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12.12.2016 14:00

Intensivierte Landwirtschaft führt überall zu gleichen Arten

Gabriele Rutzen Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Wo Menschen Grünlandflächen intensiver bewirtschaften, nimmt nicht nur die Artenvielfalt ab. Auch die Landschaft wird eintöniger und schließlich bleiben überall die gleichen Arten übrig. Die Folge: Die Natur kann die Bodenbildung für die Nahrungsproduktion oder die Schädlingsbekämpfung nicht mehr erbringen. In einem Verbund von über 300 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wurde nun erstmals untersucht, welche Konsequenzen intensivere Landnutzung über viele Artengruppen hinweg auf Landschaftsebene hat.

    Intensivierte Landwirtschaft führt überall zu gleichen Arten
    Studie in „Nature“ belegt die Vereinheitlichung der Artengemeinschaften in unserer Landschaft

    Wo Menschen Grünlandflächen intensiver bewirtschaften, nimmt nicht nur die Artenvielfalt ab. Auch die Landschaft wird eintöniger und schließlich bleiben überall die gleichen Arten übrig. Die Folge: Die Natur kann die Bodenbildung für die Nahrungsproduktion oder die Schädlingsbekämpfung nicht mehr erbringen. In einem Verbund von über 300 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wurde nun erstmals untersucht, welche Konsequenzen intensivere Landnutzung über viele Artengruppen hinweg auf Landschaftsebene hat. Sie erhoben seit 2008 Daten von 150 Grünlandflächen. Dabei wurden 4000 Arten in verschiedenen Gebieten Deutschlands mit unterschiedlichem Klima, Geologie und Topologie untersucht. Alle Flächen wurden in einer für Europa typischen Weise vom Menschen bewirtschaftet.
    Im Ergebnis war es egal, ob Grünlandflächen moderat oder intensiv vom Menschen bewirtschaftet wurden. Auch bei einer moderaten Bewirtschaftung von Grünland reduzieren sich die Artengemeinschaften überregional auf die gleichen, wenig anspruchsvollen Alleskönner unter den Arten.
    Die Kölner Ökologen Dr. Frank Nitsche, Professor Dr. Hartmut Arndt vom Institut für Zoologie sowie der DAAD-Promotionsstudent aus Südafrika, Paul Venter, waren für die Analyse von Einzellern im Boden verantwortlich. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

    In bisherigen Studien wurden lediglich einzelne Artengruppen innerhalb eines Lebensraumes und dies nur auf einer bestimmten Fläche untersucht. Ziel der Studie war es deshalb zu bestimmen, ob lokale Artenverluste nicht einen viel größeren Effekt haben, wenn dies auf einer größeren räumlichen Skala untersucht und für die gesamte Vielfalt des Lebens – von Einzellern bis zu Wirbeltieren – betrachtet wird. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Artenangleichung nicht parallel zur Nutzungsintensivierung voranschreitet, sondern schon bei einer mäßigen Bewirtschaftung von Grünland sich die Artengemeinschaften überregional auf die gleichen, wenig anspruchsvollen Generalisten reduzieren. Eine weitere Nutzungsintensivierung hat keinen vergleichbar großen Effekt mehr. Neu ist die Erkenntnis, dass die Artengleichschaltung über Landschaften hinweg eintritt und somit den Artenreichtum auf regionaler und nationaler Ebene reduziert, was die vermutlich bedeutendere Konsequenz der Nutzungsintensivierung ist als der lokale Artenverlust für sich alleine betrachtet.

    Einzigartig war, dass Daten von Organismen im Boden wie von Bakterien, Pilzen und Tausendfüßlern einbezogen wurden bis hin zu Schmetterlingen, Vögeln und Fledermäusen. Für die Analyse der kleinsten „Tiere“, den Protozoen (Einzeller), zeichneten die Kölner Ökologen verantwortlich. Protozoen des Bodens haben eine enorm wichtige Funktion für die Kontrolle des bakteriellen Abbaus von organischen Substanzen und für die Nährstoffremineralisierung im Boden. Bisher war allerdings über die Artenvielfalt dieser sehr kleinen Organismen nur sehr wenig bekannt.

    Die Kölner Ökologen konnten am Institut für Zoologie der Universität zu Köln mit Hilfe von Hochdurchsatzverfahren der molekularen Biologie zeigen, dass auch bei den Einzellern die Diversität um ein Vielfaches höher ist als ursprünglich vermutet und damit auch der Beitrag dieser Organismen zur Stabilität von Grünlandökosystemen. Zu den von Kölner Zoologen untersuchten Protozoen gehören Geißeltierchen, Wimpertierchen und Pflanzen- und Tierparasiten im Größenbereich von 2-50 tausendstel Millimetern.
    Die 150 Versuchsflächen, deren Daten in die Studie einflossen, umfassen das UNESCO Biosphären-Reservat Schwäbische Alb, den Nationalpark Hainich und dessen Umgebung sowie das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Mehr als 4000 Arten wurden mit einem neuartigen statistischen Verfahren analysiert. Mit der neuen Methode können nicht-lineare Auswirkungen auf die Unterschiedlichkeit der Artengemeinschaften zwischen Grünlandflächen entlang eines kontinuierlichen Nutzungsgradienten (Grasschnitt, Düngung und Beweidung) verfolgt werden.

    „Extensiv bewirtschaftete Grünlandflächen sind zum Schutz der Artenvielfalt unerlässlich, weil mit dem Rückgang der Artenvielfalt auch die Interaktionen zwischen einzelnen Arten zurückgehen“, erklärt Professor Hartmut Arndt: „Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihren Konsumenten werden durch eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung schwächer, was am Ende die Abläufe im Ökosystem verschiebt und verändert. Nur wenn möglichst viele Arten über größere Flächen hinweg den für sie speziell notwendigen Lebensraum finden, können sogenannte Ökosystemdienstleistungen noch intakt bleiben, die dem Wohl des Menschen zugutekommen.“ Die "Dienstleistungen der Natur" hülfen beispielsweise dabei, die Lebensmittelproduktion zu erhöhen, indem die Bodenbildung verbessert wird, aber auch Schädlinge in Schach zu halten, so der Wissenschaftler.

    Publikationen: Martin M. Gossner et al.: Land-use intensification causes multitrophic homogenization of grassland communities, Nature 2016. DOI: doi:10.1038/nature20575

    Santiago Soliveres et al.: Biodiversity at multiple trophic levels is needed for ecosystem multifunctionality. Nature 2016. doi:10.1038/nature19092

    Bei Rückfragen: Prof. Dr. Hartmut Arndt
    Institut für Zoologie der Universität zu Köln,
    Abt. Allgemeine Ökologie,
    Tel.: 0221 470-3100 oder – 5666
    Hartmut.Arndt@uni-koeln.de

    Dr. Martin M. Gossner
    Technische Universität München, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie
    Tel: 0049/8161/ 71 - 3713
    martin.gossner@tum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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