Einige Vogelgruppen sind mental ebenso schlau wie Menschenaffen. Zu dieser Schlussfolgerung kommen Prof. Dr. Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Thomas Bugnyar von der Universität Wien in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift „Trends in Cognitive Sciences“. Die Forscher trugen zahlreiche neuroanatomische Studien zusammen, die eine Reihe von Ähnlichkeiten in den Gehirnen von Vögeln und Säugetieren offenbaren. Diese könnten dem komplexen kognitiven Verhalten zugrunde liegen.
Die Gehirne von Vögeln und Säugetieren sind auf den ersten Blick sehr verschieden. Trotzdem sind die kognitiven Fähigkeiten einiger Vogelgruppen denen von Menschenaffen ebenbürtig.
Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte legen nahe, dass Vögel ausgeklügelte kognitive Fähigkeiten besitzen. Eine Theorie besagt, dass sie diese nur in speziellen Bereichen, zum Beispiel beim Verstecken von Futter, anwenden können. Dass dies nicht der Fall ist, belegen Prof. Dr. Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Thomas Bugnyar von der Universität Wien in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift „Trends in Cognitive Sciences“.
Die beiden Forscher trugen Studien zusammen, die diverse kognitive Fähigkeiten bei Vögeln nachgewiesen haben. „Das mentale Geschick von Rabenvögeln und Papageien ist ebenso ausgeprägt und vielfältig wie das der Menschenaffen“, sagt Onur Güntürkün, Leiter der Abteilung Biopsychologie in Bochum. Sie können unter anderem logisch denken, sich selbst im Spiegel erkennen und sich in andere hineinversetzen.
Komplexe Kognition braucht keinen Kortex
Bei Säugetieren ist die mehrschichtige Großhirnrinde, auch Neocortex genannt, für das kognitive Können verantwortlich. Diese Hirnstruktur besitzen Vögel nicht; bei ihnen meistert stattdessen das sogenannte Pallium die komplexen mentalen Aufgaben. Zudem haben Vögel erheblich kleinere Gehirne als Menschenaffen. „Wie können Vögel trotzdem die gleichen kognitiven Leistungen erbringen?“, fragt Güntürkün. „Ist es möglich, dass sich in den 300 Millionen Jahren unabhängiger Entwicklung von Vögeln und Säugetieren sehr unterschiedliche Hirnmechanismen für komplexe Denkprozesse entwickelt haben?“
Im Hinblick auf diese Frage wertete er gemeinsam mit seinem Kollegen zahlreiche neuroanatomische Studien aus. Fazit: Im Großen und Ganzen sind die Gehirne der beiden Tiergruppen tatsächlich sehr verschieden aufgebaut. Schaut man aber ins Detail, ergeben sich Gemeinsamkeiten. Einzelne Module der Gehirne sind zum Beispiel auf ähnliche Weise verschaltet, und beide Tiergruppen besitzen eine präfrontale Hirnstruktur, die ähnliche exekutive Funktionen steuert.
Ursprung der Gemeinsamkeiten unklar
Unklar ist, wie diese Gemeinsamkeiten zustande kamen. Entweder hat der letzte gemeinsame Vorfahre Vögeln und Säugetieren die neuronale Basis dafür vererbt. Oder – und das halten die Autoren für wahrscheinlicher – sie sind unabhängig voneinander in der Evolution entstanden, weil die beiden Tiergruppen vor den gleichen Herausforderungen standen. Das würde bedeuten, so die Forscher, dass bestimmte Verschaltungsmuster im Gehirn notwendig sind, um höhere Denkleistungen zu erbringen.
„Klar ist, dass der mehrschichtige Kortex der Säugetiere für komplexe Kognition nicht erforderlich ist“, schlussfolgert Güntürkün. „Auch das absolute Hirngewicht spielt für die mentalen Fähigkeiten keine Rolle.“ Während die Gehirne von Menschenaffen durchschnittlich 275 bis 500 Gramm auf die Waage bringen, schaffen es die kognitiv ebenso geschickten Vögel ohne Kortex gerade einmal auf 5 bis 20 Gramm.
Originalveröffentlichung
O. Güntürkün, T. Bugnyar (2016): Cognition without Cortex , Trends in Cognitive Sciences, DOI: 10.1016/j.tics.2016.02.001
Weitere Informationen
Prof. Dr. Onur Güntürkün, Abteilung Biopsychologie, Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Fakultät für Psychologie, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel.: 0234 32 26213, E-Mail: Onur.Guentuerkuen@rub.de
Bild im Netz
Ein Foto zu dieser Presseinformation finden Sie im Internet unter: http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2016/pm00026.html.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).