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27.11.2017 10:03

Neue Strukturen und Reformen als Basis für eine nachhaltige (Herz-)Medizin

Regina Iglauer-Sander Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.

    Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer ist seit 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und zugleich Chefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Städtischen Klinikum in Braunschweig. Der Herzchirurg sieht in der ärztlich interdisziplinären und berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit große Chancen für das Gesundheitswesen und empfiehlt, wieder mehr den Patienten in den Fokus zu rücken und gleichzeitig für eine nachhaltige Gesundheitspolitik zu sorgen.

    Herr PD Dr. Harringer, welche Entwicklung in der Herzmedizin ist Ihnen aktuell besonders wichtig?

    Mir ist die weitere Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit ein besonderes Anliegen. Jeder Herzpatient wünscht sich die für ihn bestmögliche Therapie. In Abhängigkeit von der Schwere und dem Verlauf der Krankheit nebst Risikoeinschätzung wie auch dem Lebensalter und der Lebensqualität, gilt es zu entscheiden, welches der zur Verfügung stehenden Verfahren indiziert und sinnvoll ist, da die verschiedenen Optionen auch in Ihrer Invasivität variieren. Diesbezügliche Evaluationen und Entscheidungen müssen, unter Einbeziehung der Patienten, stets im Herzteam getroffen werden; die verständliche interdisziplinäre Aufklärung sowie die Einwilligung der Patienten sind dabei unbedingt zu gewährleisten. So sehen es internationale und bundesweite medizinischen Leitlinien vor. Dennoch ist ein noch innovativeres Vorgehen denkbar. Ein gutes Beispiel für einen erfolgreichen Weg ist die seit langem etablierte Vorgehensweise bei Tumorerkrankungen. Bei diesen sind patientenbezogene Tumorkonferenzen, sogenannte „Tumor-Boards“, obligat, bei denen Fachärzte unterschiedlicher Gebiete gemeinsam das Krankheitsgeschehen jedes einzelnen Patienten diskutieren, bewerten und eine gemeinsame Empfehlung zur Behandlungsstrategie konsentieren. Mit der konsequenten Fortsetzung zur Etablierung von Herzteams geht die notwendige Entwicklung sicher in die richtige Richtung. Differenzierte Patienteninformation, die verpflichtende Einbindung und der verständliche Dialog mit den Patienten sind ebenfalls erforderlich. Vorrangig steht im Fokus eines jeden Arztes, den Menschen zu mehr Gesundheit zu verhelfen.

    Was muss die nächste Bundesregierung Ihrer Meinung nach gesundheitspolitisch ändern?

    Das deutsche Gesundheitswesen weist eine enorme Heterogenität in der Krankenversorgung auf. Einerseits gilt es, neue Therapieverfahren zu entwickeln und zu evaluieren, beispielweise in der sogenannten Hochleistungsmedizin, andererseits die Krankenversorgung bundesweit auf einem angemessenen Niveau zu gewährleisten. Bei letzterem zeigen sich bereits seit einigen Jahren - überwiegend in ländlichen Regionen – Versorgungsengpässe aufgrund von Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Das erscheint paradox, denn die medizinische Versorgung in Deutschland ist in einigen Aspekten exzellent und andererseits braucht es grundlegende Re-Strukturierungsmaßnahmen. Die Gesundheitspolitik sollte genau hier ansetzen: die schrittweise Beseitigung historisch entstandener Versorgungssektoren mit ihren ökonomischen Regeln, die vermeintlich einer freien Marktwirtschaft entsprechen, ist ein vorrangiges Ziel, das möglichst mittel-, und sicher langfristig erreichbar ist. Dies mit dem Blick auf eine verantwortungsvolle Gesundheitsvorsorge und Krankenversorgung der Bevölkerung. Die hierfür notwendigen Finanzmittel sind sicher aus der bislang vorhandenen Budgetierung generierbar.

    Wie könnten diese Aufgaben Ihrer Meinung nach konkret bewältigt werden?

    Vorrangig sind neue Personalunionen zu strukturieren, regionale Versorgungsstrukturen zu vernetzen, und neue Kooperationen zu schaffen, all dies mit dem Ziel, einen neuen interdisziplinären und sektorenunabhängigen Austausch zu initiieren. Eine Mammut-Aufgabe, die angegangen werden muss, um den Herausforderungen im Kontext des demografischen und gesellschaftlichen Wandels angemessen zu begegnen. Entsprechend muss der Kompass des deutschen Gesundheitswesens richtungsweisend und zukunftsorientiert justiert werden, um allen Patienten einen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

    Personelle Strukturen sind insbesondere in dem Kontext Strukturreform wichtig. Erklären Sie kurz, wieso?

    Wir beobachten sowohl einen Fachkräfte- als auch einen Nachwuchsmangel. Daher müssen wir dringend angemessene und mitarbeiterorientierte Rahmenbedingungen schaffen, die die vielfältigen Berufe im Gesundheitswesen wieder attraktiver machen. Menschen, die Berufe in der Krankenversorgung ausüben, verfügen häufig über besondere Persönlichkeitsmerkmale wie Empathie, Verantwortungsbewusstsein und Aufopferungswillen. Dies gilt es zu bewahren und nicht durch Überlastungen, Stress und kaum erfüllbare Anforderungen zu konterkarieren. Wünschenswert wäre eine Medizin, die die Patienten, aber auch die sie versorgenden Menschen der vielfältigen Gesundheitsberufe, wieder in den Vordergrund stellt.

    Die Fachgesellschaft Deutscher Herzchirurgen setzt sich für das Fachgebiet der Herzchirurgie ein. Was gehört konkret dazu?

    Ganz konkret wollen wir als kompetente Partner stets ansprechbar sein, das Fachgebiet der Herzchirurgie fördern, Qualitäts-Standards in der Herzmedizin definieren, evaluieren und weiterentwickeln, wie auch die kardiovaskuläre Forschung voranbringen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir jedes Jahr die DGTHG-Leistungsstatistik veröffentlichen, in Kooperationen für das Deutsche Aortenklappen-Register und die nationale Qualitätssicherung angeborene Herzfehler verantwortlich sind, den Deutschen Herzbericht mitgestalten und über diverse Themen der Herzmedizin, wie beispielsweise die Organtransplantation, umfassend aufklären. Praktisch heißt das auch, dass die Mitglieder der DGTHG die Patienten mit Herz-, Thorax- und Gefäßerkrankungen wissenschaftlich begründet, nach ethischen Grundsätzen und in kollegialer Zusammenarbeit untersuchen, beraten und behandeln. Oder kurz: Mit Herz, Verstand und Hand für Patienten.

    Herr Privatdozent Dr. Harringer, vielen Dank für das Gespräch

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    Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) mit Sitz in Berlin ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft, deren Ziele u.a. der Förderung der Wissenschaft und Weiterentwicklung von Therapien auf dem Gebiet der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie sind. Zu weiteren Hauptaufgaben zählen die Durchführung von Weiter- und Fortbildungsprogrammen, Erstellung medizinischer Leitlinien, Förderung von Nachwuchskräften und die Ausrichtung medizinischer Fachtagungen. Als Vertretung der über 1.000 in Deutschland tätigen und in der DGTHG organisierten Thorax-, Herz- und Kardiovaskularchirurgen stehen die Verantwortlichen der Fachgesellschaft für einen Dialog mit der Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft zur Verfügung.

    Weitere Informationen unter www.dgthg.de und unter

    Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG)
    Regina Iglauer-Sander, M.A.
    Pressereferentin DGTHG
    c/o Coahing+Communication
    Erdmannstr. 6
    10827 Berlin
    Fon 030/788904-64
    Fax 030/788904-65
    presse@dgthg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dgthg.de


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    Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG
    Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG


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