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17.07.2019 19:10

Krebsstammzellen für das Immunsystem sichtbar machen –

Dr. Sibylle Kohlstädt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Ergebnisse könnten neues Behandlungskonzept gegen Leukämie ermöglichen

    gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) und des Universitätsklinikums Tübingen

    Leukämie-Stammzellen schützen sich vor der Immunabwehr, indem sie ein Zielmolekül der Killerzellen von ihrer Oberfläche verschwinden lassen. Doch dieser Schutzmechanismus lässt sich mit Medikamenten überwinden. Welche neuen Therapieansätze sich daraus möglicherweise ableiten lassen, beschreiben Wissenschaftler aus Basel, Tübingen und Heidelberg in der Fachzeitschrift «Nature».

    Bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) kommt es nach zunächst scheinbar erfolgreicher Behandlung häufig zu Rückfällen. Dafür mitverantwortlich sind Leukämie-Stammzellen, die die Therapie überlebt haben. Wissenschaftler können dies teilweise erklären: Die Stammzellen verfügen über Schutzmechanismen, die sie gegen Chemotherapie resistent machen. Doch wie gelingt es ihnen, auch der Immunabwehr zu entkommen?

    Das hat nun ein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Basel und Tübingen, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), dem Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine (HI-STEM)* und dem Deutschen Krebskonsortium (DKTK) untersucht und dabei einen überraschenden Mechanismus entdeckt.

    Die Forscher analysierten Leukämiezellen von 177 AML-Patienten und fanden heraus: Die Krebsstammzellen unterdrücken auf ihrer Oberfläche die NKG2D-L Proteine. An diesen Eiweißstrukturen erkennen die zum Immunsystem zählenden natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) normalerweise, ob eine Zelle beschädigt, infiziert oder zu Krebs mutiert ist und können sie dann gegebenenfalls abtöten. Durch das Fehlen von NKG2D-L entgehen die Leukämie-Stammzellen der Vernichtung durch das Immunsystem. Leukämie-Zellen ohne Stammzelleigenschaften dagegen präsentieren diese Zielmoleküle auf ihrer Oberfläche und werden daher von den NK-Zellen in Schach gehalten.

    An Mäusen, denen AML-Zellen von Patienten übertragen worden waren, zeigten die Forscher: Während die normalen AML-Zellen (ohne Stammzelleigenschaften) von den NK-Zellen im Zaum gehalten wurden, entkamen die NKG2D-L-negativen Leukämie-Stammzellen dem Killerkommando. „Ein solcher Zusammenhang zwischen Stammzell-Eigenschaften und der Fähigkeit, dem Immunsystem zu entkommen, war bislang nicht bekannt“, sagt Claudia Lengerke vom Universitätsspital Basel und von der Universität Basel. „Ein wesentlicher Mechanismus dieser selektiven Immunresistenz in Stammzellen ist offenbar die Unterdrückung von Gefahrensignalen wie den NKG2D-L-Proteinen auf der Zelloberfläche“, ergänzt Helmut Salih vom Universitätsklinikum Tübingen und vom Deutschen Krebskonsortium (DKTK).

    Was steckt hinter diesem außergewöhnlichen Schutzmechanismus? Den Wissenschaftlern fiel auf, dass die Leukämie-Stammzellen besonders viel PARP1 bilden, ein Enzym, das offenbar die NKG2D-L-Produktion blockiert. Dass PARP1 tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Immunflucht spielt, zeigten abermals präklinische Versuche mit Mäusen, denen menschliche Leukämiezellen übertragen worden waren: Wurden diese Tiere mit Medikamenten behandelt, die PARP1 hemmen, bildeten die Leukämie-Stammzellen wieder NKG2D-L auf ihrer Oberfläche – und wurden daraufhin von ebenfalls transferierten menschlichen NK-Zellen erkannt und eliminiert.

    Krebstherapien, die das Immunsystem einbeziehen, werden seit vielen Jahren in Form der allogenen Stammzelltransplantation bei AML-Patienten in bestimmten Erkrankungssituationen erfolgreich angewendet. In den letzten Jahren sind weitere neuartige immuntherapeutische Ansätze entwickelt worden, die derzeit klinisch geprüft werden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie die Krebsstammzellen das Immunsystem raffiniert austricksen. Die Aufklärung des dahinterstehenden Mechanismus ermöglicht es nun, zum Gegenschlag auszuholen“, sagt Andreas Trumpp, Deutsches Krebsforschungszentrum und HI-STEM.

    Aus den Ergebnissen leitet sich die Möglichkeit ab, bösartige Leukämiestammzellen durch die Kombination von PARP-Inhibitoren mit aktiven NK-Zellen zu bekämpfen: Diesen Ansatz planen die beteiligten Wissenschaftler nun in einer klinischen Studie zu evaluieren.

    An der nun in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlichten Arbeit waren federführend beteiligt: Claudia Lengerke (Departement Biomedizin und Klinik für Hämatologie an der Universität und am Universitätsspital Basel), Helmut Salih (Universität Tübingen und Deutsches Krebskonsortium (DKTK) und Andreas Trumpp (Deutsches Krebsforschungszentrum, HI-STEM und DKTK).

    *Das Heidelberg Institute for Stem Cell Technology and Experimental Medicine (HI-STEM) gGmbH wurde 2008 als Public-Private-Partnership vom DKFZ und der Dietmar Hopp Stiftung gegründet.

    Anna M. Paczulla, Kathrin Rothfelder, Simon Raffel, Martina Konantz, Julia Steinbacher, Hui Wang, Claudia Tandler, Marcelle Mbarga, Thorsten Schaefer, Mattia Falcone, Eva Nievergall, Daniela Dörfel, Pauline Hanns, Jakob R. Passweg, Christoph Lutz, Juerg Schwaller, Robert Zeiser, Bruce R. Blazar, Michael A. Caligiuri, Stephan Dirnhofer, Pontus Lundberg, Lothar Kanz, Leticia Quintanilla-Martinez, Alexander Steinle, Andreas Trumpp, Helmut R. Salih, Claudia Lengerke: Absence of NKG2D ligands defines leukaemia stem cells and mediates their immune evasion.
    Nature 2019, DOI: 10.1038/s41586-019-1410-1

    Ein Bild steht zum Download zur Verfügung unter: https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2019/bilder/nk-v2-quer.jpg

    BU: Natürliche Killerzellen (rot) greifen gewöhnliche Leukämiezellen (grün) an. Leukämie-Stammzellen (blau) dagegen unterdrücken das Erkennungsmerkmal NKG2DL auf ihrer Oberfläche und entgehen so dem Immunangriff.

    Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
    Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Bitte geben Sie als Bildnachweis an: „Quelle: Schürch/Lengerke, Universität und Universitätsspital Basel“. Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
    Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
    Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist eine gemeinsame, langfristige Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der beteiligten Bundesländer und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und wurde als eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZGs) gegründet. Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten und Kliniken in Deutschland. Mit dem DKFZ kooperieren Forschungseinrichtungen und Kliniken an Standorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, Heidelberg, München und Tübingen, um optimale Bedingungen für die kliniknahe Krebsforschung zu schaffen. Das Konsortium fördert interdisziplinäre Forschungsthemen an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Klinik, sowie klinische Studien zu innovativen Therapie- und Diagnoseverfahren. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Aufbau von Forschungsplattformen, um den Einsatz personalisierter Krebstherapien zu beschleunigen und die Diagnose und Prävention von Krebserkrankungen zu verbessern.

    1805 gegründet, gehört das Tübinger Universitätsklinikum zu den führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Als eines der 33 Universitätsklinika in Deutschland trägt es zum erfolgreichen Verbund von Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre bei.
    Weit über 400 000 stationäre und ambulante Patienten aus aller Welt profitieren jährlich von dieser Verbindung aus Wissenschaft und Praxis. Die Kliniken, Institute und Zentren vereinen alle Spezialisten unter einem Dach. Die Experten arbeiten fachübergreifend zusammen und bieten jedem Patienten die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für bessere Diagnosen, Therapien und Heilungschancen, viele neue Behandlungsmethoden werden hier klinisch erprobt und angewandt.
    Neurowissenschaften, Onkologie und Immunologie, Infektionsforschung und Vaskuläre Medizin mit Diabetes-Forschung sind Forschungsschwerpunkte in Tübingen. Das Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung verlässlicher Partner. https://www.medizin.uni-tuebingen.de

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Sibylle Kohlstädt
    Pressesprecherin
    Kommunikation und Marketing
    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
    69120 Heidelberg
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    E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
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    Dr. Alexandra Moosmann
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
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    www.dktk.org

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    claudia.loewe@med.uni-tuebingen.de
    www.medizin.uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Anna M. Paczulla, Kathrin Rothfelder, Simon Raffel, Martina Konantz, Julia Steinbacher, Hui Wang, Claudia Tandler, Marcelle Mbarga, Thorsten Schaefer, Mattia Falcone, Eva Nievergall, Daniela Dörfel, Pauline Hanns, Jakob R. Passweg, Christoph Lutz, Juerg Schwaller, Robert Zeiser, Bruce R. Blazar, Michael A. Caligiuri, Stephan Dirnhofer, Pontus Lundberg, Lothar Kanz, Leticia Quintanilla-Martinez, Alexander Steinle, Andreas Trumpp, Helmut R. Salih, Claudia Lengerke: Absence of NKG2D ligands defines leukaemia stem cells and mediates their immune evasion.
    Nature 2019, DOI: 10.1038/s41586-019-1410-1


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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