idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.11.2017 13:37

Fahrtauglichkeit: Individuelle Gesundheitschecks für Senioren

Torben Brinkema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

    Eingebrannt hat sich das Bild vom älteren Unfallverursacher schnell. Forderungen, wonach das Autofahren ab einem bestimmten Alter nur noch mit einem Leistungszertifikat oder verpflichtenden Gesundheitschecks erlaubt sein soll, erteilt die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) eine Absage. „Dieses pauschale Vorgehen ist aus medizinischer Sicht grundsätzlich abzulehnen“, sagt Professor Jürgen M. Bauer, DGG-Präsident und Lehrstuhlinhaber an der Universität Heidelberg sowie Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg.

    Auch Zahlen des ADAC belegen: Menschen ab dem 65. Lebensjahr sind vielmehr gefährdet, als dass von ihnen eine Gefahr ausgeht. 30 Prozent der Verkehrstoten in Deutschland sind 65 Jahre alt und älter. Fast jeder zweite getötete Radfahrer oder Fußgänger fällt in die gleiche Altersklasse. „Was wirklich hilft, sind regelmäßige, freiwillige Gesundheitschecks aus einer geriatrischen Perspektive, bei denen auch Mehrfacherkrankungen, die Medikamentenversorgung und altersbedingte Einschränkungen gezielt untersucht werden“, so Bauer.

    In einigen Regionen Deutschlands werden Senioren mit kostenlosen Nahverkehrstickets belohnt, wenn sie freiwillig den Führerschein abgeben. Doch hilft das wirklich? Die Zahlen aus der aktuellen ADAC-Studie wurden 2015 erhoben. Demnach sind lediglich 15 Prozent der Pkw-Fahrer ab 65 Jahre Hauptverursacher eines Unfalls mit Personenschaden. In 172 Fällen waren 65- bis 74-Jährige schuld an Unfällen mit Todesopfern. Zum Vergleich: Mehr als doppelt so oft, insgesamt 379 Mal, waren 18- bis 24-Jährige Hauptverursacher solcher Unfälle.

    Altersbedingte Beeinträchtigungen können kompensiert werden

    „Um wirklich einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr zu leisten, sind gerade im Alter regelmäßige und vor allem individuelle Gesundheitschecks unumgänglich“, sagt der DGG-Fahrtauglichkeitsexperte Dr. Dirk Wolter, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie an der LVR-Klinik Bonn. „Denn nimmt das Hör- oder Sehvermögen ab und ist die Reaktionsgeschwindigkeit eingeschränkt, kann ein älterer Fahrer tatsächlich zur Gefährdung im Straßenverkehr werden. Auch Herz, Leber und Nervensystem sollten regelmäßig gecheckt werden“, so der Mediziner. Gerade chronische Erkrankungen, Demenz und Einschränkungen des Bewegungsapparates könnten zur Gefahr werden. Die meisten älteren Kraftfahrer kompensieren ihre Einschränkungen erfolgreich durch taktische oder strategische Anpassungen. „Senioren können auf Automatik-Getriebe umsteigen, um so ihre volle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu widmen. Außerdem sollten Stoßzeiten vermieden werden, ebenso das Autofahren bei schlechten Wetterbedingungen oder in der Dunkelheit“, sagt Wolter. Er rät zu regelmäßigen Gesundheitschecks unter geriatrischen Gesichtspunkten statt zu einem pauschalen Fahrverbot für Ältere.

    DGG setzt sich für individuelle Gesundheitschecks zur Fahrtauglichkeit ein

    Für regelmäßige Gesundheitschecks könne beispielsweise der Hausarzt herangezogen werden. „Hausärzte könnten umfassend beraten und intensiv aufklären, wenn es Probleme gibt“, so Wolter. Das gelte vor allem für die Medikamentenversorgung. Zahlreiche Autofahrer über 65 Jahre nehmen Medikamente ein, die müde machen oder den Blutdruck senken können – und somit die Fahrtüchtigkeit einschränken. Wolter rät allen älteren Autofahrern: „Sprechen Sie das Thema der Fahrtauglichkeit bei Ihrem Arzt unbedingt an!“ Dennoch unterstützt der DGG-Experte eine verpflichtende Einführung von Gesundheitschecks nicht: „Das muss von Fall zu Fall individuell betrachtet werden.“ Zudem müsse genau geklärt werden, welche Untersuchungen ein solcher Test im Einzelfall abdecken soll. Schon ein Sehtest für ältere Kraftfahrer müsse ganz andere Bedingungen erfüllen als für junge Fahrer. Auch Fahrschulen seien hier in der Pflicht, ergänzt Dirk Wolter. „Eine Fahrstunde hat schon so manchen überzeugt, das Auto stehen zu lassen. Nur in Ausnahmefällen sollten die Behörden älteren Fahrern den Führerschein dauerhaft entziehen können.“ Es sei auch wichtig, im Training zu bleiben. „Wer keine Fahrpraxis mehr hat, baut auch mehr Unfälle. Wenn man sich beim Autofahren sehr unwohl und unsicher fühlt, sollte man ganz aufhören. Als Kompensation einfach nur weniger zu fahren, ist keine Lösung“, so der Experte. Wolter weist auf eine Reihe von Arbeitsmaterialien hin, die Medizinern beim Abklären der Fahreignung im höheren Lebensalter helfen soll. Diese stehen zum kostenlosen Download auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie zur Verfügung.

    Den Verlust von Autonomie und Selbstbewusstsein verhindern

    „Die Mobilität älteren Menschen und somit auch die Fahrtauglichkeit sei eine Aufgabe, der sich Mediziner stellen müssen“, sagt Dirk Wolter. „Für diese speziellen Fälle sind Geriater ausgebildet und kennen die Bedürfnisse älterer, oft mehrfach erkrankter Patienten ganz genau.“ Das Ziel aller beteiligen Mediziner müsse es sein, die Mobilität der Älteren so lange wie möglich zu erhalten. „Andernfalls verlieren viele Menschen zu früh an Autonomie und Selbstbewusstsein, was im Alter schwerwiegende Gesundheitsfolgen haben kann“, sagt der Chefarzt.


    Weitere Informationen:

    http://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen
    http://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/1381-pm-fahrtauglichkeit-indivi...
    http://www.dggpp.de/Arbeitsmaterial/


    Bilder

    Professor Jürgen M. Bauer, DGG-Präsident und Lehrstuhlinhaber an der Universität Heidelberg sowie Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg
    Professor Jürgen M. Bauer, DGG-Präsident und Lehrstuhlinhaber an der Universität Heidelberg sowie Är ...

    None

    Dr. Dirk Wolter, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie an der LVR-Klinik Bonn
    Dr. Dirk Wolter, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie an der LVR-Klinik Bonn
    LVR-Klinik Bonn
    None


    Anhang
    attachment icon PM: Fahrtauglichkeit: Individuelle Gesundheitschecks für Senioren

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, wissenschaftliche Weiterbildung
    Deutsch


     

    Professor Jürgen M. Bauer, DGG-Präsident und Lehrstuhlinhaber an der Universität Heidelberg sowie Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg


    Zum Download

    x

    Dr. Dirk Wolter, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie an der LVR-Klinik Bonn


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).