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23.03.2017 15:26

So hält sich der Gepard fit und gesund

Steven Seet Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Geparde sind als bedrohte Art eingestuft – unter anderem, weil sie bisher als krankheitsanfällig galten, da ihnen eine schwache Immunabwehr bescheinigt wurde. Tatsächlich sind Geparde in freier Wildbahn jedoch so gut wie nie krank. Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin entdeckte nun, dass Geparde eine besonders effiziente angeborene Erstabwehr-Immunität entwickelt haben, mit denen sie mögliche Unzulänglichkeiten in anderen Bereichen der Immunantwort ausgleichen können. Die WissenschaftlerInnen veröffentlichten ihre Ergebnisse in der frei zugänglichen Fachzeitschrift „Scientific Reports“ der Nature Publishing Group.

    Geparde besitzen eine geringe genetische Variabilität, daher weisen die Individuen innerhalb einer Population eine ähnliche genetische Ausstattung auf. Das trifft auch auf den Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) zu, ein Bereich des Erbgutes, der das sogenannte „adaptive“ Immunsystem reguliert und im Tierreich typischerweise sehr variabel ist. Das adaptive Immunsystem stellt eine spezifische Abwehr gegen Krankheitserreger bereit, falls ihnen der Körper bereits einmal ausgesetzt war. Eine geringe MHC-Variabilität sollte demnach zu einer schwachen adaptiven Immunantwort führen und sich somit in einer hohen Anfälligkeit gegenüber Krankheiten äußern. Das trifft auch oft für Tierarten mit geringer MHC-Variabilität zu. Geparde sind tatsächlich davon eine Ausnahme. „Während unserer seit 2002 andauernden Langzeitstudie in Namibia untersuchten wir über 300 frei lebende Geparde, die auf Weideflächen-Farmland leben. Dabei zeigte kein einziger Gepard Symptome, die auf eine akute Infektion hindeuteten, und auch keines der von uns untersuchten toten Tiere wies Krankheitsveränderungen auf“, erklärt Bettina Wachter, Leiterin des Geparden-Forschungsprojektes.
    Warum können Geparde trotz ihrer vermutlich schwachen adaptiven Immunantwort so gut mit Krankheitserregern fertig werden? Das Immunsystem wird in drei Komponenten eingeteilt: (1) das grundlegende „angeborene“ Immunsystem, das die erste rasche Abwehr gegen Eindringlinge bereitstellt, (2) das induzierte angeborene Immunsystem, das zum Beispiel eine lokale und systemische Entzündung hemmt und die Genesung beschleunigt sowie das Erregerwachstum verlangsamt, und (3) das adaptive Immunsystem.
    „Wir entschieden uns, alle drei Komponenten gleichzeitig zu untersuchen, eine Vorgehensweise, die nur selten durchgeführt wird, obwohl sie sehr vielversprechend ist. Ein gut funktionierendes Immunsystem ist für jedes Tier aufwendig. Das setzt aber nicht voraus, dass alle Immunkomponenten gleich stark ausgebildet sein müssen. Wenn eine Art nicht krankheitsanfällig ist, muss sich im Laufe der Zeit eine gute Immunabwehr durch Stärkung anderer Immunkomponenten entwickelt haben“, sagt Gábor Czirják, Wildtier-Immunologe am Leibniz-IZW.
    Um die Ergebnisse mit einer anderen Art zu vergleichen, bezogen die WissenschaftlerInnen Leoparden in die Untersuchung ein. „Leoparden leben in Namibia im gleichen Gelände wie Geparde, sind aber mit einer hohen Variabilität im MHC ausgestattet. Sie sollten daher ein starkes adaptives Immunsystem aufweisen und weniger Aufwand bei den anderen Immunkomponenten betreiben“, erklärt Wachter.
    „Zuerst mussten wir sechs Immuntests aus der Wildtierimmunologie an Geparde und Leoparden anpassen“, erklärt Sonja Heinrich, Erstautorin der Studie. „Da wir die Tests im Labor des Leibniz-IZWs durchführen, mussten wir die in Namibia gesammelten Proben nach Deutschland transportieren und dabei eine ununterbrochene Kühlkette vom Tier im Feld bis zum Leibniz-IZW sicherstellen.“ Die Immuntests bestätigten, dass Leoparden ein stärkeres adaptives Immunsystem als Geparde besitzen. Das Ergebnis passt zu den Unterschieden in der MHC-Variabilität der beiden Arten. Wie erwartet, wiesen Geparde im Vergleich zu Leoparden ein stärkeres angeborenes Immunsystem für die Erstabwehr auf. Das deutet darauf hin, dass Geparde damit ihr schwächeres adaptives Immunsystem kompensieren.
    Das induzierte angeborene Immunsystem reagiert sowohl auf eindringende Krankheitserreger als auch auf kurzzeitigen Stress. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmten daher die Konzentration des Hormons Cortisol, das abbauende (katabole) Stoffwechselvorgänge aktiviert und bei Stress vermehrt freigesetzt wird. Obwohl beide Tierarten den gleichen Untersuchungsmethoden ausgesetzt waren, wiesen Leoparden signifikant höhere Cortisolkonzentrationen im Blut als Geparde auf. Dies deutet darauf hin, dass Leoparden stärker auf die Untersuchungsmethoden reagierten. Kurzzeitiger Stress könnte also das induzierte angeborene Immunsystem stimuliert haben, was die Beurteilung erschwert, ob diese Immunkomponente mithilft, das schwache adaptive Immunsystem der Geparde auszugleichen, wenn der Stresseffekt nicht berücksichtigt wird. Das ist die erste Studie bei Säugetieren, die zeigt, dass verschiedene Arten unterschiedlichen Aufwand bei der Entwicklung der verschiedenen Komponenten des Immunsystems betreiben. Geparde haben offensichtlich eine Strategie entwickelt, bei der sie trotz ihrer geringen genetischen Variabilität beim MHC erfolgreich im Kampf gegen Krankheitserreger sind. Die Zukunft dieser gefährdeten Tierart ist allerdings ungewiss, da sich der Großteil ihres Lebensraumes in nicht geschützten Gebieten befindet und sie immer wieder in Konflikte mit Menschen geraten. Nur wenn diese Konflikte entschärft werden, können Geparde auch in Zukunft in freier Wildbahn überleben.
    Publikation:
    Heinrich SK, Hofer H, Courtiol A, Melzheimer J, Dehnhard M, Czirják GÁ, Wachter B (2017): Cheetahs have a stronger constitutive innate immunity than leopards. Scientific Reports 7. www.nature.com/articles/srep44837.

    Foto:
    Sonja Heinrich bei der Blutabnahme für die Immuntests und Jörg Melzheimer bei der Besenderung eines narkotisierten Geparden in Namibia.
    Bildautorin: Bettina Wachter/Leibniz-IZW

    Kontakt:

    Leibniz-Institut für Zoo- Und Wildtierforschung (IZW)
    im Forschungsverbund Berlin e.V.

    Dr. Bettina Wachter
    wachter @izw-berlin.de
    Tel.: + 49 - 30 - 51 68 - 518

    Steven Seet
    seet@izw-berlin.de
    Stabsstelle Presse & Kommunikation
    Tel.: + 49 - 30 - 51 68 - 125


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/articles/srep44837


    Bilder

    Sonja Heinrich bei der Blutabnahme für die Immuntests und Jörg Melzheimer bei der Besenderung eines narkotisierten Geparden in Namibia.
    Sonja Heinrich bei der Blutabnahme für die Immuntests und Jörg Melzheimer bei der Besenderung eines ...
    Bettina Wachter/Leibniz-IZW
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Sonja Heinrich bei der Blutabnahme für die Immuntests und Jörg Melzheimer bei der Besenderung eines narkotisierten Geparden in Namibia.


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