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22.03.2019 11:30

Phase-III-Studien zu Aducanumab, einem vielversprechenden Alzheimermedikament, abgebrochen

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    22.03.19 – Auch wenn die Hoffnung auf eine wirksame Alzheimer-Therapie in naher Zukunft zerschlagen wurde, sind Experten der DGN optimistisch, dass der Kampf gegen Alzheimer gewonnen werden kann. Die Forschung habe in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht. Mehrere andere Wirkstoffe – Antikörper wie small molecules – werden derzeit klinisch getestet. Wichtig sei angesichts einer weiter steigenden Prävalenz der Erkrankung, die Alzheimer-Forschung forciert zu fördern und breit aufzustellen.

    Am 21.03.2019 gab die Firma Biogen bekannt, die Phase-III-Studien zu Aducanumab einzustellen. Eine Zwischenauswertung hatte ergeben, dass die Studien (ENGAGE und EMERGE) ihren primären Endpunkt höchstwahrscheinlich nicht erreichen werden. Der Hersteller entschied sich daher zum Abbruch der Studien, die die Sicherheit und Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit im frühen Stadium untersuchen sollten. Primärer Endpunkt beider placebokontrollierten Studien war die Wirksamkeit der monatlichen Gabe von Aducanumab im Hinblick auf die Verlangsamung des kognitiven und funktionellen Abbaus, erhoben anhand eines speziellen Scores, dem „Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes“ (CDR-SB)-Score.

    „Für die Alzheimer-Forschung ist das ein herber Rückschlag, da es sich um ein bis dato vielversprechendes Medikament handelt, das bei positivem Verlauf bereits 2023 auf dem Markt verfügbar gewesen wäre. Angesichts der steigenden Prävalenz von Menschen mit Demenzerkrankung ist die Dringlichkeit, wirksame Therapien zu entwickeln, natürlich besonders hoch“, erklärt Prof. Dr. Richard Dodel, Neurologe an der Universität Duisburg-Essen.
    Aducanumab war auch daher so interessant, weil es nicht nur – wie viele andere Wirkstoffe, die sich in der klinischen Prüfung befinden – ein Medikament zur reinen Alzheimer-Prophylaxe gewesen wäre, sondern ein Therapeutikum für Alzheimer-Frühstadien. Es bindet lösliche Oligomere und Ablagerungen von fibrillärem Aβ und weist eine hohe ZNS-Penetration auf. Die Ergebnisse der PRIME-Studie [1], einer Phase-II-Erhebung, die 2016 im renommierten Journal `Nature´ publiziert worden war, hatten darauf hingedeutet, dass es auf diese Weise das Fortschreiten der neurokognitiven Defizite erfolgreich verlangsamen kann.

    „Es ist keine Seltenheit, dass Phase-III-Studien negative Ergebnisse bringen, obwohl die Vorstudien vielversprechend waren“, erklärt Prof. Dodel. „Das zeigt, wie wichtig es ist, vor der Zulassung alle Phasen der klinischen Prüfung sorgfältig zu durchlaufen. Der Forschungsfortschritt wird immer auch von Rückschlägen wie diesem begleitet, die aber letztlich auch wieder zu neuen Erkenntnissen beitragen. Da die Studiendaten noch nicht veröffentlicht sind, lässt sich derzeit nur spekulieren, warum das Medikament nicht ausreichend wirksam war. So frustrierend es auch ist, die Hoffnung auf eine wirksame Therapie in greifbarer Zukunft aufgeben zu müssen, so werden uns diese Daten doch weiterbringen. Forschung besteht immer auch aus `trial and error´“, so der Experte der DGN.

    Alzheimer-Experten diskutieren momentan die Ursachen für die negativen Ergebnisse der Studie. Unter anderem werden drei Hypothesen aufgeführt: Möglicherweise war die Alzheimer-Erkrankung in der Studienpopulation bereits zu fortgeschritten und der Antikörper sei nur in früheren Stadien wirksam, möglicherweise stimmt die Hypothese nicht, dass Alzheimer-Symptome tatsächlich durch die Amyloid-Ablagerungen, die alle Patienten aufweisen, ausgelöst werden, oder drittens, Aducanumab baut nicht die Hauptform von Amyloid ab und sei damit nur eine „smoking gun“.

    „Die Offenlegung der Daten wird zeigen, welche der Hypothesen sich bestätigt und wir werden daraus lernen und diese Erkenntnisse für weitere Forschungsaktivitäten nutzen. Derzeit befinden sich mehr als 30 Medikamente gegen Alzheimer in der Testung, mit ganz unterschiedlichen Therapietargets. Auch wenn die Hoffnung auf eine schnelle Lösung nun zerschlagen wurde, sind meine Kollegen und ich zuversichtlich, dass wir den Kampf gegen Alzheimer gewinnen werden. Die Forschung hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht. Wichtig ist, die Alzheimer-Forschung nun forciert zu fördern und breit aufzustellen, um schnell ans Ziel zu gelangen“, erklärt Prof. Dodel abschließend.

    Literatur
    [1] Sevigny J, Chiao P, Bussière T et al. The antibody aducanumab reduces Aβ plaques in Alzheimer's disease. Nature. 2016 Sep 1; 537 (7618): 50-6. doi: 10.1038/nature19323.

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 9500 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Past-Präsident: Prof. Dr. Gereon R. Fink
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dgn.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
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    Medizin
    überregional
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    Deutsch


     

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