idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
12.05.2021 14:50

Neues EU-Netzwerk zur Strukturbestimmung von Festkörpern auf Nanoebene eingerichtet

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Vernetzung und Förderung von 15 Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern soll Europa führende Rolle in der Elektronenbeugungstomografie sichern

    Wissenschaft und Technik dringen in immer kleinere Bereiche vor und immer bessere Mikroskope und Untersuchungsmethoden lassen uns heute einen Blick in die Welt der kleinsten Strukturen werfen. Eine dieser Methoden ist die Elektronenbeugung, die in nur wenigen Minuten die Struktur winziger Kristalle sichtbar machen kann. Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und die Kompetenzen in Europa besser zu verknüpfen, hat sich auf dem Gebiet der Elektronenbeugung zur Untersuchung von Kristallstrukturen ein neues Netzwerk gegründet: Das Projekt „Electron Nanocrystallography“ (NanED) wird von der Europäischen Union im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen in den kommenden 4 Jahren mit knapp 4 Millionen Euro gefördert. Daran beteiligt sind Forschungseinrichtungen aus 7 Ländern, darunter die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), sowie 16 Unternehmenspartner. Vorgesehen ist die Ausbildung von 15 Nachwuchsforschenden.

    JGU mit gut etablierter Elektronenkristallografie erhält zwei Doktorandenstellen

    Die JGU ist mit zwei Projekten an NanED beteiligt, in denen die Elektronenbeugungstomografie weiterentwickelt wird. Die Methode wurde in der Arbeitsgruppe von PD Dr. Ute Kolb am Zentrum für hochauflösende Elektronenmikroskopie der JGU etabliert.

    Eines dieser NanED-Teilprojekte will einen Beitrag leisten, um den CO₂-Ausstoß aus der Zementproduktion zu verringern. Dabei soll der Herstellungsprozess von Zement und seine Hydratation für die Betonproduktion untersucht werden. „Wir wollen in diesem Projekt eine Vielzahl von neuen, aufregenden Kristallstrukturen erforschen“, erklärt Ute Kolb. „Damit verbinden wir die Hoffnung, vielleicht neue Wege zu finden, um die Kohlendioxidemissionen durch die Bauindustrie zu verringern.“ Die Zementproduktion hat durch die Freisetzung von Kohlendioxid einen wesentlichen Anteil an der globalen Erwärmung. Dass die automatisierte Beugungstomografie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von natürlichen und synthetischen Stoffen liefert, zeigt sich in einer Vielfalt von Kristallstrukturen, die damit im Bereich der Karbonate, Phosphate und Sulfate bereits gelöst werden konnten. In einem Kooperationsprojekt hatte Ute Kolb beispielsweise zur Entdeckung von Kalziumkarbonat-Hemihydrat, einer bis dahin unbekannten, nanokristallinen Phase von Kalziumkarbonat, beigetragen.

    Ein weiteres Projekt im Rahmen des EU-geförderten Innovative Training Network NanED in der Arbeitsgruppe von Kolb ist die Untersuchung von Glaskeramiken und Batteriematerialien für den medizinischen Bereich. „Diese technisch hochentwickelten Materialien bestehen oft aus einer Vielzahl unterschiedlicher Nanokristalle, die fest miteinander verbundenen sind. Sie können durch die Kristallstrukturanalyse in ihren Materialeigenschaften verbessert werden“, erklärt die Chemikerin, die auch eine Arbeitsgruppe an der TU Darmstadt leitet. Weitere Forschungsbereiche von NanED umfassen etwa die Kristallstrukturanalyse von Pharmaka, Proteinen, 2-D-Kristallen und Metall-organischen Netzwerken (MOFs).

    Insgesamt sollen bei NanED 15 Doktorandinnen und Doktoranden ausgebildet werden – eine neue Generation von Elektronenkristallografen, die den Weg für die Entwicklung und Etablierung der Methode in der Wissenschaft und in der Industrie ebnen. Das Netzwerk hofft, dass Europa dadurch die führende Rolle bei der Charakterisierung und Entwicklung von Nanomaterialien einnehmen wird – und einen spürbaren und globalen wirtschaftlichen Einfluss ausübt.

    ADT aus Mainzer Labor liefert Grundlagen für die 3-D-Elektronenbeugung

    Die Elektronenmikroskopie hat sich durch die zunehmende Nutzung nanoskopischer und nanostrukturierter Materialien zu einem wichtigen Werkzeug entwickelt. Es lassen sich damit sowohl synthetische als auch natürliche Stoffe bis hin zur atomaren Auflösung charakterisieren. Damit können Kristalle von nur wenigen Nanometern Größe untersucht werden. Bei der Elektronenkristallografie wird ein Elektronenstrahl auf die Probe gerichtet und aus der Art und Weise, wie der Elektronenstrahl seinen Weg durch den Kristall nimmt, kann auf die Lage der Atome und die Struktur des Moleküls geschlossen werden. Während die Strukturaufklärung bisher auf sehr einfache Strukturen beschränkt war, werden mittlerweile auch komplizierte dreidimensionale Strukturen bis hin zu Proteinen gelöst. Die benötigten Kristalle müssen dabei nur einige Hundert bis wenige Zehntel Nanometer groß sein. Allerdings ist dies nur in wenigen Laboren möglich.

    Grundlagen für die Erschließung des dreidimensionalen Raums legten die Entwicklungen der Automated Diffraction Tomography (ADT) in dem Labor von Ute Kolb. „Vor allem durch die Nutzung der Beugungsdaten in modifizierter Weise konnten wir Probleme, die bei dieser Methode ursprünglich bestanden, grundlegend lösen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die heute als 3-D-Elektronenbeugung bezeichnete Methode wird aber noch immer durch den Mangel an entsprechenden Instrumenten und auch an jungen, ausgebildeten Forschenden auf Doktorandenebene gebremst. NanED zielt darauf ab, diesen Mangel zu beheben. Die künftigen Doktorandinnen und Doktoranden sollen dazu beitragen, 3-D-Elektronenbeugungstechniken in einem interdisziplinären und eng verknüpften Netzwerk zu beherrschen und weiterzuentwickeln.

    Die Federführung für NanED liegt bei dem italienischen Forschungszentrum Istituto Italiano di Tecnologia. Beteiligt sind außerdem – neben der JGU – die Universitäten in Ulm, Basel, Antwerpen und Stockholm sowie das Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Frankreich und das Physikalische Institut (FZU) der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik. Zu den industriellen Partnern gehören große und mittlere Unternehmen, darunter in Deutschland die BASF.

    Innovative Training Network (ITN) im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen

    Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen wurden von der Europäischen Kommission eingerichtet, um die länder- und sektorübergreifende Mobilität und die Karriereentwicklung von international mobilen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern und die Attraktivität von wissenschaftlichen Laufbahnen zu steigern. Ziele der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen sind die Schaffung eines starken Pools von europäischen Forschenden, die Steigerung der Attraktivität des Forschungsstandortes Europa für Forschende sowie die breite Zirkulation von Wissen im europäischen Raum. Innovative Training Networks sind in diesem Rahmen eingerichtete europäische Netzwerke zur strukturierten Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Besonders wichtig ist die Beteiligung von Einrichtungen sowohl aus dem akademischen als auch aus dem nicht-akademischen Sektor. (Grant Agreement n. 956099)

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/09_chemie_elektronenmikroskopie_itn_naned_0...
    Modernes Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM) an der JGU: Ein vielseitiges Instrument für strukturelle und spektroskopische Untersuchungen von Nanomaterialien
    Foto/©: JGU

    https://download.uni-mainz.de/presse/09_chemie_elektronenmikroskopie_itn_naned_0...
    Das NanED-Projekt bildet mit EU-Förderung 15 junge Forschende auf dem Gebiet der Elektronenkristallografie aus
    Abb./©: NanED

    Weiterführende Links:
    https://www.ak-kolb.chemistry.uni-mainz.de/join-the-group/ - Zwei NanED-Projekte an der JGU
    https://naned.eu/ - Innovative Training Network NanED - Electron Nanocrystallography
    https://ec.europa.eu/research/mariecurieactions/ - Marie Skłodowska-Curie Actions der EU
    https://www.fb09.uni-mainz.de/department-chemie/ - Department Chemie an der JGU

    Lesen Sie mehr:
    https://www.uni-mainz.de/presse/48141.php - Pressemitteilung „Spot an in der Nanowelt: Struktur kleinster Kristalle wird sichtbar gemacht“ (06.09.2011)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Ute Kolb
    Zentrum für hochauflösende Elektronenmikroskopie (EMC-M)
    Department Chemie
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-24154
    Fax +49 6131 39-24838
    E-Mail: kolb@uni-mainz.de
    https://www.ak-kolb.chemistry.uni-mainz.de/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).