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07.07.2016 18:00

Wie Pflanzen auf versalzten Böden wachsen können

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Die zunehmende Versalzung von Böden ist für die Landwirtschaft weltweit ein Problem. Wissenschaftler der Universität Würzburg haben jetzt untersucht, wie Pflanzen die Salzaufnahme regulieren. Ihre Ergebnisse könnten für die Züchtung salzresistenter Arten von Bedeutung sein.

    Das weiß vermutlich jeder noch aus dem Schulunterricht: Salz besteht aus dem Kation Natrium und dem Anion Chlorid. Der Stoff, der in der Küche für die richtige Würze sorgt, bereitet der Landwirtschaft allerdings seit geraumer Zeit große Probleme: In Zeiten des Klimawandels müssen immer mehr landwirtschaftliche Flächen bewässert werden. Das führt zwangsläufig zu einer zunehmenden Versalzung der Böden, also zu einer Anreicherung von Natrium- und Chlorid-Ionen.

    Pflanzen, die auf solchen Böden wachsen, tun sich in der Regel schwer. Der Grund: Höhere Dosen von Chlorid wirken sich toxisch auf ihre Entwicklung aus. Im Gegensatz dazu benötigen sie das Anion Nitrat als wichtigste Stickstoffquelle für den Aufbau von Proteinen und der Vervielfältigung ihres Erbguts, der DNA. Die Würzburger Pflanzenwissenschaftler Dietmar Geiger und Rainer Hedrich haben jetzt untersucht, ob und wie Pflanzen zwischen dem Nährstoff Nitrat und dem Schadstoff Chlorid unterscheiden können. Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellen sie in der aktuellen Ausgabe der hochrangigen Fachzeitschrift Current Biology vor.

    Zwei Kanäle filtern Nitrat und Chlorid

    Langgestreckte Zellen, die den Pflanzenkörper wie ein Röhrensystem durchziehen, leiten Wasser und Nährstoffe von der Wurzel in den Spross. Spezialisierte Zellen im Inneren der Wurzel beladen dieses Leitsystem mit Nährstoffen, die aus dem Boden aufgenommen wurden. In diesen Ladestationen haben die Würzburger Pflanzenforscher zwei Anionenkanäle SLAH1 und SLAH3 entdeckt, die den Durchlass von Nitrat und Chlorid vermitteln.

    In Zusammenarbeit mit der spanischen Arbeitsgruppe um Dr. Colmenero-Flores haben die Wissenschaftler gentechnisch veränderte Pflanzen untersucht, denen SLAH1 oder SLAH3 fehlten. Diese Mutanten hatten nur noch die Hälfte an Chlorid-Ionen im Saft, der im Leitgewebe zum Spross hinaufsteigt. Der Gehalt an Nitrat blieb hingegen unverändert. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass beide Anionenkanäle den Eintritt von Chlorid in den Spross kontrollieren.

    Biophysikalische Studien finden den Chlorid-Schalter

    Um den für Nitrat verantwortlichen Anionenfilter in den Kanälen zu finden, haben die Forscher anschließend die Kanalmoleküle genauer unter die Lupe genommen. Dazu haben sie den Anionenstrom durch SLAH1 und SLAH3 direkt mit biophysikalischen Verfahren gemessen. „Dabei mussten wir feststellen, dass SLAH1 gar keine eigene Anionen-Leitfähigkeit besitzt und SLAH3 maßgeblich Nitrat leitet“, schildert Professor Rainer Hedrich das unerwartete Ergebnis.

    Die Erklärung für diesen merkwürdigen Befund fanden die Wissenschaftler im Zuge weiterer Untersuchungen: „Der vermeidliche Wiederspruch zwischen den Nitrat- und Chlorid-Gehalten in den Versuchspflanzen und Mutanten klärte sich auf, als wir beide Anionenkanäle zusammenbrachten“, so Professor Dietmar Geiger. Dabei zeigt sich: Beide Kanäle bilden einen funktionellen Komplex. „Immer wenn SLAH1 in den Komplex eintritt, schaltet der Anionenfilter in SLAH3 von Nitrat auf Chlorid um und umgekehrt“, so Geiger.

    Wo spielt dieser Schalter eine Rolle? Eine Antwort auf diese Frage konnten die spanischen Kollegen liefern. Um die Identität des Chlorid-Nitrat-Schalters in der Pflanze zu bestimmen, haben sie diesen versalzte Böden vorgespielt. Je höher die Salzbelastung war, die die Wurzeln der Versuchspflanzen verspürten, desto mehr SLAH1 wurde dem Anionen-Kanalkomplex entzogen. Hedrich: „Dabei tritt der Chlorid-leitende Komplex nach und nach in einen Nitrat-leitenden Zustand über“. Die Pflanze schafft es auf diese Weise, die Ernährung mit der lebenswichtigen Stickstoffquelle Nitrat aufrecht zu erhalten, ohne am versalzungsbedingten Anstieg der Chlorid-Konzentration Schaden zu nehmen.

    Ergebnisse in „Current Biology“ publiziert

    Mit ihren Untersuchungen zur Salztoleranz von Pflanzen haben die Würzburger Pflanzenwissenschaftler Dietmar Geiger und Rainer Hedrich mit Fachkollegen aus Sevilla und Riad ein völlig neuartiges Konzept zur Regulation der Anionen-Aufnahme in die Leitgewebe der Wurzel zeigen können. Die Entdeckung des regulatorischen Anionen-Kanals SLAH1 wird ihren Worten nach in Zukunft nicht zuletzt Auswirkungen auf die Optimierung der Salztoleranz von Nutzpflanzen haben.

    Silent S-type anion channel subunit SLAH1 gates SLAH3 open for chloride root-to-shoot translocation, Paloma Cubero-Font, Tobias Maierhofer, Justyna Jaslan, Miguel A. Rosales, Joaquín Espartero, Pablo Díaz-Rueda, Heike M. Müller, Anna-Lena Hürter, Khaled A.S. AL-Rasheid, Irene Marten, Rainer Hedrich, José M. Colmenero-Flores, Dietmar Geiger, Current Biology, online publiziert am 7. Juli 2016, http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.06.045

    Kontakt

    Prof. Dr. Dietmar Geiger, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik)
    T (0931) 31-86105, geiger@botanik.uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Modell der Chloridvermeidung auf versalzten Böden.
    Modell der Chloridvermeidung auf versalzten Böden.
    Grafik: Dietmar Geiger
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Modell der Chloridvermeidung auf versalzten Böden.


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