idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.11.2018 11:00

Medizinische Zellkernarchitektur-Diagnose in Reichweite

Dr. Jeanine Müller-Keuker Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin

    Ein neues Verfahren, das die Untersuchung des dreidimensionalen Aufbaus von Krebsgenomen ermöglicht, könnte zur Entwicklung personalisierter Behandlungsstrategien beitragen.

    Forscher des münsterschen Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin und der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster haben ein Verfahren entwickelt, das die Charakterisierung des dreidimensionalen Aufbaus der DNA im Zellkern direkt in Zellen von Patienten erlaubt. Die Forschungen, veröffentlicht in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications vom 29. November 2018, werden zunächst Krankheitsdiagnosen und in der Zukunft auch therapeutische Eingriffe erleichtern.

    Jede Zelle des menschlichen Körpers enthält ein rund zwei Meter langes DNA-Molekül, in dem alle genetischen Informationen verschlüsselt sind. Dieses Molekül muss in einem nur wenige Mikrometer großen Zellkern „verpackt“ sein. Bekannt ist, dass die Organisationsweise der DNA im Zellkern für die normale Entwicklung und Funktion der Zelle sehr wichtig ist, da Mutationen in den Mechanismen, die diesen Prozess steuern, zu Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen wie Krebs führen. Der genaue Zusammenhang zwischen der Genomorganisation und der Krankheit ist derzeit jedoch noch ungeklärt. Bislang fehlte es Wissenschaftlern an einer Möglichkeit, den dreidimensionalen Aufbau des Genoms in kranken Zellen eingehend zu untersuchen.

    In neuen Forschungen haben Wissenschaftler nun eine Machbarkeitsstudie angestellt, die beweist, dass das 3D-Genom direkt in erkrankten Zellen von Patienten untersucht werden kann. Das neue Verfahren namens „Low-C“ dient der Vermessung der dreidimensionalen Genomarchitektur. Durch kleinere Verbesserungen konnten Wissenschaftler die Menge an biologischem Material verringern, die als Voraussetzung für die Experimente entnommen werden muss. Dadurch war es möglich, die räumliche Architektur des Genoms eines diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms zu bestimmen. „Dass wir nun in der Lage sind, die Genomarchitektur derjenigen Zellen zu untersuchen, die Krankheiten verursachen, ist eine spannende Sache. Derzeit wissen wir nämlich noch nicht, wie sich das 3D-Genom in diesen Zellen verändert“, erläutert die Postdoktorandin Dr. Noelia Díaz aus dem Labor Vaquerizas, die den experimentellen Teil des Projekts leitete.

    Anschließend unterzogen die Forscher die vorhandenen Daten einer fortgeschrittenen computergestützten Analyse – mit einigen unerwarteten Ergebnissen. Zunächst entdeckten sie Neuanordnungen des Genoms, d. h. Veränderungen in der normalen Sequenz des menschlichen Erbguts, welche ein wesentliches Merkmal vieler Krebsarten darstellen. Außerdem spürten sie neue und bekannte, für die Krankheit charakteristische Translokationen auf, die dann im Experiment validiert wurden. „Wir waren erleichtert, dass sich unsere rechnerischen Voraussagen im Experiment bestätigten“, so Dr. Kai Kruse. Der Postdoktorand aus dem Labor Vaquerizas führte die computergestützte Datenanalyse durch.

    Fortschritte in der Untersuchung von Krebszellen

    Doch die Daten hielten noch weitere Überraschungen bereit. Als die Wissenschaftler die feinen topologischen Chromatinbereiche (kurze Genomabschnitte, die in kompakte, wollknäuelartige Knoten gefaltet sind) untersuchten, stellten sie fest, dass bei kranken Zellen neue topologische Bereiche gerade in solchen Regionen vorhanden waren, in denen bei gesunden Zellen normalerweise keine solchen Bereiche existieren. „Das war ein überraschender Fund, denn die 3D-Architektur voll entwickelter Zellen galt bisher als weitgehend unveränderlich“, kommentiert Dr. Juanma Vaquerizas, der als Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster das Projekt beaufsichtigte. „Wir konnten beobachten, dass diese neuen strukturellen Bereiche in Regionen mit Genen auftreten, die bekanntermaßen im Zusammenhang mit Krebs und anderen Erkrankungen stehen. Welche Funktion diese neuen Bereiche haben, wissen wir aber noch nicht“, so Vaquerizas weiter.

    Die Wissenschaftler wollen nun ihre Untersuchungen auf weitere Proben ausweiten. So sollen die Auswirkungen von Veränderungen in der dreidimensionalen Genomstruktur auf Krankheiten ermittelt werden. Anwendung sollen diese Informationen letztlich in der Entwicklung personalisierter patientenspezifischer Behandlungsmethoden finden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Juan M Vaquerizas
    Gruppenleiter

    Tel.: +49 251 70365-580
    Fax: +49 251 70365-599
    E-Mail: jmv@mpi-muenster.mpg.de
    Webseite: www.vaquerizaslab.org


    Originalpublikation:

    Noelia Díaz, Kai Kruse, Tabea Erdmann, Annette M. Staiger, German Ott, Georg Lenz, Juan M. Vaquerizas. Chromatin conformation analysis of primary patient tissue using a low input Hi-C method. Nature Communications, 29. November 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-06961-0.


    Weitere Informationen:

    https://www.mpi-muenster.mpg.de/425215/20181122-lowc-vaquerizas


    Bilder

    Darstellung der 3D Struktur des Genoms in Krebs- (über der Diagonale) und gesunden B-Zellen (unter der Diagonale). Bekannte Krebs-assoziierte Gene sind rot hervorgehoben.
    Darstellung der 3D Struktur des Genoms in Krebs- (über der Diagonale) und gesunden B-Zellen (unter d ...
    MPI Münster / Vaquerizas lab
    None

    Das MPI-Team: Noelia Díaz, Kai Kruse und Juanma Vaquerizas
    Das MPI-Team: Noelia Díaz, Kai Kruse und Juanma Vaquerizas
    MPI Münster
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Darstellung der 3D Struktur des Genoms in Krebs- (über der Diagonale) und gesunden B-Zellen (unter der Diagonale). Bekannte Krebs-assoziierte Gene sind rot hervorgehoben.


    Zum Download

    x

    Das MPI-Team: Noelia Díaz, Kai Kruse und Juanma Vaquerizas


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).