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21.03.2019 14:41

Forscher machen ein gefährliches Bakterientoxin unwirksam

Jan Meßerschmidt Presse- und Informationsstelle
Universität Greifswald

    Mit der zunehmenden Antibiotika-Resistenz werden alternative Verfahren zur Behandlung bakterieller Infektionen immer notwendiger. Forschenden der Universität Greifswald ist es in Zusammenarbeit mit der Universität Münster gelungen, Zielzellen pathogener Bakterien enzymatisch so vorzubehandeln, dass eine bedeutende toxische Wirkung des Bakteriums Staphylococcus aureus ausblieb. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Physiologie und Biochemie der Tiere des Zoologischen Instituts wurden Ende Februar 2019 in der Fachzeitschrift Toxins (DOI 10.3390/toxins11020126) veröffentlicht.

    Jede dritte Person weltweit trägt das Bakterium Staphylococcus aureus ständig auf der Haut und im vorderen Nasenraum mit sich herum ohne davon etwas zu bemerken. Die Bakterien nutzen allerdings Abwehrschwächen, beispielsweise durch Alter, Bettlägerigkeit oder Virusinfekt, um sich schneller zu vermehren. Dadurch können sie pathogen werden und neben oberflächlichen Furunkeln oder Abszessen auch Infektionen im Körperinneren wie Herzinnenhautentzündung, Lungenentzündung etc. verursachen. Überschreiten die Bakterien lokal im Körper eines Wirtes (Mensch oder Tier) eine kritische Bakteriendichte, beginnen sie mit der Produktion löslicher Toxine, die im Wirtsgewebe physiologische Veränderungen oder sogar den Zelltod auslösen können.

    Eines der bedeutenden Toxine von S. aureus ist das sogenannte alpha-Toxin. Es kann Blutzellen zerstören und wird daher auch Hämolysin A genannt. Das alpha-Toxin trägt erheblich zur Pathogenität des Bakteriums bei, so dass es als einer der wichtigsten Virulenzfaktoren von S. aureus gilt. Der Wirkmechanismus des alpha-Toxins beruht dabei auf der Bildung von Transmembranporen in den Oberflächen der Wirtszellen, den sogenannten Zellmembranen. Die dadurch entstehende offene Verbindung zwischen Extra- und Intrazellularraum erlaubt es Ionen und kleinen organischen Molekülen, ihren Konzentrationsgefällen zu folgen und unkontrolliert in die Zelle einzuströmen oder aus der Zelle auszutreten. Damit verbunden sind erhebliche zellphysiologische Probleme. Zum Beispiel können epitheliale Zellen ihre Barrierefunktion zwischen Umwelt und Körperinnerem nicht mehr vollumfänglich ausüben.

    Wissenschaftler der Universität Greifswald um Dr. Sabine Ziesemer und Prof. Dr. Jan-Peter Hildebrandt in Kooperation mit einem Kollegen der HNO-Klinik am Universitätsklinikum Münster, PD Dr. Achim G. Beule, suchen daher nach Wegen, die Wirkung des alpha-Toxins auf Zielzellen zu unterdrücken. Da S. aureus auch an der Entstehung von Lungenentzündungen (Pneumonien) beteiligt ist, nutzen die Forscher Kulturen menschlicher Atemwegsepithelzellen als Modellsysteme. Anhand dieser Modellsysteme untersuchen sie, wie das alpha-Toxin auf die Struktur und Funktion der Zellen wirkt, mit dem Ziel, mögliche Angriffspunkte für eine abschwächende Wirkung des Toxins zu finden.

    Die kürzlich in der Fachzeitschrift Toxins publizierten Ergebnisse zeigen, dass ein bestimmter Lipid-Bestandteil der Zelloberfläche, das sogenannte Sphingomyelin, für den Zusammenbau und damit für die Bildung der alpha-Toxin-Pore essentiell ist. Die Forscher haben dieses Membranlipid mit einem Enzym (einer Sphingomyelinase) chemisch modifiziert und festgestellt, dass sich in den Zellmembranen der anschließend mit alpha-Toxin behandelten Zellen keine Toxin-Poren mehr ausbildeten. Und nachfolgend blieben auch alle sonst üblichen zytotoxischen Wirkungen des alpha-Toxins auf die Atemwegsepithelzellen aus.

    Angesichts der global zunehmenden Resistenz vieler Staphylococcus-Stämme gegen Antibiotika (MRSA, Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme) und dem Rückzug vieler Pharma-Konzerne aus der kostenintensiven Antibiotika-Forschung werden alternative Verfahren zur Beherrschung bakterieller Infektionen immer notwendiger. Die hier behandelten Grundlagenforschungsbefunde zeigen einen Ansatz, wie durch präventive Maßnahmen die durch das alpha-Toxin vermittelte pathogene Wirkung von S. aureus verhindert werden kann.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jan-Peter Hildebrandt
    Universität Greifswald
    Zoologisches Institut und Museum
    AG Physiologie und Biochemie der Tiere
    Felix Hausdorff-Straße 1, 17489 Greifswald
    Telefon 03834 420 4295
    jph@uni-greifswald.de
    www.uni-greifswald.de


    Originalpublikation:

    Sabine Ziesemer, Nils Möller, Andreas Nitsch, Christian Müller, Achim G. Beule, Jan-Peter Hildebrandt (2019) Sphingomyelin depletion from plasma membranes of human airway epithelial cells completely abrogates the deleterious actions of S. aureus alpha-toxin. Toxins 11, 2, 126 (DOI 10.3390/toxins11020126)
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30791542

    Die Open-Access-Publikationskosten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, 393148499) und den Open-Access-Publikationsfonds der Universität Greifswald.


    Bilder

    Die Wirkung der enzymatischen Vorbehandlung der Zellen auf die Porenbildung durch alpha-Toxin
    Die Wirkung der enzymatischen Vorbehandlung der Zellen auf die Porenbildung durch alpha-Toxin
    Jan-Peter Hildebrandt
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Wirkung der enzymatischen Vorbehandlung der Zellen auf die Porenbildung durch alpha-Toxin


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