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14.05.2020 08:24

Wie aus einer Minze Katzenminze wurde

Angela Overmeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

    Katzenminze ist für ihre berauschende Wirkung auf Katzen bekannt. Dafür verantwortlich ist der Duftstoff Nepetalacton, ein flüchtiges Iridoid. Ein internationales Forschungsteam fand jetzt mittels Genomanalysen heraus, dass die Fähigkeit, Iridoide zu bilden, bei den Vorfahren der Katzenminzen im Laufe der Evolution schon verloren gegangen war. Die Nepetalacton-Biosynthese in der Katzenminze ist also das Resultat einer „wiederholten Evolution“, allerdings mit dem Unterschied, dass sich dieses besondere Iridoid in der chemischen Struktur und den Eigenschaften sowie seiner ökologischen Funktion von anderen chemischen Verbindungen aus dieser Naturstoffgruppe grundlegend unterscheidet

    Iridoide sind sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Terpene. Viele Pflanzen bilden diese Stoffe, um sich gegen Fressfeinde zu wehren und vor Krankheitserregern zu schützen, darunter auch sehr viele Arten aus der Pflanzenfamilie der Lippenblütler (Lamiaceae). Bei den Vorfahren einer besonders artenreichen Unterfamilie dieser Lippenblütler, den Nepetoideae, zu der viele bekannte Kräuter, wie Basilikum, Oregano, Rosmarin, Zitronenmelisse und Minze, gehören, ist die Fähigkeit zur Produktion von Iridoiden im Laufe der Evolution verloren gegangen. Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme: Die Gattung Nepeta, auch Katzenminze genannt. Denn diese Pflanzen bilden Iridoide, darunter eine ganz besondere Form: Nepetalacton, eine flüchtige Substanz, die dafür bekannt ist, dass sie Katzen in Euphorie versetzt. Ihre eigentliche Funktion besteht aber vermutlich darin, Schädlinge zu vertreiben, die an der Katzenminze fressen möchten.

    Ein internationales Team von Forschern unter der Leitung von Sarah O’Connor, Direktorin der Abteilung Naturstoffbiosynthese am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, ist jetzt der Frage nachgegangen, wie und warum die Katzenminze Nepetalacton herstellt und wie die Biosynthesewege für diese einzigartigen chemischen Moleküle im Laufe der Evolution entstanden sind. Dafür sequenzierten sie das Genom der Katzenminze. „Wir entdeckten eine Reihe ungewöhnlicher Enzyme, die an der Bildung von Nepetalacton-Molekülen beteiligt sind. Diese Enzyme kommen in keiner anderen verwandten Gattung aus der Nepetoideae-Familie vor, sie sind also nur in der Katzenminze entstanden. Als wir zum ersten Mal das komplette Genom der Katzenminze sahen, bemerkten wir zu unserer Überraschung, dass die Gene, die wir im Verdacht hatten, für die Bildung von Nepetalacton verantwortlich zu sein, nebeneinander im Genom liegen. Dadurch konnten wir das Rätsel leichter lösen“, erläutert Benjamin Lichman vom Centre for Novel Agricultural Products der Universität York, der auch der Erstautor der Studie ist.

    Wiederholte Evolution

    Für ihre Studie verglichen die Forscher das Genom zweier Arten der Katzenminze, die beide Nepetalacton bilden, mit dem der nahe verwandten Heilpflanze Ysop (Hyssopus officinalis), die weder Nepetalacton, noch andere Iridoide produzieren kann. Dieser vergleichende Ansatz, die Nachbildung des Erbguts von Vorfahren der Katzenminze sowie umfassende Stammbaum-Analysen ermöglichte es den Wissenschaftlern, die zeitliche Abfolge der Ereignisse, die zur Entstehung der Nepetalacton-Biosynthese führten, darzulegen. Sie konnten zeigen, wie es erst zum Verlust und dann zur wiederholten Evolution der Iridoid-Biosynthese in der Katzenminze kam. Die neuen Entdeckungen liefern umfassende Einblicke in die Mechanismen der Evolution neuartiger Pflanzenstoffe und deren Vielfalt. Das besondere an der Nepetalacton-Biosynthese ist, dass sie als Gencluster abgebildet wird, also als Gruppe ähnlicher Gene, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft im Genom befinden. Indem die Forscher dieses Cluster anschauten und auch „Genfossilien“ und wiederhergestellte Ur-Enzyme in ihre Betrachtungen einbezogen, konnten sie wichtige Schritte zur Bildung dieses Clusters aufdecken. Ähnliche Schritte führen auch in anderen Pflanzen zur Evolution dieser ungeheuren Vielfalt an pflanzlichen Stoffwechselprodukten.

    „Die Katzenminze ist für die Erforschung solcher Prozesse ein wunderbares Modell. Wir wollen jetzt versuchen, die in der Katzenminze enthaltenen Substanzen zu modifizieren. Damit möchten wir herausfinden, ob wir wirklich alle Aspekte der Biosynthese sowie die ökologischen Funktionen von Nepetalacton verstanden haben. Dies wiederum wird uns dabei helfen zu ermitteln, welcher Selektionsdruck zum Verlust und zur erneuten Entstehung der Iridoid-Biosynthese geführt hat. Dafür schauen wir uns auch weitere Pflanzen der Gattung Nepeta an, die andere ungewöhnliche Iridoide produzieren“, sagt Sarah O’Connor im Hinblick auf die weiteren Forschungspläne. Die Studienleiterin ist seit einem Jahr Direktorin und Leiterin der Abteilung Naturstoffbiosynthese am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Der Schwerpunkt ihrer Forschung ist die Biosynthese von pflanzlichen Stoffwechselprodukten, die nicht nur von ökologischer Bedeutung sind, sondern auch für medizinische Zwecke genutzt werden können. Dafür möchte sie verstehen, wie und warum Pflanzen über so komplexe chemische Reaktionen eine solche Vielfalt an Molekülen hervorgebracht haben: „Pflanzen sind in der Lage, ständig neue chemische Stoffe zu bilden. Mit unserer Forschung möchten wir Momentaufnahmen dieser Evolution in Aktion machen“.

    Die aktuelle Studie wurde im Rahmen des Mint Genome Project (gefördert durch die National Science Foundation) unter der Leitung von C. Robin Buell, Michigan State University, ermöglicht.

    Kontakt und Medienanfragen:
    Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07745 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail overmeyer@ice.mpg.de

    Download von Videos und hochaufgelösten Fotos über http://www.ice.mpg.de/ext/downloads2020.html


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sarah E. O‘Connor, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena. Tel. +49 3641 57-1200, E-Mail oconnor@ice.mpg.de

    Dr. Benjamin Lichman, Centre for Novel Agricultural Products at the University of York, UK, E-Mail benjamin.lichman@york.ac.uk


    Originalpublikation:

    Lichman, B. R., Godden, G. T., Hamilton, J. P., Palmer, L., Kamileen, M. O., Zhao, D., Vaillancourt, B., Wood, J. C., Sun, M., Kinser, T. J., Henry, L. K., Rodriguez-Lopez, C., Dudareva, N., Soltis, D. E., Soltis, P. S., Buell, C. R., O’Connor, S. E. (2020). The evolutionary origins of the cat attractant nepetalactone in catnip. Science Advances, 6: eaba0721, DOI: 10.1126/sciadv.aba0721
    https://doi.org/10.1126/sciadv.aba0721


    Weitere Informationen:

    http://www.ice.mpg.de/ext/index.php?id=natural-product-biosynthesis&L=1 Abteilung Naturstoffbiosynthese
    http://mints.plantbiology.msu.edu/ Mint Genome Project:


    Bilder

    Die Katzenminze gibt den Duftstoff Nepetalacton ab, der bei bei geschlechtsreifen Katzen eine Art Rausch auslöst: Riechen die Katzen an den Pflanzen, werden sie regelrecht „high“, wälzen sich am Boden und zeigen ungewöhnlich verspielte Verhaltensweisen.
    Die Katzenminze gibt den Duftstoff Nepetalacton ab, der bei bei geschlechtsreifen Katzen eine Art Ra ...
    Phil Robinson
    Phil Robinson, John Innes Centre, Norwich, Großbritannien


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Katzenminze gibt den Duftstoff Nepetalacton ab, der bei bei geschlechtsreifen Katzen eine Art Rausch auslöst: Riechen die Katzen an den Pflanzen, werden sie regelrecht „high“, wälzen sich am Boden und zeigen ungewöhnlich verspielte Verhaltensweisen.


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