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19.04.2018 10:14

CHE Analyse: Kein Rollback bei der Finanzautonomie der Hochschulen

Britta Hoffmann-Kobert Bereich Dialog und Veranstaltungen
CHE Centrum für Hochschulentwicklung

    Die von der Politik angestrebten Handlungsspielräume deutscher Hochschulen in finanziellen Fragen werden in der Praxis auch weitgehend durch die Länder gewährt. Ein Rollback zur staatlichen Detailsteuerung ist nicht erkennbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Allerdings gibt es ein zum Teil widersprüchliches Nebeneinander verschiedener Steuerungsinstrumente und rechtlicher Rahmenbedingungen.

    Seit den 1990er Jahren haben die deutschen Hochschulen im Verhältnis zur Politik deutlich an Autonomie gewonnen. Insbesondere wurde ihnen größere Eigenverantwortung in finanziellen Fragen zugestanden. Sichtbares Zeichen dafür sind etwa die Möglichkeit zur Bildung von Rücklagen oder die Einführung von Globalbudgets. Die Ausgestaltung der Finanzautonomie wurde in den Ländern auf verschiedene Weisen umgesetzt. In manchen Ländern wurden die Eingriffsmöglichkeiten des Staates in den letzten Jahren wieder ausgebaut. Es stellt sich die Frage, ob die Handlungsfähigkeit der Hochschulen unter den aktuell gültigen Rahmenbedingungen eingeschränkt ist.

    Eine Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung hat die tatsächliche Finanzautonomie der Hochschulen in der Praxis untersucht. Analysiert wurde die Situation exemplarisch für Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Das Ergebnis: In beiden Ländern ist die finanzielle Hochschulautonomie nicht massiv eingeschränkt. „Die einmal gewährten Handlungsspielräume der Hochschulen sind über die Jahre trotz wechselnder Landesregierungen erhalten geblieben“, bilanziert Ulrich Müller. Der Leiter politische Analysen beim CHE ergänzt: „Einen grundsätzlichen Rollback bei der Finanzautonomie der Hochschulen – wie er gelegentlich befürchtet wird – können wir aktuell nicht erkennen. Aber Finanzautonomie ist nicht etwas, das man einmalig einführt und das dann auf ewig weiterbesteht. Finanzautonomie muss dauerhaft gestaltet und verteidigt werden.“

    Deutlich zeigt sich bei der Untersuchung ein Nebeneinander alter und neuer Steuerungsinstrumente. Zu den Prinzipien der in diesem Sinne alten Steuerung, in der die Hochschulen kleinteiligen und detaillierten Regelungen unterworfen sind, gehören u.a. die Lehrverpflichtungsverordnung, die Kapazitätsverordnung oder der Stellenplan. Für die neuen, Autonomie gewährenden Steuerungsmechanismen der Länder stehen Elemente wie Zielvereinbarungen und Globalbudgets.

    Die Ergebnisse der CHE Analyse zeigen, dass sich beide Ansätze in der Praxis noch gegenüberstehen oder nicht genügend harmonisiert sind. Die Autor(inn)en Christian Berthold und Akiiki Babyesiza sehen das deutsche Hochschulsystem hier noch in einem Stadium des Übergangs. Wünschenswert wäre aus ihrer Sicht ein Steuerungsmodell, das konsequenter als bislang auf die Gestaltungsfreiheit der Hochschulen setzt und die Widersprüche zwischen den Ansätzen reduziert. Mitunter hapert es auch an der Art der Umsetzung, etwa wenn die Steuerungsinstrumente auf eine Weise implementiert werden, in der die kleinteiligen Dokumentationspflichten die gewonnenen Handlungsspielräume wieder kompensieren.

    Als weiteres Hemmnis identifiziert die Analyse zudem zahlreiche Vorgaben oder Einschränkungen aus dem wissenschaftsfernen Umfeld, die für einen erhöhten Bürokratieaufwand sorgen. In Bereichen wie Steuer-, Vergabe oder Arbeitsrecht wurde die Anwendung auf Wissenschaftseinrichtungen in den Gesetzgebungsprozessen oft nicht hinreichend berücksichtigt. So sorgt etwa das Mindestlohngesetz zu einem erheblichen Dokumentationsaufwand bei der Beschäftigung von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften.

    Neben der Zusammenführung kleinteiliger Programmförderungslinien spricht sich das CHE auch für eine Reform formaler Regelwerke wie der Kapazitätsverordnung und des Stellenplans sowie für die Verknüpfung voneinander losgelöster themenspezifischer Hochschulverträge zur Vermeidung der Steuerungsdiffusion aus. Darüber hinaus ist die Entscheidungsfreiheit der Hochschulen bei der Einführung von Studierendenbeiträgen langjährige Position des CHE. „Zur Finanzautonomie gehört grundsätzlich auch die Freiheit, Drittmittel für die Lehre zu akquirieren“, erklärt Ulrich Müller. Strategische Entscheidungen für oder gegen die Erhebung etwa von Absolventenbeiträgen sollten auch von Hochschulen selbst diskutiert und getroffen werden können – nicht allein in Bezug auf Weiterbildungsangebote.

    Über diese Studie:
    Im Auftrag des CHE Centrum für Hochschulentwicklung untersuchte CHE Consult die Finanzautonomie der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. In beiden Bundesländern wurden Interviews mit Haushaltsexpert(inn)en an jeweils zwei Fachhochschulen und Universitäten durchgeführt sowie hochschulpolitische Dokumente, nicht-hochschulbezogene Gesetze, das Programmmittelaufkommen und die politische Wahrnehmung von Rücklagen analysiert. Autor(inn)en der Studie „Tatsächliche Hochschulautonomie am Beispiel der finanziellen Steuerung der Hochschulen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen“ sind Akiiki Babyesiza und Christian Berthold.

    Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:

    Ulrich Müller
    Tel. 05241 9761-56
    E-Mail: ulrich.mueller@che.de


    Weitere Informationen:

    http://www.che.de/downloads/CHE_AP_206_Finanzautonomie.pdf - Publikation zum Download
    -Erklärvideo: Was beeinflusst die Finanzautonomie von Hochschulen?


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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