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09.09.2019 21:00

Vogelgezwitscher besteht aus kombinierten Lauten

Kurt Bodenmüller Kommunikation
Universität Zürich

    Die Rufe des Rotscheitelsäblers sind – ähnlich wie Wörter in der menschlichen Sprache – aus kleineren, bedeutungslosen Lauten aufgebaut. Dies zeigt ein internationales Team unter der Leitung der Universität Zürich. Die Forschenden analysierten Rufe des australischen Singvogels und identifizierten Bausteine seines Kommunikationssystems, die je nach Kombination eine spezifische Bedeutung erzeugen.

    Eine der wichtigsten Eigenschaften der menschlichen Sprache ist, bedeutungslose Laute in Signale – sprich: Wörter – zusammenzusetzen, die Bedeutung tragen. Ob Tiere diese kombinatorische Fähigkeit ebenfalls besitzen, war bisher unklar. Grund dafür waren insbesondere methodische Schwierigkeiten, wie und ob Tierrufe ebenfalls in kleinere, bedeutungslose Bausteine zerlegt werden können. Wissenschaftler der Universitäten Zürich, Exeter, Warwick, Macquarie und New South Wales gingen dieser Frage nach und untersuchten die Rufe des Rotscheitelsäblers (Pomatostomus ruficeps) – einem Vogel, der im australischen Outback in sozialen Gruppen lebt.

    Bedeutungstragende Rufe bestehen aus bedeutungslosen Lauten

    Bisherige Studien weisen darauf hin, dass bestimmte Rufe des Rotscheitelsäblers aus zwei unterschiedlichen Lauten zusammengesetzt sind: «A» und «B». Je nach Verhalten scheinen die Vögel diese in einer bestimmten Reihenfolge zu kombinieren. So erzeugten die Singvögel «AB»-Flugrufe, wenn sie sich fliegend fortbewegten und «BAB»-Fütterungsrufe, wenn sie den Nachwuchs im Nest mit Nahrung versorgten. Die Forschenden wandten nun Playback-Experimente an, wie sie auch bei Menschen zur Unterscheidung von Sprache und Lauten eingesetzt werden. Mit dieser Methode wird unter anderem untersucht, wie Kleinkinder Sprachelemente wahrnehmen.

    Durch systematisches Vergleichen testeten die Wissenschaftler, welche der Elemente von den Vögeln als unterschiedliche bzw. als gleiche Laute wahrgenommen werden. «Wir konnten so bestätigen, dass die Rufe in zwei wahrnehmbare Laute aufgeteilt werden können, die in unterschiedlichen Anordnungen über beide Rufe hinweg verwendet werden», erklärt Sabrina Engesser vom Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Zürich. Zudem würde keiner der Laute für die Vögel relevante Information übermitteln, was bestätige, dass die einzelnen Bausteine an sich bedeutungslos seien, so die Erstautorin der Studie.

    «Diese kombinatorische Fähigkeit erinnert an die Art und Weise, wie wir Menschen bedeutungsvolle Wörter aus kleineren Silben formen», sagt Mitautor Andy Russell von der Universität Exeter. Die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie gibt somit Einblicke, wie sich das hochentwickelte kombinatorische Lautsystem der menschlichen Sprache in frühen Phasen entwickelt haben könnte.

    Die Evolution der Kommunikation verstehen

    Letztautor Simon Townsend, Professor an den Universitäten Zürich und Warwick, ergänzt: «Es ist das erste Mal, dass Bausteine, die wenn kombiniert eine Bedeutung erzeugen, in einem nichtmenschlichen Kommunikationssystem experimental nachgewiesen werden konnten.» Die kombinierten Elemente und daraus erzeugten Rufe des Rotscheitelsäblers seien zwar sehr einfach, so Townsend, aber diese würden uns helfen zu verstehen, wie kombinatorische Fähigkeiten in der menschlichen Sprache entstanden sein könnten.

    Dass Tiere in der Lage sind, Bedeutung durch bedeutungslose Bausteine zu generieren, könnte gemäss der Studie im Tierreich weiter verbreitet sein als angenommen. Laut den Autoren bestehen jedoch beträchtliche Unterschiede zwischen solch rudimentären kombinatorischen Systemen bei Tieren und der Art, wie Menschen Wörter generieren. Dennoch dürfte die Suche nach akustisch unterscheidbaren Lauten, die bedeutungsvolle Tierrufe erzeugen, ein vielversprechender Ansatz sein, um die Elemente nichtmenschlicher Kommunikationssysteme zu untersuchen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Simon W. Townsend
    Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft
    Universität Zürich
    Tel. CH: +41 44 634 02 11
    Tel. UK: +44 7464 785 744
    E-Mail: simonwilliam.townsend@uzh.ch

    Dr. Sabrina Engesser
    Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 634 02 23
    E-Mail: sabrina.engesser@uzh.ch

    Prof. Dr. Andrew Russell
    College of Life and Environmental Sciences
    University of Exeter
    Tel. +44 13 26 25 59 36
    E-Mail: a.russell@exeter.ac.uk


    Originalpublikation:

    Sabrina Engesser, Jennifer Holub, Louis O'Neill, Andrew Russell, Simon Townsend. Chestnut-crowned babbler calls are composed of meaningless shared building blocks. PNAS. September 9, 2019. DOI: 10.1073/pnas.1819513116


    Bilder

    Der in der Studie untersuchte Rotscheitelsäbler lebt im australischen Outback.
    Der in der Studie untersuchte Rotscheitelsäbler lebt im australischen Outback.
    Niall Stopford
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der in der Studie untersuchte Rotscheitelsäbler lebt im australischen Outback.


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