idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
30.05.2018 18:07

Ansteckung mit Masernviren: Andocken an zwei Zellrezeptoren notwendig

Dr. Susanne Stöcker Presse, Informationen
Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel

    Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben an einem Tiermodell nachvollzogen, was für die hohe Ansteckungsrate des Masernvirus verantwortlich ist. Wie sie zeigen konnten, spielt die effiziente Interaktion mit zwei zellulären Rezeptoren eine entscheidende Rolle bei der Übertragung der Infektionskrankheit. Diese Erkenntnisse könnten klinische Bedeutung in der Therapieentwicklung gewinnen. Über die Forschungsergebnisse berichtet Journal of Virology in seiner Online-Ausgabe vom 23. Mai 2018 abends

    Das Masernvirus ist für Menschen hoch ansteckend, bei Kontakt mit einer infizierten Person liegt die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, bei mehr als 90 Prozent, sofern man nicht geimpft ist oder die Masern bereits durchgemacht hat. Trotz derzeitiger Bemühungen, das Masernvirus auszurotten, kommt es aufgrund einer nicht ausreichenden Durchimpfungsrate der Bevölkerung immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen. Deutschland ist in Europa sogar inzwischen das Schlusslicht bei der Masernelimination . So erkrankten im Jahr 2017 in Deutschland fast dreimal so viele Menschen an Masern wie in 2016. Insgesamt waren es in 2017 929 gemeldete Fälle.

    Das Masernvirus gehört wie das in dieser Untersuchung verwendete hoch infektiöse Hundestaupevirus zu der Gruppe der Morbilliviren. Bekannt ist, dass die Viren bei der Infektion und Vermehrung im infizierten Wirt mit zwei unterschiedlichen Rezeptoren auf den Zellen des Wirts interagieren. Es wird angenommen, dass Masernviren bei der Ansteckung erst an einen Rezeptor auf Immunzellen andocken, sich hier weiter vermehren und später an einen zweiten Rezeptor auf Zellen der Atmungswege andocken und über diese auf den nächsten Wirt übertragen werden. Wenig ist dagegen darüber bekannt, inwieweit die Interaktion zwischen Virus und einem oder beiden Zellrezeptoren für die Übertragung des Erregers erforderlich ist. Die Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen bei Masern ist auch deshalb schwierig, weil der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Dr. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, haben für die Erforschung der Morbilliviren ein Ersatzmodell entwickelt: Sie nutzen Frettchen, die hochempfänglich für den engen Verwandten des Masernvirus, das Hundestaupevirus, sind.

    Um die Bedeutung der Rezeptorinteraktionen für die Übertragung zu ermitteln, infizierten die Forscher in Zusammenarbeit mit Forschern der Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA, Frettchen mit dem natürlichen Hundestaupevirus oder mit Virusmutanten, die nicht länger in der Lage waren, mit einem der beiden zellulären Rezeptoren zu interagieren. Wie erwartet infizierten sich die Frettchen, die mit dem natürlichen Hundestaupevirus in Kontakt kamen, und erkrankten. Dabei übertrugen bereits erkrankte Tiere das Virus am effizientesten. Dagegen wurden genetisch veränderte Viren, die nur an einen der beiden Rezeptoren andocken konnten, nur in Einzelfällen übertragen und erzeugten keine Krankheit.

    Die Forschungsergebnisse belegen die Bedeutung der Interaktion mit den zellulären Rezeptoren für die Übertragung von Morbilliviren. Sie ist für die Weiterverbreitung der Erkrankung von zentraler Bedeutung. Klinisch könnten diese Erkenntnisse genutzt werden, um Wirkstoffe zu entwickeln, die gezielt diese Interaktion unterbinden. Ein Vorteil einer solchen Strategie: Hier ist die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlich. Profitieren könnten hiervon Ungeimpfte nach Kontakt mit Masernerkrankten.
    Der beste Schutz vor Masern ist und bleibt jedoch die Impfung.

    Originalpublikation
    Sawatsky B, Cattaneo, von Messling V (2018): Canine Distemper Virus Spread and Transmission to Naive Ferrets: Selective Pressure on SLAM-Dependent Entry
    J Virol [Epub ahead of print].
    DOI: doi:10.1128/JVI.00669-18

    ______________________________________________________________________

    Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt biomedizinische Human-Arzneimittel und Veterinär-Impfstoffe zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig. Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen in nationalem (Bundesregierung, Länder) und internationalem Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.


    Weitere Informationen:

    http://jvi.asm.org/content/early/2018/05/17/JVI.00669-18.abstract - Abstract des Artikels
    https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2018/03_2018.htm... - Informationen des RKI zu Masernerkrankungen in Deutschlaned
    https://www.pei.de/DE/infos/presse/pressemitteilungen/2018/08-ansteckung-masernv... - Diese Pressemitteilung auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts


    Bilder

    Masernvirus
    Masernvirus
    Quelle: Cynthia S. Goldsmith; William Bellini / CDC
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Masernvirus


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).