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26.06.2015 20:01

Weniger Tigerunterarten – besserer Schutz

Karl-Heinz Karisch Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Neue wissenschaftliche Erkenntnisse könnten helfen, das Aussterben des Tigers (Panthera tigris) zu verhindern. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der Tiger in nur noch zwei Unterarten unterteilt werden sollte – bisher waren es neun. Das hat weitreichende Konsequenzen für den Artenschutz, da Schutzmaßnahmen und Erhaltungszuchtprogamme jetzt einfacher, flexibler und somit effizienter gestaltet werden können. Die Ergebnisse wurden im frei zugänglichen Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.

    Durch die Erstellung und ausführliche Auswertung des bisher umfangreichsten Tiger-Datenmaterials war es Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin und ihren Kooperationspartnern vom Nationalmuseum in Schottland, vom Naturhistorischen Museum in Kopenhagen und vom Selandia College in Slagelse (Dänemark) möglich, eine kritische Überprüfung der bisher akzeptierten Unterteilung der Tiger in neun Unterarten durchzuführen. Dabei stellte sich heraus, dass sich die meisten Unterarten viel ähnlicher sind, als bisher angenommen wurde. Die Studie zeigt, dass nur zwei Tiger-Unterarten wirklich klar unterscheidbar sind: der „Sunda-Tiger“ (Panthera tigris sondaica) mit den ursprünglichen Verbreitungsgebieten Sumatra, Java und Bali, sowie der auf dem kontinentalasiatischen Festland vorkommende „Festland-Tiger“ (Panthera tigris tigris). Aus der Perspektive des Artenschutzes sollte zudem die noch existierende nördliche Population des „Festland-Tigers“ (Amur-Tiger) von allen südlichen Populationen getrennt behandelt werden, da sie sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.

    Die Studie verglich erstmalig umfassende Daten zur Architektur von über 200 Tigerschädeln und der Farbgebung und Musterbildung von über 100 Tigerfellen mit molekulargenetischen und ökologischen Merkmalen aller bisher beschriebenen sechs lebenden und drei ausgestorbenen Unterarten. Die Ergebnisse zeigen, dass die bisherige Einteilung der Tiger in neun Unterarten nicht haltbar ist. Denn nur der von den Inseln Sumatra, Java und Bali stammende „Sunda-Tiger“ konnte zuverlässig von den Populationen des „Festland-Tigers“ unterschieden werden. Die weitreichenden Auswertungen stützen zudem die Vermutung, dass es aufgrund des gewaltigen Ausbruchs des Toba-Vulkans auf der Insel Sumatra vor etwa 73.000 Jahren u.a. zu einem Massensterben der Tiger kam. Überlebt haben vermutlich nur Tiere eines einzigen Refugiums in Südchina. Diese Tiger wären also die Vorfahren aller modernen Tiger.

    Weltweit wird mehr Geld und Aufmerksamkeit in den Tigerschutz investiert als für jede andere vom Aussterben bedrohte Tierart. Trotzdem gibt es heute weniger als 4.000 freilebende Tiger in den Waldgebieten Asiens, so wenige wie noch nie zuvor. Aufgrund der kleinen und schrumpfenden Bestände wird ein aktives „Naturschutz-Management“ der letzten Tiger immer wichtiger. Die neue Einteilung der Tiger bietet dafür deutlich bessere Chancen: Die weltweiten Schutzbemühungen können nun flexibler und somit effektiver umgesetzt werden.

    „Eine Einteilung in zu viele - wissenschaftlich nicht begründete - Unterarten reduziert den Handlungsspielraum für Erhaltungszucht- oder Auswilderungsprogramme. So standen zum Beispiel Maßnahmen zum Erhalt der bisher als eigenständige Unterarten deklarierten kleinen Populationen in Südchina und Indochina vor dem Dilemma, dass die Populationen für viele Schutzmaßnahmen schon zu stark dezimiert waren, um getrennt erhalten zu werden“, erklärt Dr. Andreas Wilting vom IZW, Leiter der Studie. Durch die neuen Erkenntnisse können beide Populationen jetzt jedoch zusammen mit den malaysischen und indischen Tigern als südlicher „Festland-Tiger“ zugunsten ihres Schutzes gemanagt werden. „Unsere Erkenntnisse liefern die wissenschaftliche Grundlage für einen flexibleren und effektiveren Schutz von Tigern. Jetzt können wir die Maßnahmen zur Rückkehr des Tigers auf Basis einer soliden Taxonomie planen“, sagt Andrew Kitchener vom Nationalmuseum in Schottland.

    Hauptziel der weltweiten Schutzbemühungen ist es, die Tigerbestände bis 2022 zu verdoppeln. Daher sind alle noch vorhandenen Individuen für das langfristige Überleben des Tigers von großer Bedeutung. Nur durch genetische Vielfalt kann garantiert werden, dass die Tierart angemessen und adaptiv auf Umweltveränderungen reagieren und mit Krankheitserregern erfolgreich umgehen kann. Die neue Studie liefert jetzt die wissenschaftlichen Grundlagen für einen praktischen und effektiven Tigerschutz.

    Publikation:
    Wilting A, Courtiol A, Christiansen P, Niedballa J, Scharf AK, Orlando L, Balkenhol N, Hofer H, Kramer-Schadt S, Fickel J, Kitchener AC (2015): Planning tiger recovery: Understanding intraspecific variation for effective conservation. SCIENCE ADVANCES 1:e1400175,
    http://advances.sciencemag.org/content/1/5/e1400175

    Kontakt:
    Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW)
    Alfred-Kowalke-Str. 17
    10315 Berlin

    Dr. Andreas Wilting
    Tel.: +49 30 5168-333
    wilting@izw-berlin.de

    Steven Seet (Presse & Kommunikation)
    Tel.: +49 30 5168-125
    seet@izw-berlin.de

    National Museums Scotland
    Department of Natural Sciences
    Interim Keeper of Natural Sciences
    Chambers Street
    Edinburgh EH1 1JF; UK

    Dr. Andrew Kitchener
    Tel: +44(0)131 247 4240
    Email: a.kitchener@nms.ac.uk

    Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung, die anwendungsorientierte und interdisziplinäre Grundlagenforschung in den Bereichen Evolutionsökologie und -genetik, Wildtierkrankheiten, sowie Reproduktionsbiologie und -management bei Zoo- und Wildtieren betreibt. Aufgabe des IZW ist die Erforschung der Vielfalt der Lebensweisen, der Mechanismen evolutionärer Anpassungen und der Anpassungsgrenzen inklusive Krankheiten von Zoo- und Wildtieren in und außerhalb menschlicher Obhut sowie ihrer Wechselbeziehungen mit Mensch und Umwelt. Die gewonnenen Erkenntnisse sind Voraussetzung für einen wissenschaftlich begründeten Artenschutz und für Konzepte der ökologischen Nachhaltigkeit der Nutzung natürlicher Ressourcen. Das IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB), einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. In ihnen arbeiten mehr als 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.


    Weitere Informationen:

    http://www.izw-berlin.de


    Bilder

    Tigerschädel.
    Tigerschädel.
    Bild: IZW/Per Christansen
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Tigerschädel.


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