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09.01.2018 14:39

Erste Studie zu Giftevolution in Raubfliegen veröffentlicht

Dr. Katarina Werneburg Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion
Universität Leipzig

    Nur wenige Menschen wissen, dass Fliegen zu den wichtigsten Insektengruppen für uns Menschen gehören. Viele Fliegenarten sind wichtige Blütenbestäuber. Kaum bekannt ist jedoch die räuberisch lebende Gruppe der Raubfliegen. Diese Insekten sind in der Lage, andere wehrhafte Predatoren (Räuber) wie Libellen oder Wespen zu jagen. Lange wurde gerätselt, wie die Raubfliegen das bewerkstelligen. Es wurde vermutet, dass diese Fliegengruppe Gifte nutzt, um ihre Beute blitzschnell zu lähmen. Dr. Björn Marcus von Reumont vom Institut für Biologie an der Universität Leipzig hat nun erstmals die Giftkomposition zweier Raubfliegenarten erforscht und die Ergebnisse im Fachjournal "Toxins" publiziert.

    Mit seiner jungen Forschergruppe untersuchte der Biologe, der assoziierter Wissenschaftler am Naturhistorischen Museum (NHM) London ist, in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Köln, Montpellier (Frankreich) und Brisbane (Australien) die Giftevolution in Raubfliegen und beschrieb auch ihren Giftapparat detailliert. Finanziert wird das Projekt vom NHM London, der Universität Leipzig und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. "Unsere erste Publikation zeigt auch, wie wichtig es heutzutage in der modernen Wissenschaft ist, kooperativ zu arbeiten und komplementäre Forschungsbereiche zu integrieren", erklärt von Reumont.

    In der Publikation wird beschrieben, wie ein ausgeklügeltes Muskelsystem des Stechapparates eine Hochgeschwindigkeitsinjektion des Giftes ermöglicht. Dadurch kann die neurotoxische Komponente schnellstmöglich in die Beute gebracht werden und wirken. Diese anatomischen Strukturen sind nur über extrem hochauflösende Computer-Tomographien darstellbar. Dafür haben die Forscher drei Tage und Nächte lang in einem Team die hochauflösende Strahlung eines Teilchenbeschleunigers des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz genutzt.

    Bei der Analyse des Gifts wurden zehn Proteine nachgewiesen, die neu für die Wissenschaft sind. "Spannend ist für uns natürlich zu untersuchen, wie diese offensichtlich nur in Raubfliegen einzigartigen Proteine evolviert sind", sagt Dr. von Reumont. Gifte sind eine Überlebensstrategie in der Natur, deren Komponenten, die Toxine, einem ständigem Evolutionsdruck ausgesetzt sind. Beutetiere können sich an das Gift anpassen. Der Jäger entwickelt wieder ein stärker wirkendes Gift. Die Toxine werden meistens aus einem kleinen Pool von Proteinen rekrutiert, die ursprünglich normale (nicht-toxin) Aufgaben übernommen haben. "Interessant ist, dass wir nur für wenige Tierarten wie Schlangen, Spinnen, Skorpione und Kegelschnecken die Biologie und Evolution dieser Giftproteine gut kennen. Insekten haben mit Abstand die größte Anzahl an giftigen Arten, aber paradoxerweise wissen wir nur wenig über die Kompositionen und Evolution von Insektengiften", erläutert der Biologe. In vielen Fällen sei nicht einmal die Ökologie vieler Arten bekannt, die mittlerweile häufig vom Aussterben bedroht sind. Die Untersuchung bisher nicht bekannter Gifte von Fliegen helfe auch, ihre Ökologie und die Evolution von Toxinen in den Insekten zu verstehen.

    Fliegen sind die jüngste Insektengruppe. Sie könnten im Vergleich zu Hautflüglern auch neuartige Toxine entwickelt haben. Daher sind Raubfliegen für die Wissenschaft unter verschiedenen Aspekten interessant. Gerade neue Toxine haben ein großes Potenzial in der angewandten Forschung der pharmazeutischen oder der agrochemischen Industrie, zum Beispiel um weniger schädliche Bioinsektizide zu entwickeln.

    Die Forscher um Björn Marcus von Reumont bauten eines der neuen Proteine auf Basis der molekularen Proteinsequenz künstlich nach und untersuchten es auf seine neurotoxische Aktivität. "Wir waren ganz aufgeregt, als wir das Videomaterial von den französischen Kollegen bekamen, welche die Aktivität untersucht hatten", schildert Stephan Holger Drukewitz von der Universität Leipzig, der die Toxine im Rahmen seiner Doktorarbeit zu Raubfliegengiften maßgeblich molekular analysiert hat. "Es waren deutliche neurotoxische Auswirkungen des Raubfliegen-Toxins auf Bienen zu sehen, wie etwa Lähmungen. Diessind sehr ähnlich im Vergleich zu Toxinen der hochgiftigen Tunnelnetzspinnen", erklärt der Biologe. Die Forscher haben die zehn neuen Proteine nach dem Gruppennamen für Raubfliegen "Asilidine" benannt. Das in seiner Aktivität näher beschriebene Neurotoxin Asilidin 1 ähnelt in der Struktur Toxinen, die bisher nur von Spinnen, Skorpionen, Kegelschnecken und jüngst in Raubwanzen beschrieben sind.

    Originaltitel der Veröffentlichung in "Toxins":

    "A Dipteran’s Novel Sucker Punch: Evolution of Arthropod Atypical Venom with a Neurotoxic Component in Robber Flies (Asilidae, Diptera)"

    Doi: 10.3390/toxins10010029


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Kooperationen
    Deutsch


     

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