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28.02.2019 11:00

Wissenschaftsakademien zeigen Strategien zur nachhaltigen Nutzung von Bioenergie auf

Julika Witte Geschäftsstelle
acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

    Als vielfältigster Energieträger unter den Erneuerbaren kann Bioenergie einen Teil der Klimaschutzlücke schließen. Sie muss dafür jedoch nachhaltiger hergestellt und eingesetzt werden als bisher. Zu diesem Schluss kommt das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) in einer am 28. Februar veröffentlichten Stellungnahme. Bioenergie sollte dazu stärker aus Rest- und Abfallstoffen produziert und vorwiegend zur Kraftstoffproduktion sowie zur Wärmeerzeugung in der Industrie verwendet werden. Parallel sollten neue Klimaschutzoptionen wie CO2-Entnahmetechnologien mit Bioenergie erforscht werden.

    Immer mehr Klimamodelle zeigen, dass es für den Klimaschutz nicht reicht, fossile Energieträger durch Erneuerbare zu ersetzen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Weltklimarat IPCC hält es zusätzlich für erforderlich, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und es zu speichern. Diese Einschätzung teilt das Bundesumweltministerium in seinem aktuellen Entwurf für ein Bundes-Klimaschutzgesetz: Bis 2050 soll ein Gleichgewicht zwischen verbleibenden Treibhausgasemissionen und dem Abbau von Treibhausgasen entstehen. Eine Möglichkeit wäre, bei der Umwandlung von Biomasse in Bioenergie CO2 abzuscheiden und unterirdisch zu lagern (BECCS). Wie der vielseitigste Energieträger unter den Erneuerbaren nachhaltig produziert, systemdienlich genutzt und so zum Klimaschutz beitragen kann, hat eine Arbeitsgruppe des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) untersucht. Die heute veröffentlichte Stellungnahme „Biomasse im Spannungsfeld zwischen Energie- und Klimapolitik – Strategien für eine nachhaltige Bioenergienutzung“ fasst die Handlungsoptionen von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zusammen. Für eine nachhaltige Bioenergienutzung mit einem Beitrag zum Klimaschutz identifizieren die Akademien verschiedene Ansatzpunkte.

    Negative Emissionen als Baustein für den Klimaschutz
    Neben BECCS gibt es weitere Optionen, der Atmosphäre CO2 zu entziehen: von Aufforstung über Biokohle bis zu Direct Air Capture, wobei das CO2 aus der Umgebungsluft aufgenommen wird. Der Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel erklärt, warum die Bundesregierung diese Maßnahmen als Teil der Klimaschutzstrategie mitbedenken sollte: „Ohne der Atmosphäre CO2 zu entnehmen und sogenannte negative Emissionen zu erzeugen, schmälert Deutschland seine Chancen, die Klimaziele zu erreichen. Diese Technologien sollten stärker erforscht werden, um ihren Einsatz sorgfältig bewerten zu können.“ Voraussetzung sei jedoch, dass die umstrittene CCS-Technologie von der Bevölkerung akzeptiert werde. ESYS empfiehlt, eine breite gesellschaftliche Diskussion anzustoßen und dazu alle beteiligten Akteure in einer Plattform zusammenzubringen.

    Mehr Rest- und Abfallstoffe nutzen
    Unabhängig von der CO2-Entnahme kann Bioenergie vielfältig eingesetzt werden. Mit der wachsenden Weltbevölkerung steigen jedoch auch die Nutzungskonflikte um die Landflächen. Hinzu kommen ökologische Folgen einer noch weiter intensivierten Landwirtschaft. Bei Bioenergie aus Waldholz und Agrarrohstoffen besteht das Risiko, dass sie nicht nachhaltig erzeugt wird. Daher sollte Bioenergie vorrangig aus Rest- und Abfallstoffen produziert werden: Bis zum Jahr 2050 könnten diese 13 bis 17 Prozent des Primärenergiebedarfs in Deutschland decken.

    Bioenergie als Kraftstoff und für Prozesswärme
    ESYS schlägt vor, Biomasse dort im Energiesystem zu nutzen, wo andere Erneuerbare an ihre Grenzen stoßen. Denn aus Biomasse lassen sich klimafreundliche Kraftstoffe deutlich effizienter herstellen als mit Wind- und Solarstrom. „Langfristig sollte Bioenergie Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe und Schwertransporter liefern, denn elektrische Antriebe kommen dafür nicht infrage. Ein zweites sinnvolles Einsatzgebiet sind Industrieanlagen, die eine hohe Prozesswärme benötigen – Bioenergieträger ermöglichen diese hohen Temperaturen“, erklärt Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und vom Deutschen Biomasseforschungszentrum, die zusammen mit Gernot Klepper die ESYS-Arbeitsgruppe geleitet hat.

    CO2-Preis als Steuerungsinstrument
    Um eine möglichst klimafreundliche Herstellung und Nutzung von Bioenergie anzureizen, schlägt ESYS vor, einen einheitlichen, ausreichend hohen CO2-Preis als Steuerungsinstrument zu etablieren. Idealerweise sollte er alle Treibhausgase in allen Wirtschaftssektoren umfassen – auch die Emissionen aus der Landwirtschaft. Solange es keinen globalen CO2-Preis gibt, kann eine Zertifizierung bei Biomasseimporten dazu beitragen, dass CO2-Mindesteinsparungen und weitere Nachhaltigkeitskriterien erreicht werden. Um die globale Entwaldung einzudämmen, müssten solche Vorgaben allerdings nicht nur für Bioenergie, sondern für alle land- und forstwirtschaftlichen Produkte gelten.

    Die Stellungnahme sowie die begleitende Analyse und Materialien sind abrufbar unter www.energiesysteme-zukunft.de/publikationen. Die Ergebnisse werden heute in Berlin vorgestellt und mit Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft diskutiert.

    Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften unterstützen Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftsbasiert bei der Beantwortung von Zukunftsfragen zu aktuellen Themen. Die Akademiemitglieder und weitere Experten sind namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. In interdisziplinären Arbeitsgruppen erarbeiten sie Stellungnahmen, die nach externer Begutachtung vom Ständigen Ausschuss der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina verabschiedet und anschließend in der Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung veröffentlicht werden.

    Für die gemeinsame Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) hat acatech die Federführung übernommen. Im Akademienprojekt erarbeiten mehr als 100 Energiefachleute aus Wissenschaft und Forschung Handlungsoptionen zur Umsetzung einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Julika Witte, Teamleiterin Kommunikation
    acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften | Geschäftsstelle „Energiesysteme der Zukunft“
    Tel.: +49 (0)30 2 06 79 57-29
    witte@acatech.de

    Weitere Ansprechpartnerinnen:
    Caroline Wichmann, Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
    Tel.: +49 (0)345 472 39-800
    presse@leopoldina.org

    Dr. Annette Schaefgen, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Union der deutschen Akademien der Wissenschaften
    Tel.: +49 (0)30 325 98 73-70
    schaefgen@akademienunion-berlin.de


    Originalpublikation:

    https://energiesysteme-zukunft.de/publikationen/


    Weitere Informationen:

    http://www.energiesysteme-zukunft.de/de/presse/meldung/stellungnahme-bioenergie/
    http://www.acatech.de
    http://www.leopoldina.org/de
    http://www.akademienunion.de


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Grafik "Wie kann Bioenergie im zukünftigen Energiesystem genutzt werden?"

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Energie, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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