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18.10.2018 14:00

Diuretikum Hydrochlorothiazid (HCT) erhöht das Risiko für weißen Hautkrebs

Dr. Bettina Albers Geschäftsstelle
Deutsche Hochdruckliga

    Mit einem „Rote-Hand-Brief“ haben die Zulassungsinhaber von Arzneimitteln, die den Wirkstoff Hydrochlorothiazid (HCT) enthalten auf ein mögliches Langzeitrisiko hingewiesen: Auswertungen dänischer Gesundheitsdaten in pharmakoepidemiologische Studien zeigen, dass steigende kumulative Dosen von HCT anscheinend das Risiko erhöhen, an weißem Hautkrebs zu erkranken. Das sollte aber nicht zu Kurzschlussreaktionen führen. Ob mit oder ohne HCT: Der Bluthochdruck muss in jedem Fall behandelt werden.

    Mit Hilfe von sogenannten „Rote-Hand-Briefen“ informieren pharmazeutische Hersteller Fachkreise über neu erkannte Arzneimittelrisiken. Nun haben alle pharmazeutischen Hersteller des Diuretikums Hydrochlorothiazid (HCT) in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen „Rote Hand-Brief“ herausgegeben [1], denn aktuelle Studiendaten weisen darauf hin, dass die Substanz, mutmaßlich auf Grund ihrer photosensibilisierenden Wirkung, anscheinend das Risiko für weißen Hautkrebs erhöht. Auslöser für die Warnung sind zwei aktuelle skandinavische Langzeitstudien. Ausgewertet wurden Gesundheitsdaten aus Dänemark über einen längeren Zeitraum [2]. Die Studien legen dringend einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von HCT und der Entstehung von weißem Hautkrebs nahe, ohne dass letztlich ursächlich nachgewiesen wurde, ob der weiße Hautkrebs auch wirklich auf die Einnahme von HCT zurückzuführen ist. In diesen Studien fehlen beispielsweise wichtige Informationen zum Ausmaß der Sonnenexposition und dem Hauttyp der Betroffenen.

    Der „Rote-Hand-Brief“ empfiehlt Ärzten, Patienten, denen sie die Substanz verschrieben haben, auf dieses Risiko aufmerksam zu machen. Bei Einnahme von HCT als Mono- oder Kombinationspräparat empfiehlt es sich, die Haut regelmäßig auf neue Hautveränderungen hin zu beobachten bzw. auf mögliche Veränderungen vorbestehender Hautveränderungen zu achten. Verdächtige Veränderungen sollten mit dem Arzt besprochen werden. Es ist wichtig, dass Patienten ihre Blutdruckmedikation nicht eigenmächtig absetzen. Ein Absetzen kann zu Folgen führen, die gefährlicher sind und schwerer zu behandeln sind als weißer Hautkrebs (z.B. Schlaganfall, Herzinfarkt). Verunsicherte Patienten sollten gemeinsam mit ihrem Hausarzt den individuellen Nutzen gegen das individuelle Risiko abwägen und entscheiden, ob eine Therapieumstellung erfolgen soll. Patienten, die HCT weiterhin als Blutdrucksenker einnehmen, sollten auf einen ausreichenden Hautschutz vor Sonnen- und UV Einstrahlung achten. Bei Patienten, die bereits an weißem Hautkrebs erkrankt sind, sollte gemeinsam mit dem behandelnden Arzt der Einsatz von HCT sorgfältig abgewogen werden.
    Das Thiazid-Diuretikum HCT ist in Deutschland und weltweit zusammen mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS-Blocker) und Calcium-Antagonisten (Calciumkanal-Blocker) ein Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung von Bluthochdruck. HCT wird relativ selten zur Monotherapie eingesetzt. Gut jedes fünfte verordnete Diuretikum enthält HCT als Wirkstoff. Es rangiert als Monopräparat an neunter Stelle aller verschriebenen blutdrucksenkenden Substanzen in Deutschland, hat aber nur einen Marktanteil von knapp 3 % [3]. Häufig ist HCT aber in Zweifach- oder Dreifach-Kombinationspräparaten zur Blutdrucksenkung enthalten, weil es die blutdrucksenkende Wirkung von anderen Wirkstoffen verstärkt.

    „Weißer Hautkrebs ist eine Erkrankung, die, wenn sie früh erkannt wird, sehr risikoarm ist. Das Therapierisiko von HCT und insbesondere von Kombinationspräparaten, die HCT erhalten, stufen wir daher als relativ gering ein, möchten aber die Patienten auffordern, sich regelmäßig einem Hautkrebsscreening zu unterziehen. Bei Patienten, die HCT als Monotherapie erhalten, kann eine Therapieumstellung erwogen werden, sei es auf ein anderes Thiazid-Diuretikum oder auf eine andere blutdrucksenkende Substanzklasse. Nach den aktuellen ESH/ESC-Leitlinien wird zur Initialtherapie neben der Kombination eines RAAS-Blockers mit einem Thiazid-Diuretikum als gleichberechtigte Alternative die Kombination eines RAAS-Blockers mit einem Calciumkanal-Blocker empfohlen. Erst in der nächsten Eskalationsstufe würde dann zu dieser Kombination ein Thiazid-Diuretikum hinzugegeben werden. In Anbetracht der Marktlage, sehen wir auch keine Versorgungsengpässe auf uns zukommen, auch wenn die Mehrzahl der Patienten umgestellt werden möchte bzw. umgestellt werden müsste“, erklärt Prof. Dr. Bernhard K. Krämer, Mannheim, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® | Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention.

    Der Experte führt aus, dass die Patienten keinesfalls die Medikation aus Sorge vor weißem Hautkrebs eigenmächtig absetzen sollen. Die Blutdruckmedikamente einfach wegzulassen, kann gravierende Folgen haben, unbehandelt kann Bluthochdruck zu Schlaganfällen, Herzinfarkten, Nierenversagen oder Demenz führen – und das oft weit früher, als dass sich ein weißer Hautkrebs entwickelt. „Verunsicherte Patienten sollten daher mit ihrem Hausarzt reden und bei Bedarf auf andere Blutdruckmedikamente ausweichen“, erklärt der Experte.

    Laut Ansicht der Deutschen Hochdruckliga muss der vorliegende „Rote-Hand-Brief“ ernst genommen werden, aber es besteht kein Grund für ein überstürztes, unüberlegtes Handeln. „Jedem Patienten bleibt ausreichend Zeit, gemeinsam mit dem Hausarzt den individuellen Nutzen gegen das individuelle Risiko abzuwägen und zu entscheiden, ob eine Therapieumstellung erfolgen soll bzw. auf welche Therapiealternative umgestellt werden kann.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kontakt/Pressestelle:
    Dr. Bettina Albers
    E-Mail: albers@albersconcept.de
    Telefon: 03643/ 776423
    Mobile: 0174/ 2165629


    Originalpublikation:

    [1] https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/DSM/Archiv/2018-62.html
    [2] Pedersen et al., Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case control study from Denmark. J Am Acad Dermatol 2018;78:673-681 bzw. Pottegard A, Hallas J, Olesen M, Svendsen MT, Habel LA, Friedman GD, Friis S. Hydrochlorothiazide use is strongly associated with risk of lip cancer. J Intern Med 2017; 282: 322-331.
    [3] https://www.arzneimittel-atlas.de/arzneimittel/c02c09-mittel-bei-hypertonie/top-...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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