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04.11.2020 09:54

Ultraschallgesänge von Mäusen enthalten charakteristische individuelle Signaturen

Nina Grötschl Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien

    Hausmäuse senden komplexe Ultraschallvokalisationen (USVs) aus, die über dem vom Menschen hörbaren Frequenzbereich liegen. Eine kürzlich am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Vienna (KLIVV) durchgeführte Studie ergab, dass die von männlichen wilden Hausmäusen emittierten USVs charakteristische individuelle Signaturen enthalten, die über die Zeit hinweg stabil sind. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Signale möglicherweise eine wichtige Rolle für die individuelle Erkennung der Tiere spielen könnten.

    Die Labormaus ist der wichtigste Modellorganismus in den biomedizinischen Wissenschaften und zunehmend werden auch ihre Vokalisationen als Modell zur Untersuchung von Autismus und anderen neurologischen Störungen genutzt. VerhaltensbiologInnenen untersuchen USVs, um Fragestellungen zur Kommunikation im Tierreich und zur sexuellen Selektion zu beantworten.

    Bei Hausmäusen werden USVs hauptsächlich von Männchen während der Partnerwerbung und Paarung emittiert. Dustin Penn, Sarah Zala und ihre Studierenden (KLIVV) untersuchen die Lautäußerungen von wilden Hausmäusen, um ihre Funktionen zu ergründen. Vorhergehende Studien haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass das Vorspielen von männlichen Balzgesängen erfolgreich das Interesse von weiblichen Mäusen weckt. Das Ziel der aktuellen Studie war es, zu bestimmen, welche Art von Informationen in den komplexen Balzgesängen der Männchen enthalten sind.

    Die komplexen Balzgesänge männlicher Mäuse

    In ihrer kürzlich in Animal Behaviour veröffentlichten Studie haben die ForscherInnen die Laute männlicher Mäuse über drei Wochen hinweg aufgezeichnet, jeweils bevor und nachdem sie den Männchen einen weiblichen Geruch als Reiz präsentiert hatten. Sie verwendeten ihre neu entwickelte Software (Automatic Mouse Ultrasound Detector oder A-MUD), um mehr als 24.000 Lautäußerungen zu erkennen. Damit klassifizierten die WissenschafterInnen jede Lautäußerung in Abhängigkeit von ihren besonderen akustischen Merkmalen in eine von 15 Kategorien. Sie fanden heraus, dass männliche Mäuse ohne weibliche Reize nur wenige oder gar keine Laute produzierten. Unmittelbar nach der Präsentation des weiblichen Geruchs begannen jedoch die meisten Männchen sofort zu vokalisieren und emittierten eine große Anzahl und Vielfalt verschiedener Arten von USVs. Einzelne Männchen gaben keine Laute von sich, sogar wenn ihnen ein weiblicher Geruch präsentiert wurde, aber diese „stillen Typen“ waren selten.

    Männliche Ultraschallvokalisationen zeigen eine hohe individuelle Variation und Konstanz

    Die Erstautorin der Studie, Maria Adelaide Marconi (KLIVV), erklärt: „Zwischen den Männchen konnten wir – wie erwartet – sehr hohe individuelle Unterschiede in der Anzahl und Art der USVs feststellen. Die Ultraschallvokalisationen der einzelnen Tiere zeigten im Laufe der Zeit auch eine überraschende individuelle Konstanz“. Da die Variation der Gesänge zwischen verschiedenen Männchen größer war als die Variation innerhalb der Vokalisationen eines Individuums, lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass USVs individuelle Signaturen enthalten.

    USVs sind auf vielen Organisationsebenen überraschend komplex, die WissenschafterInnen fanden auf jeder von ihnen analysierten Ebene Nachweise der individuellen Identität, einschließlich der Anzahl an USVs, der durchschnittlichen Frequenz und Dauer der Gesänge, der Anzahl der verschiedenen Kategorien von USVs und sogar der Länge der stillen Intervalle zwischen den einzelnen Rufen. Darüber hinaus konnten sie mithilfe eines Algorithmus für maschinelles Lernen ungefähr 90% der Aufzeichnungen dem richtigen Individuum zuordnen.

    Bedeutung der Erkenntnisse

    Diese Ergebnisse helfen, die Kommunikationsfunktionen der komplexen Vokalisationen zu verstehen, die von Mäusen in freier Wildbahn erzeugt werden. Penn und Zala erklären, dass beinahe die gesamte Forschung zu USVs mit Inzuchtstämmen von Labormäusen durchgeführt wird, und es wird oft angenommen, dass die Gesänge Signale über den aktuellen emotionalen Zustand eines Individuums liefern. Es gibt zunehmend Belege für diese Idee, einschließlich der Ergebnisse aus dem eigenen Labor. Die meisten Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf Änderungen der Ultraschallgesänge bei einzelnen Mäusen, und Variationen zwischen Individuen werden häufig als störendes "Rauschen" in den Daten angesehen. Die AutorInnen weisen darauf hin, dass ihre Ergebnisse deutliche Hinweise darauf liefern, dass USVs nicht nur Informationen über den emotionalen Zustand eines Individuums liefern können, sondern ebenso über seine Identität. Sie untersuchen derzeit die Konstanz individueller Signaturen in USVs über die gesamte Lebensspanne eines Männchens und in verschiedenen sozialen Kontexten sowie, ob auch die Mäuse selbst ihre Artgenossen anhand ihrer Gesänge individuell erkennen können.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Maria Adelaide Marconi
    Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV)
    Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
    Maria.Marconi@vetmeduni.ac.at


    Originalpublikation:

    Der Artikel "Ultrasonic courtship vocalizations of male house mice contain distinct individual signatures" von Maria Adelaide Marconi, Doris Nicolakis, Reyhaneh Abbasi, Dustin J. Penn und Sarah M.Zala wurde in Animal Behaviour veröffentlicht.
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0003347220302736


    Weitere Informationen:

    https://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinformation...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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