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09.10.2015 09:32

Gentransfer erhöht Vitamin-B6-Gehalt in Maniok

Claudia Naegeli Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    Pflanzenforscherinnen und -forscher haben einen Weg gefunden, dass die Maniokpflanze höhere Mengen von Vitamin B6 in ihrem Wurzelknollen und ihren Blättern bildet. Dies könnte helfen, Millionen von Menschen in Afrika vor schweren Mangelerscheinungen zu schützen.

    In vielen tropischen Ländern, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, ist Maniok eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Die Menschen können nicht nur die Speicherwurzeln essen. Sie verwenden oft auch die Blätter als Gemüse. Beides müssen sie erst kochen, um giftige Blausäureverbindungen, welche die Pflanze ansammelt, unschädlich zu machen.

    Einen Nachteil aber hat die Speicherwurzel: Sie hat einen hohen Stärkegehalt, der satt macht, aber insgesamt enthalten Maniokwurzeln nur wenige Vitamine. Insbesondere Vitamin B6 ist nur in geringen Mengen vorhanden. So müsste ein Mensch, der sich hauptsächlich von Maniok ernährt, täglich rund 1,3 Kilogramm davon essen, um sich ausreichend mit diesem Vitalstoff zu versorgen.

    Schwerer Mangel in Afrika

    In vielen Regionen, in denen Maniok ein Hauptbestandteil der Nahrung ist, tritt deshalb ein Mangel an Vitamin B6 auf. Die Folge davon sind Herzkreislauferkrankungen, Diabetes oder Nervenkrankheiten.

    Pflanzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Genf haben deshalb einen Weg gesucht, um die Vitamin-B6-Produktion in Wurzeln und Blättern der Maniokpflanze zu erhöhen. Dadurch liesse sich die Unterversorgung der Maniok-Hauptkonsumenten mit Vitamin B6 verhindern.

    Genmodifizierte Linien produzieren viel B6

    Dieses Vorhaben ist nun gelungen: In der neusten Ausgabe von Nature Biotechnology stellen die Forscherinnen und Forscher eine neue genmodifizierte Manioksorte vor, die mehrfach höhere Mengen dieses wichtigen Vitamins erzeugt.

    «Von der neuen Variante muss ein Mensch täglich nur noch 500 Gramm gekochte Wurzelmasse oder 50 Gramm Blätter essen, damit er seinen täglichen Vitamin-B6-Bedarf decken kann», sagt Wilhelm Gruissem, Professor für Pflanzenbiotechnologie der ETH Zürich. Grundlage für die neue genmodifizierte Maniok-Variante legte Professorin Teresa Fitzpatrick von der Universität Genf. Sie klärte in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) den Biosyntheseweg von Vitamin B6 auf. Am Aufbau des Vitamins sind zwei Enzyme beteiligt, PDX1 und PDX2. Indem die Forschenden die entsprechenden Gene, welche den Code für die Enzyme darstellen, ins Maniok-Genom einbrachten, erzeugten sie mehrere neue Maniok-Linien, die höhere Mengen an VitaminB6 bildeten.

    Unter Feldbedingungen stabil

    Ob der genmodifizierte Maniok den gewünschten Effekt, nämlich eine verstärkte Produktion des Vitamins bei gleichbleibendem Gesamtertrag, erzielt, testeten die Pflanzenwissenschaftler mehrere Jahre im Gewächshaus und in Feldversuchen. «Es war wichtig herauszufinden, ob genmodifizierter Maniok das Merkmal „hohe Vitamin-B6-Produktion“ unter verschiedenen Bedingungen stabil hervorbringt», betont Gruissem.

    Messungen des Vitalstoffgehalts bestätigten, dass beide Pflanzenlinien in Wurzeln und Blättern ein Mehrfaches an Vitamin-B6 bildeten als «normaler» Maniok. Die verstärkte Produktion konnten die Forschenden zudem auf die Aktivität der transferierten Gene zurückführen, unabhängig davon ob die Pflanzen im Gewächshaus oder auf freiem Feld wuchsen. Die verstärkte Vitamin-B6-Produktion blieb auch in Pflanzen in Nachfolgegenerationen, die durch zweimaliges vegetatives Vermehren erzeugt wurden, stabil.

    Zuvor hatten die Forscher mehrere hundert Manioksorten aus Afrika auf ihren natürlichen Vitamin-B-6-Gehalt überprüft. Keine davon wies einen derart hohen Gehalt auf, wie die genmodifizierten Varianten.

    Auch ist das Vitamin B6 aus den genmodifizierten Sorten sogenannt bioverfügbar, das heisst, der Mensch kann es gut aufnehmen und verwerten. Dies überprüfte ein Forschungsteam der Universität Utrecht in Zusammenarbeit mit den Forschenden der ETH Zürich und der Universität Genf.

    Offene Technologie

    «Unsere Arbeit belegt, dass der Ansatz, die Vitamin-B6-Menge in einer wichtigen Nahrungspflanze mit Arabidopsis-Genen gezielt zu erhöhen, auch unter Feldbedingungen stabil ist. Ebenso wichtig aber ist, dass Labors in Entwicklungsländern zu dieser Technologie Zugang haben», fasst Hervé Vanderschuren zusammen. Er leitete das Maniokforschungsprogramm an der ETH Zürich und ist seit kurzem Professor für Pflanzengenetik an der Universität Liège.

    Noch unklar ist, wann und wie die Vitamin-B-6-verstärkte Maniokpflanze den Weg zu den Bauern und Konsumenten findet. So soll das neue Merkmal durch herkömmliche Zucht in die von Bauern bevorzugten Sorten eingekreuzt oder mit gentechnischen Methoden in ausgewählte Varianten eingebracht werden.

    Vanderschuren erhofft sich die Transferleistung von afrikanischen Laboren. Er selbst hat schon früher Wissenschaftler vor Ort ausgebildet und Workshops organisiert, um in den Labors Plattformen für die genetische Veränderung von Nutzpflanzen aufzubauen. «Wir hoffen, dass diese Plattformen dabei helfen, die Technologie unter Bauern und Konsumenten zu verbreiten.» Die nun vorgestellte Methode wurde nicht patentiert. Das Gen-Konstrukt und die Technologie sollen allen Interessierten kosten- und hürdenlos zur Verfügung stehen.

    Vertrieb und Gesetzgebung als Herausforderung

    Hürden bestehen jedoch für den Vertrieb und den Anbau der transgenen Maniokpflanzen: «Die Gesetzgebung für transgene Nutzpflanzen in Entwicklungsländern und die Einführung eines Maniok-Saatgutsystems, auf das alle Bauern zugreifen können, sind nach wie vor grosse Hindernisse, die die Verbreitung der Vitamin-B6-Variante behindern », betont Vanderschuren.

    Er betreut derzeit zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Zollikofen (HAFL) ein Projekt in Indien. Davon erhofft er sich unter anderem Richtlinien für die Entwicklung von nachhaltigen Saatgutsystem für Maniok in Indien. «Von diesem Projekt werden wir auch für die Arbeit in Afrika profitieren können», ist er überzeugt.

    Zurzeit organisieren in Afrika die einzelnen Länderorganisationen sowie die FAO und andere NGOs die Verbreitung von Maniok-Stengelschnittgut für den Anbau. Allerdings sei eine bessere und effizientere Organisation für die Verteilung von gesundem Pflanzmaterial dringend nötig, findet der Forscher.

    Von Gesetzesseite ist der Anbau von gentechnologisch verändertem Maniok (und anderen Nutzpflanzen) noch nicht in allen Ländern geregelt. In mehreren afrikanischen Ländern wie Uganda, Kenia und Nigeria hätten Regierungen nun Gesetze für Feldversuche mit genveränderten Pflanzen erlassen. «Dies ist ein wichtiger Schritt, damit die verbesserten Sorten unter Feldbedingungen getestet werden könnten», sagt Vanderschuren. «Um den Anbau von genveränderten Pflanzen zu erlauben, müssen die jeweiligen Parlamente aber erst noch weitere Gesetze ausarbeiten.»

    Mehr als nur ein Stoff

    Vitamin B6 bezeichnet drei sehr ähnliche Moleküle, nämlich Pyridoxol, Pyridoxal und Pyridoxamin. Diese sind Vorstufen von Pyridoxalphosphat, welches sich als eines der wichtigsten Co-Enzyme des Organismus‘ am Auf- und Umbau von Proteinen beteiligt. Der menschliche Körper kann Vitamin B6 nicht selbst herstellen. Deswegen muss dies über die Nahrung zugeführt werden. Einen hohen Vitamin-B6-Gehalt weisen beispielsweise Sojabohnen, Haferflocken, Rinderleber und Vollkornreis auf. Gute Lieferanten sind auch Avocados, Nüsse oder Kartoffeln. Der tägliche Bedarf eines Erwachsenen liegt bei rund 1,5 bis 2 Milligramm.

    Literaturhinweis
    Kuan-Te Li et al. Increased bioavailable vitamin B6 in field-grown transgenic cassava for dietary sufficiency. Nature Biotechnology, 2015, AOP Day Month, doi:10.1038/nbt.3318

    Vanderschuren, H. Strengthening African R&D through effective transfer of tropical crop biotech to African institutions. Nature Biotechnology (2012), 30(12): 1170-1172.


    Bilder

    Maniok hat charakteristische mehrfingrige Blätter, die als Gemüse gegessen werden können.
    Maniok hat charakteristische mehrfingrige Blätter, die als Gemüse gegessen werden können.
    ETH Zürich / Hervé Vanderschuren
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Maniok hat charakteristische mehrfingrige Blätter, die als Gemüse gegessen werden können.


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