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18.04.2018 12:19

Neues Positionspapier zu Anämie-Grenzwerten: „Blutarmut im Alter ist nicht normal“

Torben Brinkema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

    „Anämie beim älteren Menschen ist keine normale Alterserscheinung, sondern gehört abgeklärt“, sagt Dr. Gabriele Röhrig, Leiterin der Arbeitsgruppe Anämie im Alter der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und Oberärztin im Medizinischen Versorgungszentrum Medicum Köln Ost, wo sie gerade das Zentrum für spezialisierte geriatrische Diagnostik (ZGD) aufbaut. Zusammen mit drei weiteren Wissenschaftlern aus Köln, Hamburg und Mannheim hat sie nun die Belege dafür zusammengetragen, dass bei älteren Patienten dieselben Grenzwerte für Blutanalysen gelten wie bei jüngeren Patienten. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in einem neuen Positionspapier veröffentlicht.

    In den vergangenen Jahrzehnten gab es nur wenige Datenanalysen von peripheren Blutwerten bei älteren Menschen. Es wurde daher lange Zeit darüber diskutiert, ob bei dieser Patientengruppe andere Grenzwerte für die Diagnose einer Anämie herangezogen werden müssten und die Anämie-Prävalenz im höheren Lebensalter nur aufgrund „falscher“ Grenzwerte vermeintlich hoch erschiene.

    Frühere WHO-Grenzwerte wurden willkürlich festgelegt

    Die jahrelange Auseinandersetzung war berechtigt, denn die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Anämie-Definition aus dem Jahr 1969 waren willkürlich festgelegt worden. Sie waren abgeleitet aus Untersuchungen an jungen Männern und schwangeren Frauen. Ältere Menschen waren in keiner der berücksichtigten Untersuchungen eingeschlossen. Dieser Diskussion um die Frage nach Anämie-Grenzwerten im Alter konnte die Arbeitsgruppe um Röhrig nun ein Ende setzen.

    Nach Analyse von 4.641 Patienten: Erstmals wissenschaftliche belegte Grenzwerte

    In Kooperation zwischen der Arbeitsgruppe Anämie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und dem Arbeitskreis Labor der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) wurde in 2015 basierend auf Daten einer bundesweit tätigen Laborgemeinschaft eine Querschnittstudie initiiert, in die über einen Zeitraum von zwölf Monaten die Daten von insgesamt 30.611 Patienten im Alter über 60 Jahre eingeflossen sind. Unter Anwendung strenger Einschlusskriterien konnten daraus 4.641 Menschen als hämatologisch gesund definiert und in die Analyse eingeschlossen werden. Die Auswertung ergab jetzt, dass alle Werte der erythrozytären Parameter („kleines Blutbild“) im Bereich der DGHO-Referenzwerte blieben und die Referenzwerte der WHO für die Anämie-Definition damit bestätigt werden konnten. „Basierend auf diesen Daten kann jetzt der Diskussion um die Etablierung altersspezifischer Referenzwerte für Hämoglobin und erythrozytäre Parameter bei deutschen Patienten über 60 Jahren endlich ein Ende gesetzt werden“, sagt Röhrig. „Die Referenzwerte für ältere Menschen in anderen Regionen der Welt könnten aber trotzdem abweichen.“ Das müsse regional untersucht werden.

    Eine enge Koppelung: Anämie und funktionelle Störungen im Alter

    Bei Patienten im höheren Lebensalter kann Anämie zu Einschränkungen in der physischen und kognitiven Funktionalität führen. Auch der Einfluss auf Morbidität und Mortalität ist nachgewiesen. „Anämie kann als Risikofaktor für multifunktionelle Einschränkungen im Alter angesehen werden und damit die klinische Entwicklung eines multimorbiden geriatrischen Patienten entscheidend beeinflussen“, sagt Röhrig. „Gerade vor dem Hintergrund der großen klinischen Relevanz der Anämie im Alter gewinnt die Ermittlung von Normwerten für das Blutbild älterer Menschen an Bedeutung.“

    Bessere geriatrische Behandlung: Weitere Daten müssen erhoben werden

    Geriater können bei der Behandlung älterer Patienten über 60 Jahren nun erstmals auf einen wissenschaftlich belegten Hämoglobin-Grenzwert zurückgreifen, der auf eine vorliegende Anämie hinweist: Liegt dieser Wert unter 12 g/dl bei Frauen oder unter 13g/dl bei Männern, sollte eine weiterführende Anämie-Diagnostik dringend erwogen werden. „Wir dürfen nicht denken, dass niedrigere Hämoglobinwerte und damit weniger rote Blutkörperchen im Blut geriatrischer Patienten normal sind, nur weil die Menschen alt sind. Das ist nicht der Fall“, sagt Röhrig. Das Ausmaß der Diagnostik müsse dabei natürlich dem Risiko-Nutzen-Gleichgewicht für den Patienten angepasst bleiben.

    Ziel für 2018: Diagnostik und Therapie mit neuen Daten weiter verbessern

    Aktuell wertet die Forschergruppe weitere Anämie relevante Blutparameter desselben Kollektivs aus, um weitere Grenzwerte zu bestimmen, unter anderem für den Eisenspeicher Ferritin und das periphere Blutbild. „Damit werden wir 2018 weitere Daten vorlegen können, mit denen Diagnostik und Therapie älterer Anämie-Patienten weiter verbessert werden können“, sagt AG-Sprecherin Röhrig.


    Pressekontakt der DGG


    Torben Brinkema
    medXmedia Consulting KG
    Nymphenburger Str. 19
    80335 München
    Tel: +49 (0)89 / 230 69 60 21
    Fax: +49 (0)89 / 230 69 60 24
    E-Mail: presse@dggeriatrie.de


    Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

    Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ärzte, die sich auf die Medizin der späten Lebensphase spezialisiert haben. Wichtige Schwerpunkte ihrer Arbeit sind neben vielen anderen Bewegungseinschränkungen und Stürze, Demenz, Inkontinenz
    , Depressionen und Ernährungsfragen im Alter. Häufig befassen Geriater sich auch mit Fragen der Arzneimitteltherapie von alten Menschen und den Wechselwirkungen, die verschiedene Medikamente haben. Bei der Versorgung geht es darum, den alten Menschen ganzheitlich zu betreuen und ihm dabei zu helfen, so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Die DGG wurde 1985 gegründet und hat heute rund 1700 Mitglieder.


    Weitere Informationen:

    https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/1428-neues-positionspapier-zu-...


    Bilder

    Dr. med. Gabriele Röhrig-Herzog, MPH
    Dr. med. Gabriele Röhrig-Herzog, MPH

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dr. med. Gabriele Röhrig-Herzog, MPH


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