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18.03.2016 20:00

Bei Tüpfelhyänen sind Nesthocker keine Verlierer!

Karl-Heinz Karisch Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Männchen, die zu Hause bleiben, müssen keine Zweite-Klasse-Männchen sein, sondern können genauso viele Nachkommen zeugen wie ihre abenteuerlustigen, abwandernden Kollegen. Die Ergebnisse einer Langzeitstudie eines Wissenschaftlerteams des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) an Tüpfelhyänen wurden jetzt in dem frei zugänglichen online-Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.

    Bei den meisten Säugetieren gibt es Männchen, die zu Hause bleiben und solche, die abwandern und sich anderswo fortpflanzen. Nesthocker gelten gemeinhin als Verlierertypen, die weniger Nachkommen zeugen, weil sie die zusätzlichen Risiken scheuen, die mit einer Abwanderung üblicher Weise verbunden sind.

    Die aktuelle wissenschaftliche Studie zeigt erstmalig bei einem gruppenlebenden Säugetier, dass daheimgebliebene Männchen und Abwanderer einen ähnlichen Erfolg bei den Weibchen haben. Die Forscher zeigten zudem, dass die Entscheidung, ob Abwandern oder zu Hause bleiben, das Ergebnis eines individuellen Prozesses ist, bei dem alle Männchen die gleiche Frage beantworten: In welcher Gruppe habe ich den größten Fortpflanzungserfolg? Ob ein junges Männchen zu Hause bleibt oder abwandert, hängt in erster Linie davon ab, ob die Geburtsgruppe oder eine andere Gruppe mehr junge Weibchen enthält.

    Die Wissenschaftler untersuchten innerhalb von 20 Jahren die gesamte Tüpfelhyänenpopulation des Ngorongoro-Kraters in Tansania. Sie zeichneten demographische Daten der acht Clans auf und verknüpften diese mit Daten zu Auswanderungsverhalten, Gruppenwahl, Überlebensdauer und Fortpflanzungserfolg von über 250 Hyänenmännchen.

    Welche Gruppe am meisten junge Weibchen enthält, hängt bei natürlichen Populationen von Zufallsereignissen und Umwelteinflüssen ab. Bei einer Population mit mehr als zwei Gruppen enthält die Geburtsgruppe seltener die meisten jungen Weibchen. Wie erwartet, wanderten die meisten Hyänenmännchen des Ngorongoro-Kraters aus ihrer Geburtsgruppe ab. Insgesamt blieben jedoch mehr Männchen zu Hause, als aufgrund der Verteilung der jungen Weibchen zu erwarten war. Dies deutet darauf hin, dass Nesthocker Vorteile genießen.

    Mütter verschaffen Nesthockern Vorteile. Im matriarchalischen System der Tüpfelhyänen beeinflussen Weibchen den Wettbewerb der Männchen. „Mütter unterstützen ihre daheimgebliebenen Söhne und sorgen dafür, dass diese einen hohen sozialen Rang in der Rangfolge der Männchen erlangen. Dadurch haben die Nesthocker privilegierten Zugang zu Ressourcen und Weibchen und können viel Zeit in den Aufbau von Beziehungen zu Weibchen investieren“ erklärt Eve Davidian, Doktorandin am IZW. Das zahlt sich aus, denn Nesthocker zeugen ihre ersten Nachkommen früher als Abwanderer und paaren sich fast ausschließlich mit ranghohen Weibchen. Den Weibchen also, die ihre Jungen besonders erfolgreich aufziehen. Damit wies die Studie zum ersten Mal bei einem gruppenlebenden Säugetier empirisch nach, dass Nesthocker mindestens so erfolgreich sein können wie Aubwanderer.

    Aubwanderung ist ein Schlüsselfaktor ökologischer und evolutionärer Prozesse. Bisher fand die Wissenschaft jedoch keine befriedigende Erklärung dafür, weshalb sich Individuen desselben Geschlechtes einer Art in ihrer Aubwanderungstendenz unterscheiden. Die Ergebnisse dieser Langzeitstudie liefern dazu neue Erkenntnisse und tragen zum Verständnis der Prozesse bei, die zur Koexistenz von Ortstreue und Aubwanderung im gleichen Geschlecht führen.

    Hintergrundinformationen:
    Tüpfelhyänen leben in Gruppen, sind weiblich dominiert und haben sehr komplexe Sozialstrukturen. Aufgrund der speziellen Anatomie ihrer äußeren Geschlechtsorgane haben Tüpfelhyänenweibchen die komplette Kontrolle über die Paarung. Und sie haben klare Vorstellungen davon, welche Männchen die Väter ihrer Jungen werden sollen: jüngere Weibchen bevorzugen Partner, die erst nach ihrer eigenen Geburt geboren oder zum Clan gestoßen sind. Dadurch vermeiden sie Inzucht mit genetischen Verwandten, insbesondere ihrem Vater und den älteren Brüdern. Ältere Weibchen wählen zudem gern Männchen, die schon lange Clanmitglied sind, vorausgesetzt sie erfüllen die erste Regel. Die Wahl der Gruppe und die Chancen, sich fortzupflanzen, hängen stark von diesen Regeln der Damenwahl ab. Für ein fortpflanzungswilliges, junges Männchen sind daher die Chancen, Junge zu zeugen, in demjenigen Clan am größten, der die meisten jungen Weibchen beinhaltet.

    Publikation:
    Davidian E, Courtiol A, Wachter B, Hofer H, Höner OP (2015): Why do some males choose to breed at home when most other males disperse? SCIENCE ADVANCES 2016;2 e1501236.

    Kontakt:
    Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW)
    im Forschungsverbund Berlin e.V.
    Alfred-Kowalke-Str. 17
    10315 Berlin

    Oliver P. Höner (Deutsch und Englisch)
    Tel.: +49 30 5168-516
    hoener@izw-berlin.de

    Eve Davidian (Englisch und Französisch)
    Tel.: +49 30 5168-325
    davidian@izw-berlin.de

    Steven Seet (Presse)
    Tel.: +49 30 5168-125
    seet@izw-berlin.de

    Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung, die anwendungsorientierte und interdisziplinäre Grundlagenforschung in den Bereichen Evolutionsökologie und -genetik, Wildtierkrankheiten, sowie Reproduktionsbiologie und -management bei Zoo- und Wildtieren betreibt. Aufgabe des IZW ist die Erforschung der Vielfalt der Lebensweisen, der Mechanismen evolutionärer Anpassungen und der Anpassungsgrenzen inklusive Krankheiten von Zoo- und Wildtieren in und außerhalb menschlicher Obhut sowie ihrer Wechselbeziehungen mit Mensch und Umwelt. Die gewonnenen Erkenntnisse sind Voraussetzung für einen wissenschaftlich begründeten Artenschutz und für Konzepte der ökologischen Nachhaltigkeit der Nutzung natürlicher Ressourcen. Das IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB), einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. In ihnen arbeiten mehr als 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.


    Weitere Informationen:

    https://www.izw-berlin.de
    http://hyena-project.com


    Bilder

    Tüpfelhyänen leben in Gruppen, sind weiblich dominiert und haben sehr komplexe Sozialstrukturen.
    Tüpfelhyänen leben in Gruppen, sind weiblich dominiert und haben sehr komplexe Sozialstrukturen.
    IZW/Eve Davidian
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Psychologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Tüpfelhyänen leben in Gruppen, sind weiblich dominiert und haben sehr komplexe Sozialstrukturen.


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