idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.09.2020 12:33

Mediterrane Stadtentwicklung und die Folgen des Meeresspiegelanstiegs

Claudia Eulitz Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Forschende der Uni Kiel entwickeln auf 100 Meter genaue Zukunftsszenarien für Städte in zehn Ländern im Mittelmeerraum

    Die Ausdehnung von Städten in niedrig gelegenen Küstengebieten nimmt schneller zu als in anderen Regionen. Vor allem Gebiete, die in unmittelbarer Nähe zum Meer und unter 20 Metern Meeresspiegel liegen, sind stark gefährdet durch die Auswirkungen des Klimawandels wie beispielsweise Hochwasser als Folge des Meeresspiegelanstiegs. Dehnen sie sich weiter aus, nimmt das Hochwasserrisiko potenziell zu. Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben gemeinsam mit Partnern aus Berlin und Athen nun ein neues Modell entwickelt, mit dem sich erstmals Stadtentwicklungen von zehn Mittelmeerländern räumlich und zeitlich hoch aufgelöst modellieren lassen. Die Szenarien zeigen deutlich, dass es erhebliche Unterschiede in der Bewertung der Gefährdung von Städten durch Überflutung gibt. Je nach gewähltem Stadtentwicklungsszenario kann der potentielle Anstieg der Gefährdung bestimmter Küstenregionen im Zeitraum bis 2100 um bis zu 104 Prozent variieren. Die Ergebnisse sind kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen.

    „Unsere Studie zeigt deutlich, will man das Überflutungsrisiko verringern, müsste sich die Stadtentwicklung auf Gebiete außerhalb der Küstenzonen konzentrieren. Unsere neuen Projektionen können ein wichtiges Instrument sein, um sowohl sozioökonomische als auch physische Aspekte für die Einschätzung des Risikos mit einzubeziehen“, sagt Erstautorin Claudia Wolff aus der Arbeitsgruppe Küstenrisiken und Meeresspiegelanstieg am Geographischen Institut der Universität Kiel, die sich mit dem Thema im Rahmen ihrer Dissertation beschäftigt.

    Die Mittelmeerregion gilt als ein Hotspot für städtische Ausdehnung und damit als eine besonders gefährdete Region in Bezug auf die Folgen des Meeresspiegelanstiegs. In den Jahren zwischen 1960 und 2010 wuchs – nach einer Studie amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – die Bevölkerung in tiefliegenden Gebieten unter 10 Metern um 20 Prozent, dazu wurden Industrieanlagen und andere Dienstleistungssektoren in Küstennähe angesiedelt. Auch in Zukunft werden sich die mediterranen Städte weiter ausdehnen. Insgesamt wird in den Jahren zwischen 2000 und 2030 sogar ein Wachstum um 160 Prozent erwartet. Damit steigt auch die potenzielle Gefahr gegenüber klimabedingten Risiken wie Küstenerosion oder Hochwasser. Obwohl heute noch keine akute Gefährdung besteht, erwarten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund der sozio-ökonomischen Entwicklung langfristig eine deutliche Zunahme des Risikos.

    Eine Möglichkeit zu untersuchen, wie die Stadtentwicklung das zukünftige Hochwasserrisiko an der Küste beeinflusst, besteht darin, die räumliche und zeitliche Änderung der städtischen Landbedeckung unter Verwendung zukünftiger Stadtprojektionen in den Folgenabschätzungen für die Küste zu berücksichtigen. Bisher fehlten aber räumlich genaue Projektionen, die auch zeitlich weit in die Zukunft reichen. Mit ihrer neuen Modellierung hat die Forschergruppe aus Deutschland und Griechenland nun erstmals eine Lücke in der Entwicklung von Szenarien geschlossen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben zunächst ein künstliches neuronales Netzwerk verwendet, das mit Parametern wie etwa Geländehöhe, Bevölkerungsdichte oder Distanz zum Straßennetzwerk trainiert wurde, um urbane Flächenentwicklungen vorherzusagen. „Diese Parameter berücksichtigen aber noch keine zukünftigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen. Um diese in den Projektionen zu berücksichtigen, haben wir fünf unterschiedliche sozioökonomische Entwicklungspfade hinzugezogen, die auch dem IPCC zu Grunde liegen,“ sagt Professor Nassos Vafeidis, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Küstenrisiken und Meeresspiegelanstieg am Geographischen Institut der CAU. Diese fünf sozioökonomischen Entwicklungspfade (Shared Socio-economic Pathways des IPCC) beschreiben die demographischen, technologischen, politischen, institutionellen und Lebensstil-Trends in unterschiedlichen Ausmaßen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten so erstmals Szenarien für zehn Länder entwickeln, die bis auf 100 Meter genau sind und einen langen Zeithorizont in 10er Jahresschritten berücksichtigen. Zudem sind die neuen Szenarien zwischen 10 und 140-mal präziser als bisherige. Für Anwender wie beispielsweise politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sind dies wichtige Grundlagen für die zukünftige Einschätzung, wie viele Menschen von einem erhöhten Überflutungsrisiko betroffen sein könnten. „Unsere Modellierung möchten wir daher zukünftig auch auf andere potenziell gefährdete Regionen weltweit anwenden“, resümiert die Geographin Wolff.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Claudia Wolff
    Geographisches Institut
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Telefon: 0431/880-4658
    wolff@geographie.uni-kiel.de


    Originalpublikation:

    Wolff, C., Nikoletopoulos, T., Hinkel, J. et al. Future urban development exacerbates coastal exposure in the Mediterranean. Sci Rep 10, 14420 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-70928-9
    https://www.nature.com/articles/s41598-020-70928-9#article-info


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/222-stadtentwicklung-meeresspiegela...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).