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17.08.2017 15:40

Sauberere Diesel in Sicht

Rainer Klose Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Am 1. September 2017 treten in der EU sowie in der Schweiz neue Abgasvorschriften für Personenwagen in Kraft. Diese schliessen Lücken in der bisherigen Abgasgesetzgebung und werden dafür sorgen, dass insbesondere Dieselfahrzeuge merklich sauberer werden, vor allem, was deren Stickoxidausstoss angeht – sie erlauben allerdings auch, bisherige Fahrzeuge noch eine Zeit lang weiter zu verkaufen. Die Empa empfiehlt, Diesel-Personenwagen nur dann zu kaufen, wenn sie nach Euro 6d-TEMP oder Euro 6d zugelassen sind.

    Ende 2016 waren in der Schweiz rund 3.1 Millionen Personenwagen mit Benzin- und 1.3 Millionen mit Dieselmotor zugelassen. Trotz eines Anteils von «nur» 40% an der gesamten Schweizer Personenwagenflotte verursachen Dieselfahrzeuge allerdings 80% der Stickoxid-Emissionen (NOx). Es waren denn auch diese NOx-Emissionen, die den jüngsten «Dieselskandal» ins Rollen brachten und deren Verminderung seither im Zentrum der Debatte steht.

    Veraltete Messverfahren als Ursache für realitätsferne Emissionswerte

    Das aktuelle Abgasmessverfahren für die Typenprüfung von Personenwagen stammt aus den 1970er-Jahren und wurde in den 1990er-Jahren angepasst. Es ist also hochgradig veraltet und berücksichtigt beispielsweise kaum elektronische Regelungssysteme, die die Abgastricksereien überhaupt erst ermöglicht haben. Zwischen 2009 und 2011 wurden deshalb unter dem Dach der Europäischen Wirtschaftskommission der UNO verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, um ein neues Abgasmessverfahren namens «world-wide light duty vehicle test procedure» (WLTP) zu entwickeln. Daran haben unter anderem Experten des Schweizer Bundesamts für Umwelt (BAFU), des Bundesamts für Strassen (ASTRA), der Berner Fachhochschule sowie der Empa mitgearbeitet.

    Die neuen Vorschriften für Personenwagen treten nun per 1. September 2017 in Kraft und beinhalten im Wesentlichen drei Änderungen: Erstens wird das veraltete Messverfahren ersetzt; zweitens müssen die Abgasemissionen zusätzlich beim Fahren auf der Strasse ermittelt werden, und drittens müssen die Hersteller die Funktionen der Motorsteuerung offenlegen, die mit der Abgasreinigung zusammenhängen.

    Der anspruchsvollste Teil der neuen Abgasgesetzgebung ist die Strassenmessung, die eine mindestens 90-minütige Fahrt mit vorgegebenen Anteilen an Stadt-, Ausserorts- und Autobahnfahrten umfasst. Dazu wird am Fahrzeug ein mobiles Abgasmessgerät installiert.
    Wie üblich erfolgt die Einführung neuer Abgasvorschriften für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge gestaffelt; Fahrzeuge, die bereits über eine Typengenehmigung verfügen, dürfen in der Regel noch ein Jahr über das Einführungsdatum der neuen Abgasstufe hinaus zugelassen werden. Konkret bedeutet dies: Personenwagen, die nach der bisherigen Abgasnorm Euro 6b typengenehmigt wurden, können noch bis Ende August 2018 zugelassen werden. Dieselfahrzeuge, die nach dieser Stufe typengenehmigt wurden, weisen auf der Strasse in der Regel sehr viel höhere NOx-Emissionen auf als im Labor. Deshalb empfiehlt die Empa, solche Fahrzeuge nicht mehr zu kaufen.

    Die neuen Abgasvorschriften werden in drei Stufen eingeführt. Die erste Stufe der neuen Abgasvorschriften, Euro 6c, beinhaltet für die Strassenmessung noch keine Grenzwerte. Aufgrund der neuen Regelungen zur Offenlegung der Funktionen zur Abgasreinigung in der Motorsteuerung dürften die NOx-Emissionen gegenüber den bisherigen Euro 6b-Fahrzeugen trotzdem deutlich sinken. Diese Euro 6c-Personenwagen dürfen bis Ende August 2019 zugelassen werden und stellen eine Zwischenstufe zum sauberen Diesel dar.

    Empa-Empfehlung: für Benziner mindestens Euro 6c, für Diesel mindestens Euro 6d-TEMP

    Aber auch Benziner werden von den neuen Vorschriften «bedacht»: Für Benzinfahrzeuge mit Direkteinspritzung gilt ab der Stufe Euro 6c der gleiche Partikelanzahl-Grenzwert wie bei Dieselfahrzeugen, weshalb die meisten Benziner künftig kaum mehr ohne Partikelfilter auskommen werden. Lediglich Erdgasfahrzeuge erfüllen die neuen Abgasvorschriften ohne zusätzliche technische Massnahmen.

    Die Abgasnorm Euro 6d schliesslich wird in zwei Stufen eingeführt: Die erste, mit Euro 6d-TEMP bezeichnete Stufe gilt von September 2019 bis Ende 2020. Sie beinhaltet erstmals sowohl NOx- als auch Partikelanzahl-Grenzwerte für die Strassenmessung – die aber noch bis zu 2.1-mal höher liegen dürfen als die entsprechenden Laborgrenzwerte. Bei der zweiten Stufe, der Abgasnorm Euro 6d, sinkt dann der Faktor für die Abweichung zwischen Strassen- und Laborgrenzwerte auf 1.5. Die Empa empfiehlt aus lufthygienischen Gründen, Dieselfahrzeuge nur nach Abgasnorm Euro 6d-TEMP oder Euro 6d zu kaufen.

    Die neue Abgasgesetzgebung schliesst zudem verschiedene Schlupflöcher: Bisher konnten Fahrzeuge im Labortest mit teilweise wesentlich geringerem Gewicht geprüft werden, als sie in der Praxis auf unseren Strassen umherfahren. Mit den neuen Vorschriften muss sowohl die leichteste wie auch die schwerste Version des Fahrzeugs geprüft werden. Bisher mussten Fahrzeughersteller keinerlei Details über die Steuerung ihrer Abgasreinigung angeben und konnten die Abgasreinigung ausserhalb des Labors einschränken. Mit den neuen Bestimmungen zur Offenlegung der Funktionen zur Abgasreinigung in der Motorsteuerung ist dies nicht mehr möglich. Die wichtigste Neuerung ist jedoch die Einführung realitätsnaher Strassenmessungen. Damit wird sichergestellt, dass sich die Diskrepanz zwischen Labormesswerten und realen Emissionen wesentlich verringert.

    Informationen

    Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme, Tel. +41 58 765 41 37, christian.bach@empa.ch
    Dr. Patrik Soltic, Leiter Antriebssysteme, Tel. +41 58 765 42 64, patrik.soltic@empa.ch
    Dr. Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler, Leiter Abgasnachbehandlungssysteme, Tel. +41 58 765 43 37, panayotis.dimopoulos@empa.ch
    Thomas Bütler, Leiter Fahrzeugsysteme, Tel. +41 58 765 48 69, thomas.buetler@empa.ch

    Redaktion / Medienkontakt
    Rainer Klose, Kommunikation, Tel. +41 58 765 47 33, redaktion@empa.ch

    Links:
    Tabelle: Abgasnorm Euro 1 bis Euro 6 https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasnorm#Pkw_mit_Dieselmotor

    Hintergrund-Informationen zu Dieselfahrzeugen in der Schweiz
    Vor dem Jahr 2000 lagen die Dieselanteile bei den Neuzulassungen noch unter 5%. Nach 2000 schnellte dieser Wert auf über 20%, nach 2010 gar auf 40% hoch. Dieser Trend hängt einerseits mit der Einführung der so genannten Common-Rail-Dieseleinspritztechnologie und weiterentwickelter Turbosysteme zusammen, die die zuvor eher schwerfälligen Diesel wesentlich agiler machten. Andererseits ist der Anstieg der Dieselfahrzeuge auch auf die starke Zunahme der «Sport Utility Vehicles» (SUV) ab 2010 zurückzuführen; zu diesen «Offroadern» passen drehmomentstarke Dieselmotoren besser als drehzahlfreudige Benziner.

    Für Dieselfahrzeuge sind nach der flächendeckenden Einführung von Partikelfiltern ab 2001 zurzeit vor allem die NOx-Emissionen relevant. Diese entstehen aufgrund hoher Temperaturen und Drücken im Brennraum. Bei Benzinmotoren lassen sich diese mit Abgaskatalysatoren allerdings wieder weitgehend eliminieren, beim Dieselmotor wegen des Luftüberschusses im Abgas dagegen nicht. Aus diesem Grund konzentrierte sich die Abgasminderung beim Dieselmotor lange auf innermotorische Massnahmen, die aber oftmals einen Mehrverbrauch mit sich bringen.

    Seit einiger Zeit sind ausserdem NOx-Speicherkatalysatoren und SCR-Katalysatoren («selective catalytic reduction») im Einsatz. Speicherkatalysatoren führen aber ebenfalls zu einem Mehrverbrauch an Diesel, SCR-Katalysatoren benötigen einen Zusatztank für «AdBlue», eine wässrige Harnstofflösung, die das giftige NOx – bei richtiger Anwendung und Dosierung – in harmlosen Stickstoff (N2) umwandelt. Diese Massnahmen wurden von vielen Herstellern häufig nur soweit eingesetzt, wie es für die Erlangung der Typengenehmigung erforderlich war, was mit der Einhaltung der Laborgrenzwerte der Fall war.


    Weitere Informationen:

    https://www.empa.ch/web/s604/abgasvorschriften


    Bilder

    Ein Audi A3 mit dem Messrucksack für RDE-Messungen (Real Driving Emissions). Diese Emissionsmessung im realen Strassenverkehr ist für die Zulassung neuer Fahrzeugtypen ab 1. September 2017 Pflicht.
    Ein Audi A3 mit dem Messrucksack für RDE-Messungen (Real Driving Emissions). Diese Emissionsmessung ...
    Empa
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Maschinenbau, Politik, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Ein Audi A3 mit dem Messrucksack für RDE-Messungen (Real Driving Emissions). Diese Emissionsmessung im realen Strassenverkehr ist für die Zulassung neuer Fahrzeugtypen ab 1. September 2017 Pflicht.


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