idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.07.2018 14:45

CECAD-Forscher entdecken Mechanismus, der die Huntington-Krankheit abschwächt

Anneliese Odenthal Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Krankhafte Anhäufung des Proteins „Huntingtin“ hängt mit defektem Entsorgungssystem in den Nervenzellen zusammen / Langfristig Hoffnung auf neue Therapie
    Der Neurowissenschaftler Dr. David Vilchez und sein Team bei CECAD, dem Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln, haben neue Erkenntnisse zu einem System gewonnen, das die neurodegenerative Huntington-Krankheit abschwächen könnte. Durch den jetzt entdeckten Mechanismus wird die Anhäufung von toxischen Proteinen verhindert, die für den Abbau von Hirnzellen bei der Krankheit verantwortlich sind. Die Forschungsergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

    Die Huntington-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die zum Tod von Gehirnzellen und damit zu unkontrollierten Körperbewegungen, Sprachverlust und Psychosen führt. Mutationen des „Huntingtin“-Gens sind für die Krankheit verantwortlich, da sie dazu führen, dass sich das gleichnamige Protein „Huntingtin“ in giftiger Menge anhäuft. Diese Anhäufung führt zu Neurodegeneration und in den allermeisten Fällen zum Tod des Patienten spätestens zwanzig Jahre nach Ausbruch der Krankheit.
    Um die Mechanismen der Huntington-Krankheit besser zu verstehen, untersuchten Vilchez und sein Team sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) von Patienten mit der Huntington-Krankheit. Stammzellen sind in der Lage, sich in jeden Zelltyp – beispielsweise in Neuronen – zu differenzieren.

    Die Stammzellen der Huntington-Patienten konnten erstaunlicherweise die sonst krankheitstypische Anhäufung des toxischen Proteins „Huntingtin“ vermeiden. Verantwortlich für diesen Erfolg zeigte sich ein Protein namens UBR5, das als Schutzmechanismus für die pluripotenten Stammzellen fungiert. UBR5 sorgt dafür, dass sich das schädliche „Huntingtin“-Protein wieder abbaut.

    Das Kölner Team verglich unsterbliche iPS-Zellen von Huntington-Patientinnen und -Patienten und die daraus differenzierten Neuronen auf Unterschiede in ihrer Fähigkeit, eine Anhäufung des mutierten „Huntingtin“ zu vermeiden. Dabei stellte sich heraus, dass „Huntingtin“ durch das zelluläre Entsorgungssystem „Proteasom“ abgebaut werden kann. Doch gerade in den Neuronen der Patientinnen und Patienten war das so wichtige Entsorgungssystem defekt und „Huntingtin“ konnte nicht abgebaut werden.
    Vilchez und sein Team fanden heraus, dass das Schutz-Protein UBR5 jedoch in den Stammzellen erhöht aufzufinden war. Das beschleunigte den Abbau von „Huntingtin“ in den Zellen. Sie kontrollierten auch, ob eine Herunterregulierung des UBR5-Spiegels, also weniger Schutz, zur giftigen Anhäufung von „Huntingtin“ in den Stammzellen führte. Tatsächlich stellten sie fest, dass das Senken von UBR5 zu einem massiven Anstieg in Anhäufungen von „Huntingtin“ in den Stammzellen führte. „Das war verblüffend“, sagt Vilchez. „Aus dem Nichts häuften die Zellen auf einmal große Mengen des toxischen Proteins an.“

    Die Forscherinnen und Forscher überprüften ihre Ergebnisse auch an einem Modellorganismus, um die früheren Befunde noch einmal zu bestätigen. Beim Fadenwurm C. elegans testeten sie, ob sich durch eine Herunterregulierung des UBR5-Spiegels die Anhäufung von „Huntingtin“ in den Neuronen erhöht. Wieder führte das Senken von UBR5 zu einem massiven Anstieg der Anhäufung und neurotoxischen Wirkung des schädlichen Proteins in den Neuronen. Die Erhöhung von UBR5 hingegen blockierte die Anhäufung von „Huntingtin“ in den Modellorganismen.

    Das Team testete auch, ob die Ergebnisse auf andere neurodegenerative Krankheiten zutreffen. „Wir haben den Mechanismus bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) unter die Lupe genommen“, sagt Seda Koyuncu, eine Doktorandin am Labor von Vilchez und Hauptautorin der Publikation. „Aber unser Ergebnis ist sehr spezifisch für die Huntington-Krankheit“, erläutert Dr. Isabel Saez, eine weitere Hauptautorin und CECAD-Mitarbeiterin.
    Auch wenn die Ergebnisse für die Entwicklung neuer Behandlungen und Medikamente wichtig sein könnten, gebe es noch keine Heilung für die Huntington-Krankheit. „Es ist nicht so, dass man etwas Neues entdeckt und dann gibt es sofort eine Heilung; es ist schwieriger. Aber in einigen Jahren könnte es eine Therapie geben“, sagt Saez. Bis dahin muss noch weiter geforscht werden. „Diese Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Huntington-Krankheit bei und könnten langfristig ein Meilenstein in der Behandlung von Patienten sein“, sagt Vilchez.

    CECAD ist das Exzellenzcluster der Universität zu Köln und des Universitätsklinikums zur Erforschung alternsassoziierter Erkrankungen. Dr. David Vilchez ist Principal Investiagor in Forschungsbereich B, „Disruptions in Protein Metabolism Cause Aging-Associated Diseases“. In seiner Arbeit konzentriert Vilchez sich auf die Regulation der Proteinhomöostase in Stammzellen und im Alterungsprozess.

    Inhaltlicher Kontakt:
    Dr. David Vilchez
    Principal Investigator/Junior Research Group Leader, CECAD Cologne
    +49 221 478 84172
    dvilchez@uni-koeln.de

    Presse und Kommunikation:
    Peter Kohl
    +49 221 478-84043
    pkohl@uni-koeln.de

    Zur Publikation:
    ‘The ubiquitin ligase UBR5 suppresses proteostasis collapse in pluripotent stem cells from Huntington’s disease patients’. Seda Koyuncu, Isabel Saez, Hyun Ju Lee, Ricardo Gutierrez-Garcia, Wojciech Pokrzywa, Azra Fatima, Thorsten Hoppe and David Vilchez. Nature Communications, volume 9, 23 July 2018, article number: 2886 (2018), http://www.nature.com/articles/s41467-018-05320-3


    Bilder

    Der Modellorganismus C. elegans mit mutiertem Huntington Gen unter dem Mikroskop. Das Ausschalten des Schutz-Proteins UBR5 führte zu einem drastischen Anstieg des
    Der Modellorganismus C. elegans mit mutiertem Huntington Gen unter dem Mikroskop. Das Ausschalten d ...
    Credit: Seda Koyuncu und Isabel Saez
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Der Modellorganismus C. elegans mit mutiertem Huntington Gen unter dem Mikroskop. Das Ausschalten des Schutz-Proteins UBR5 führte zu einem drastischen Anstieg des


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).