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10.11.2020 14:59

Sterbehilfe: Befragung beleuchtet Haltung und Praxis bei medizinischem Personal in Deutschland

Jan Vestweber Pressestelle
Universität Witten/Herdecke

    Rund 5.000 Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende antworten auf sehr genau differenzierte Fragen

    Erstmals haben insgesamt rund 5.000 Ärztinnen und Ärzte bzw. Pflegerinnen und Pfleger zu differenzierten Fragen zum Thema Sterbehilfe Stellung genommen: Die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte und ein Drittel der Pflegenden berichten von Fällen der passiven bzw. indirekten Sterbehilfe; aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid kommen dagegen nur sehr selten vor. Das sind die Hauptaussagen einer Studie von Prof. Dr. Karl H. Beine, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie der Universität Witten/Herdecke. Die Studie ist aktuell in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift erschienen DOI: 10.1055/a-1235-6550

    „Zwischen den Themenfeldern Sterbehilfe, assistierter Suizid, Tötung auf Verlangen und Patiententötungen kommt es immer wieder zu Abgrenzungsproblemen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 geurteilt, dass Menschen, die frei entscheiden können, für ihren Suizid auch die Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen dürfen. Für Ärztinnen und Ärzte und Pflegende in den Kliniken sind Grenzsituationen häufig und belastend, und um die ging es in der Studie“, schildert Prof. Beine das Design der Studie. Er hat in seiner Befragung genau unterschieden zwischen passiver Sterbehilfe, indirekter Sterbehilfe, assistiertem Suizid und aktiver Sterbehilfe. (sehe dazu den Kasten unten)

    „In den Benelux-Staaten ist auch aktive Sterbehilfe erlaubt, in Deutschland nicht, und die Mehrheit der Ärzteschaft lehnt es auch ab“, erläutert Beine die vorherrschende Meinung. In seiner Umfrage spiegelt sich das bei den Ärztinnen und Ärzten auch genau so wider, lediglich die Pflegenden äußerten teilweise Zustimmung, wenn auch eine aktive Sterbehilfe von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt würde. Über die Hälfte der Pflegenden berichteten zudem, dass sie in mindestens einem konkreten Fall der Auffassung gewesen seien, dass aktive Sterbehilfe „um jemanden von seinem Leid zu erlösen“ sinnvoll gewesen wäre. Nur ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte kam zu dieser Haltung.

    Über die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte sowie mehr als ein Drittel der Pflegenden berichteten für die 24 Monate vor der Befragung von passiver oder indirekter Sterbehilfe, die unbeabsichtigt das Leben verkürzt hat. Diese Art der Sterbehilfe macht über 90 Prozent der berichteten Fälle aus.

    Aktive Sterbehilfe hatten der Studie zufolge 84 Ärztinnen und Ärzte in den letzten zwei Jahren ausgeführt und 65 Pflegende. Im Mittel gaben beide Gruppen zwei Fälle von aktiver Sterbehilfe in den zurückliegenden zwei Jahren an.

    „Besonders vor dem Hintergrund unterschiedlicher Regelungen der Sterbehilfe in Nachbarländern und der kontroversen Diskussionen hierzulande sollte mehr gesichertes Wissen über die Praxis der Sterbehilfe in deutschen Kliniken generiert werden. Die jetzige Studie liefert dazu empirische Befunde.“

    Definitionen der sog. Sterbehilfe

    „Passive Sterbehilfe“ bezeichnet das Zurückhalten/den Entzug einer lebenserhaltenden oder –verlängernden Behandlung (z. B. künstliche Beatmung, Ernährung oder (weitere) Gabe eines Medikaments) nach entsprechender Einwilligung des/der Patienten/-in, dessen/deren erfolgter Tod nicht gewollt, sondern eine unbeabsichtigte oder in Kauf genommene Folge darstellt.

    „Indirekte Sterbehilfe“ bezeichnet die Gabe eines Medikaments (z. B. Opioide, Benzodiazepine, Barbiturate) zur Schmerzlinderung nach entsprechender Einwilligung des/der Patienten/-in, dessen/deren erfolgter Tod nicht gewollt, sondern eine unbeabsichtigte oder in Kauf genommene Folge darstellt.

    „Assistierter Suizid“, häufig wird „ärztlich“ vorangestellt, bezeichnet die Aushändigung eines Medikaments an eine/n Patienten/-in zur selbstständigen Beendigung seines/ihres Lebens.

    „Aktive Sterbehilfe“ bezeichnet aktive Handlungen (Behandlungen, Interventionen etc.), die eine aktive Beendigung des Lebens eines/-r Patienten/-in beabsichtigen bzw. zum Ziel haben.
    Zudem wird hier unterschieden zwischen:
    • „Tötung auf Verlangen“2 nach diesbezüglicher expliziter Willensäußerung des/der Patienten/-in wird häufig juristisch synonym verwendet.
    • „Tötung ohne explizite Willensäußerung“ 2 wird üblicherweise nicht der aktiven Sterbehilfe zugeordnet, ist in einigen Fällen jedoch schwer abgrenzbar.

    Weitere Informationen bei Prof. Dr. Karl H. Beine
    Die Handynummer können Sie unter 02302/926-805/849 erfragen.

    Über uns:
    Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.700 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

    Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

    www.uni-wh.de / blog.uni-wh.de / #UniWH / @UniWH


    Bilder

    Prof. Dr. Karl H. Beine
    Prof. Dr. Karl H. Beine

    UW/H


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Karl H. Beine


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