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20.10.2017 09:47

An der Wurzel des Amazonas: Bodentiefe bestimmt Vegetationstyp

Sabine Wendler Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Frankfurt am Main, den 20. Oktober 2017. Die Grenze zwischen den südamerikanischen Regenwäldern und den anschließenden Savannen verläuft auch unterirdisch. Das haben Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität anhand von Computermodellen herausgefunden. Die Tiefe, bis zu der Pflanzen wurzeln können, hat demnach einen entscheidenden Einfluss auf die oberirdische Vegetation. Flache Wurzeltiefen begünstigen die Enstehung von Savannen, so das Team im Fachmagazin „Journal of Biogeography“. Bislang war man davon ausgegangen, dass hauptsächlich Feuer und Niederschlag die Grenze zwischen Regenwald und Savanne beeinflussen.

    Es gibt Beobachtungen, wo verschiedene Ökosysteme mit ihrer typischen Vegetation auf der Erde auftreten, und Modelle, die dies nachbilden – und manchmal stimmt beides einfach nicht überein. „Wir haben uns angeschaut, wo die Grenze zwischen dem üppig grünen Regenwald am Amazonas und der sich südöstlich anschließenden Savanne mit eher vereinzelt stehenden Bäumen, den brasilianischen Cerrados, verläuft. Die am Computer simulierte Vegetation passte nicht zu Satellitenaufnahmen des Gebietes“, beschreibt Liam Langan, Senckenberg Biodiversität und Klima Zentrum, die Initialzündung seiner neuen Studie.

    Offenbar ist das Problem buchstäblich im Boden verwurzelt. „Die Forschung zeigt, dass Feuer und Niederschlag bestimmen, wo großräumige Landschaften mit charakteristischer Vegetation wie der Regenwald aufhören und andere wie die Savanne anfangen. Bisherige Vegetationsmodelle berücksichtigen also diese Einflussgrößen”, so Langan. Obwohl bekannt war, dass Bodentiefe eine Rolle spielt, wurde sie gewöhnlich in Vegetationsmodellen vernachlässigt. Diese basieren stattdessen auf der Annahme, dass die durchwurzelbare Bodentiefe global bei zwei bis drei Metern liegt.

    Langan und sein Team haben herausgefunden, dass es aber von mehreren miteinander verknüpften Faktoren abhängt, welche Vegetation in der Amazonas-Cerrado-Region vorkommt: Feuer, Niederschlag und eben die durchwurzelbare Bodentiefe. Wo jährlich über 2.500 mm Niederschlag fallen, hat die Bodentiefe kaum Einfluss auf die oberirdische Vegetion. Hier herrscht dann Regenwald vor. Interessant wird es, wo es jährlich weniger als 2.500 mm regnet. Dort sind theoretisch Regenwald und Savannenvegetation möglich.

    „Wenn die Pflanzen ein größeres Bodenvolumen haben, in dem sie wurzeln können, fördert das die Entstehung von Regenwald. Im Gegenzug begünstigen flachere Böden, weniger Niederschlag und das Auftreten von Feuer Vegetationstypen mit weniger Bäumen und kontinuierlicher Grasschicht. Im Grunde geht es um das verfügbare Wasser: Mit Zugang zu tieferen Bodenschichten können Bäume generell mehr Wasser aufnehmen. Das begünstigt die immergrüne Vegetation des Regenwaldes“, erklärt der Leiter der Arbeitsgruppe, Dr. Simon Scheiter, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Er ergänzt: „Die Wechselwirkungen zwischen den drei Faktoren bestimmen zudem, welche einzelnen Pflanzen lokal wachsen und wie vielfältig die Pflanzengemeinschaft jeweils ist.“

    Mit den neuen Erkenntnissen wollen die Wissenschaftler die Vegetationsmodelle weiter verbessern. So lässt sich auch genauer abschätzen, wie sich die Vegetation künftig verändern könnte. Langan dazu: „Die von uns modellierte Fläche ist etwa so groß wie Europa. Der Amazonas-Regenwald ist zudem besonders artenreich und einer der größten Kohlenstoffspeicher der Welt. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, wie sich die Vegetation angesichts des Klimawandels entwickeln wird. Modelle, die berücksichtigen, wie sich die Wurzeltiefe auf die Vegetation auswirkt, helfen uns, dieses Wissen zu vertiefen.“

    Kontakt

    Liam Langan
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
    Tel +49 (0)69 7542 1864
    Liam.langan@senckenberg.de

    Dr. Simon Scheiter
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum &
    Goethe-Universität
    Tel+49 (0)69 97075 1617
    simon.scheiter@senckenberg.de

    Sabine Wendler
    Pressestelle
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
    Tel +49 (0)69 7542 1818
    pressestelle@senckenberg.de

    Studie

    Langan, L., Higgins, S. I. and Scheiter, S. (2017): Climate-biomes, pedo-biomes or pyro-biomes: which world view explains the tropical forest–savanna boundary in South America?. Journal of Biogeography. doi:10.1111/jbi.13018

    Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Ausstellungen und Museen sind die Schaufenster der Naturforschung, durch die Senckenberg aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit den Menschen teilt und Einblicke in vergangene und gegenwärtige Veränderungen der Natur vermittelt. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie weiteren Sponsoren und Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

    200 Jahre Senckenberg! 2017 ist Jubiläumsjahr bei Senckenberg – die 1817 gegründete Gesellschaft forscht seit 200 Jahren mit Neugier, Leidenschaft und Engagement für die Natur. Seine 200-jährige Erfolgsgeschichte feiert Senckenberg mit einem bunten Programm, das aus vielen Veranstaltungen, eigens erstellten Ausstellungen und einem großen Museumsfest im Herbst besteht. Natürlich werden auch die aktuelle Forschung und zukünftige Projekte präsentiert. Mehr Infos unter: www.200jahresenckenberg.de.


    Bilder

    Karte des Studiengebietes und dort vorhandener Produktivität der Vegetation, erstellt auf Grundlage von Satellitenaufnahmen. Regenwald (dunkelgrün), südöstlich anschliessende Savanne (hellgrün)
    Karte des Studiengebietes und dort vorhandener Produktivität der Vegetation, erstellt auf Grundlage ...
    Copyright: NASA Earth Observatory / Robert Simmon
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    Brasilianische Cerrado mit vereinzelt stehenden Bäumen.
    Brasilianische Cerrado mit vereinzelt stehenden Bäumen.
    Copyright: Simon Scheiter
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Karte des Studiengebietes und dort vorhandener Produktivität der Vegetation, erstellt auf Grundlage von Satellitenaufnahmen. Regenwald (dunkelgrün), südöstlich anschliessende Savanne (hellgrün)


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    Brasilianische Cerrado mit vereinzelt stehenden Bäumen.


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