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11.07.2016 16:47

Finde den Fehler - Wie das Gehirn Vorhersagen prüft

Sarah Schüler Wissenschaftsorganisation & Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Neurobiologie

    Damit wir uns in unserer Umwelt zurechtfinden, muss unser Gehirn jeden Tag Höchstleistungen vollbringen. Dabei greift es auf frühere Erfahrungen mit der Umwelt zurück. Hören wir ein Orchester regelmäßige Tonfolgen spielen, fällt uns sofort auf, wenn plötzlich ein anderer Ton gespielt wird. Wir entwickeln eine bestimmte Erwartung – und unser Gehirn überprüft, ob die Vorhersage zutrifft. Wie aber vollbringt das Gehirn diese Leistung? Stefan Dürschmid vom Leibniz‐Institut für Neurobiologie (LIN) und seine Kollegen von der University of California in Berkeley und der Hebrew University in Jerusalem haben erforscht, welche wichtige Rolle der Kortex als Teil des Gehirns bei dieser Aufgabe spielt.

    San Francisco, University of California: Fünf Patienten werden hier Elektroden implantiert und später an der Untersuchung teilnehmen. Sie liegen im Bett und sollen sich auf einen Bildschirm vor ihnen konzentrieren, auf dem eine Diashow läuft. Den Wissenschaftlern geht es jedoch nicht um die Bilder, sondern um die Tonfolgen, die die Teilnehmer zeitgleich vorgespielt bekommen. Tonfolgen mit regelmäßigen, also vorhersagbaren Abweichungen, und Tonfolgen, deren Abweichungen ihr Gehirn nicht vorhersagen kann, weil sie keinem Rhythmus folgen. Über die Elektroden direkt auf der Oberfläche des Gehirns können die Aktivitäten der Hirnregionen genau aufgezeichnet werden. Stefan Dürschmid aus der Abteilung Verhaltensneurologie am LIN und sein Team werteten diese Aufzeichnungen aus, um aufzuklären, wie Bereiche der Großhirnrinde zwischen vorhersagbaren und nicht vorhersagbaren Abweichungen unterscheiden können.

    Die Großhirnrinde wird auch Kortex genannt. Stammesgeschichtlich gesehen handelt es sich um einen sehr jungen Teil des Gehirns, der für die höheren kognitiven Leistungen des Menschen verantwortlich ist. Anatomisch besteht der Kortex aus verschiedenen Arealen, zu denen auch der temporale und der frontale Kortex zählen. „Es gibt indirekte Annahmen, dass der Frontalkortex eine wichtige Rolle bei der Interpretation von unvorhersagbaren Ereignissen spielt“, erklärt Dürschmid. Doch wie genau können wir uns das vorstellen?

    Die in den Neurowissenschaften herkömmliche verwendete Methode, die EEG‐Messung, ist für diese präzise Untersuchung nur bedingt geeignet. Der Grund: Sie lässt die nötige zeitliche und räumliche Auflösung der Messwerte nicht zu. Mit Hilfe der Elektrokortikographie können Dürschmid und sein Team die gesendeten Signale direkt von der Hirnoberfläche ablesen und wissen somit genau, wo sie generiert werden. „Man kann damit die Aktivierung des Kortex viel genauer bestimmen, weil die Daten nicht durch die Filterwirkung des Schädels verfälscht werden“, schildert Dürschmid.

    „Der temporale Kortex reagiert auf jede kurzzeitige Veränderung, egal ob sie vorhersagbar ist oder nicht. Der Frontalcortex aber reagiert nur auf Unvorhersagbares. Daraus kann man schließen, dass dieser eine Vorhersage trifft und Erwartung und Ergebnis miteinander abgleicht“. Als Dürschmid und sein Team die Aktivität im Kopf der Versuchsteilnehmer beobachten, die über unterschiedlich hohe Frequenzen sichtbar werden, können sie feststellen, dass nicht die niedrigen Frequenzen eine Entscheidung zwischen vorhersagbaren und unvorhersagbaren Ereignissen treffen, sondern die sehr hohen Frequenzen.

    Daraus ergibt sich für die Wissenschaftler eine neuronale Hierarchie der Vorhersagen, die das Gehirn für uns tagtäglich trifft, ohne dass wir uns ihrer immer bewusst sind. Da die Fähigkeit, Signale aus der Umwelt richtig einzuordnen und nicht vorhersagbare Ereignisse zu bewerten, bei Patienten mit Schizophrenie eingeschränkt ist, könnten die Ergebnisse der Studie eventuell dazu beitragen, die gestörte Wahrnehmung und Interpretation bei diesem Krankheitsbild besser zu verstehen.


    Weitere Informationen:

    http://www.pnas.org/content/113/24/6755.full Hier finden Sie die Ergebnisse der Studie.


    Bilder

    Beim Musikhören merken wir, sobald eine regelmäßige Tonfolge unterbrochen wird.
    Beim Musikhören merken wir, sobald eine regelmäßige Tonfolge unterbrochen wird.
    Grafik: LIN/Robert Klank.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Beim Musikhören merken wir, sobald eine regelmäßige Tonfolge unterbrochen wird.


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