus. „Im Beobachtungszeitraum starb etwa jeder fünfte Krankenhauspatient mit Alkoholsucht in einem der Krankenhäuser, während es bei der Kontrollgruppe nur jeder zwölfte Patient war“, fasst Prof. Heun das Ergebnis zusammen.

    Mit der Alkoholsucht traten 27 Begleiterkrankungen gehäuft auf

    Insgesamt 27 körperliche Krankheiten traten gehäuft bei Patienten mit Alkoholsucht auf: etwa der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes und des Nervensystems. Im Gegensatz dazu waren etwa Herzinfarkte, Herzkreislauferkrankungen und Grauer Star bei den Patienten mit Alkoholismus weniger häufig als bei der Kontrollgruppe. „Patienten mit Suchtproblemen werden oft als Notfälle in Kliniken eingeliefert. Bei der Diagnose stehen dann die akuten Symptome im Vordergrund - das führt möglicherweise dazu, dass nicht alle körperlichen Erkrankungen erfasst werden“, vermutet Dr. Schoepf. Auch ein geringeres Schmerzempfinden und Wahrnehmungsstörungen der Suchtkranken könnten dazu führen, dass bestimmte Krankheitsbilder von den Ärzten nicht erkannt werden.

    Die Studie sei in dieser Form einzigartig, betonen die Wissenschaftler. Die große Zahl erfasster Patienten und die umfangreiche Kontrollgruppe erlaubten eine sehr differenzierte Auswertung. Der für solche Untersuchungen ungewöhnlich lange Beobachtungszeitraum ermögliche darüber hinaus, auch Krankheiten zu erfassen, die nur allmählich Beschwerden machen. Dass die Untersuchung ausgerechnet mit Daten aus Großbritannien durchgeführt wurde, hängt mit dem leichteren Zugang zu den notwendigen Informationen in England zusammen. „Die Ergebnisse beziehen sich zwar auf Allgemeinkrankenhäuser in Manchester, sie sind aber aufgrund der großen Stichproben repräsentativ und lassen sich deshalb auf andere Allgemeinkrankenhäuser in anderen Ländern verallgemeinern“, sagt Dr. Schoepf.

    Forscher fordern Screening und frühzeitige Therapien

    Aus Sicht der Wissenschaftler verdeutlicht die erhöhte Sterblichkeit der Patienten mit Alkoholismus in Allgemeinkrankenhäusern, dass die Sucht als Ursache der vielfältigen körperlichen Folgen in einem deutlich früheren Stadium therapiert werden muss. „Durch gewissenhaftes Screening und die frühzeitige Behandlung von psychischen und körperlichen Begleiterkrankungen sollte es möglich werden, die Lebenserwartung von Alkoholkranken deutlich zu erhöhen“, sagt Prof. Heun.

    Publikation: Alcohol dependence and physical comorbidity: Increased prevalence but reduced relevance of individual comorbidities for hospital-based mortality during a 12.5-year observation period in general hospital admissions in urban North-West England, Journal “European Psychiatry”

    Kontakt für die Medien:

    Dr. Dieter Schoepf
    Klinik und Poliklinik für
    Psychiatrie und Psychotherapie
    des Universitätsklinikums Bonn
    Tel. 0228/28716198
    E-Mail: Dieter.Schoepf@ukb.uni-bonn.de


    Weitere Informationen:

    http://dx.doi.org/10.1016/j.eurpsy.2015.03.001 Publikation im Internet


    Bilder

    Dr. Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn.
    Dr. Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitäts ...
    (c) Foto: privat
    None

    Prof. Dr. Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England.
    Prof. Dr. Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England.
    (c) Foto: privat
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dr. Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn.


    Zum Download

    x

    Prof. Dr. Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).