idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.01.2018 21:00

Material löst sich dynamisch statt kontinuierlich

Ulrike Prange Pressestelle
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

    Wissenschaftler aus Bremen und Dresden finden neuen Prozess, wie sich kristallines Material in Flüssigkeiten freisetzt

    Würfelzucker löst sich in Tee oder Kaffee, Karbonat in Meeren und Ozeanen. Bislang haben Forschende vermutet, dass sich solche Kristalle kontinuierlich in Flüssigkeit auflösen. PD Dr. Cornelius Fischer und Prof. Dr. Andreas Lüttge vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen haben nun aber einen besonderen Prozess der Materialauflösung entdeckt, der sich auch auf die quantitative Vorhersagbarkeit natürlicher und technischer Prozesse auswirken wird. Statt in einem kontinuierlichen Prozess lösen sich Kristalle in Pulsen. Ihre Ergebnisse haben sie am 15. Januar in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

    Wie kristallines Material mit Flüssigkeiten reagiert, ist bestimmend für ganz alltägliche Prozesse in der Natur und in technischen Anwendungen – wie Metalle korrodieren oder Karbonatgestein zersetzt wird sind Beispiele, ebenso auch die Aufnahme von Arzneimittelwirkstoffen im Körper. Wie lange dauert es zum Beispiel, bis ein Medikament aufgenommen wird und sich der Wirkstoff freisetzt? Bislang, so die Autoren, sei man davon ausgegangen, dass die Reaktionsprodukte beständig von der Kristalloberfläche freigesetzt werden, das entspricht einer kontinuierlichen Auflösung.

    „Neue experimentelle und analytische Ergebnisse zeigen aber etwas grundlegend Anderes: Material wird in einer Folge von Reaktionspulsen freigesetzt“, erklärt Dr. Cornelius Fischer, Erstautor der Studie, die am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen entstanden ist. Das bedeutet, dass die zeitliche und räumliche Verteilung der Materialfreisetzung grundsätzlich anders funktioniert als bisher angenommen. Interessant wird es, wenn sich solche Pulse der Materialfreisetzung überlagern, denn so könnten völlig neue Porenmuster von Festkörpern entstehen. Ein Beispiel für eine klassische Anwendung, sagt Fischer, sei die Durchlässigkeit sonst dichter Festkörper, etwa wie Wasser durch Gestein sickert und so neue Wege für die Flüssigkeit schafft und das Gestein insgesamt poröser wird. Das Porenmuster zeigt dann, wie durchlässig das Gestein ist.

    Relevant für Sicherheits- und Risikobewertung
    Die Forschung der Mineralogen ist zum Beispiel relevant für Risiko- und Sicherheitsabschätzungen, etwa wenn es um die Einlagerung von Gasen oder das Entsorgen von nuklearem Material geht – „immer dann“, verdeutlicht Fischer, „wenn Prognosen für Anwendungen und Prozesse der Flüssigkeit-Festkörper-Reaktionen verbessert werden sollen“.

    Ihre jetzt veröffentlichten Ergebnisse stellen die vorherrschende konzeptionelle Ansicht in Frage, dass die Kristallauflösung einfach der umgekehrte Prozess des kontinuierlichen Kristallwachstums ist. „Solche Pulse wurden für Kristallwachstumsprozesse bislang nicht beobachtet“, sagt Cornelius Fischer. Für ihre Studie haben Andreas Lüttge und Fischer, der inzwischen als Abteilungsleiter an das Institut für Ressourcenökologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gewechselt ist, die Auflösung von Kalzit und Zinkoxid untersucht. Schnell reagierende Kalzitoberflächen bieten oft ein sehr heterogenes Bild.

    „Zinkoxid zum Beispiel eignet sich jedoch gut für eine Beobachtung der Oberflächenveränderungen quasi in Zeitlupe“, erklärt Andreas Lüttge. „Als wir zum ersten Mal solche Pulse mit Zinkoxid-Oberflächen entdeckten, war es schwer zu glauben, dass dieses Ergebnis verallgemeinerungsfähig ist. Zu sehr bestimmen die komplexen Reaktionsmuster wie auf Kalzitoberflächen unsere Interpretation. Jetzt sind wir jedoch mit den neuen Ergebnissen in der Lage, solche Muster der Materialfreisetzung besser zu verstehen.“

    Modelle müssen weiter verfeinert werden
    Ziel der Untersuchungen von Fischer und Lüttge sind Modelle der quantitativen Prognose. Wie schnell und mit welchen räumlichen Mustern ändern sich Festkörperoberflächen und setzen Material frei? Wie entwickelt sich die Durchlässigkeit von festem Material? Fischer: „In Zukunft werden wir unsere neuen Erkenntnisse in reaktiven Transportmodellen anwenden, um für grundsätzliche und angewandte Fragestellungen eine bessere Vorhersagbarkeit der Materialfreisetzung zu ermöglichen.“

    Originalveröffentlichung:
    Cornelius Fischer and Andreas Lüttge: Pulsating dissolution of crystalline matter. Proceedings of the National Academy of Sciences 2018,
    DOI:10.1073/pnas.1711254115

    Kontakt:
    Cornelius Fischer
    Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), Institut für Ressourcenökologie
    Leiter der Abteilung Reaktiver Transport an der HZDR-Forschungsstelle Leipzig
    Telefon: 0351 260-4660
    E-Mail: c.fischer@hzdr.de

    Andreas Lüttge
    MARUM-Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
    E-Mail: aluttge@marum.de

    Mehr Informationen:
    Ulrike Prange
    MARUM Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Telefon: 0421 218 65540
    E-Mail: medien@marum.de

    MARUM entschlüsselt mit modernsten Methoden und eingebunden in internationale Projekte die Rolle des Ozeans im System Erde – insbesondere im Hinblick auf den globalen Wandel. Es erfasst die Wechselwirkungen zwischen geologischen und biologischen Prozessen im Meer und liefert Beiträge für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane. Das MARUM umfasst das DFG-Forschungszentrum und den Exzellenzcluster „Der Ozean im System Erde“.


    Weitere Informationen:

    http://www.marum.de


    Bilder

    Die Abbildung stellt keine topographische Karte dar, sondern zeigt, wie viel Material sich auflöst. Deutlich zu erkennen sind die so genannten Pulse, die Kraterwellen ähneln.
    Die Abbildung stellt keine topographische Karte dar, sondern zeigt, wie viel Material sich auflöst. ...
    Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Die Abbildung stellt keine topographische Karte dar, sondern zeigt, wie viel Material sich auflöst. Deutlich zu erkennen sind die so genannten Pulse, die Kraterwellen ähneln.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).