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20.09.2021 14:08

Wiederbelebung: Schnelligkeit der Herzkatheteruntersuchung nicht immer ausschlaggebend

Vivian Upmann Informations- und Pressestelle
Universität zu Lübeck

    Forscherinnen und Forscher vom Herzzentrum Leipzig und der Universität zu Lübeck konnten im Rahmen einer großen kardiologischen Studie (TOMAHAWK) feststellen, dass eine frühzeitige Herzkatheteruntersuchung zur Darstellung der Herzkranzgefäße (Koronarangiografie) nach einem überlebten Herzstillstand mit unspezifischen EKG-Veränderungen die Überlebenschancen für Wiederbelebte nicht zwangsläufig erhöht.

    Das Ergebnis hat einen bedeutenden Einfluss auf die bisherige klinische Vorgehensweise bei Herzstillstand-Patientinnen und –Patienten. Denn wiederbelebte Patientinnen und Patienten, die außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erleiden, profitieren nicht zwangsläufig von einer schnellen Röntgenuntersuchung der Herzkranzgefäße wenn sie unspezifische EKG-Veränderungen haben, fanden die Beteiligten an der TOMAHAWK-Studie von Studienleiter Prof. Dr. Steffen Desch vom Herzzentrum Leipzig heraus. Die Strategie, Betroffene mit überlebtem Herzstillstand nach Einlieferung in das Krankenhaus routinemäßig rasch einer Koronarangiografie zu unterziehen, ist demnach im Vergleich zu einer abwartenden Vorgehensweise nicht sinnvoll. Behandelnden Ärztinnen und Ärzten bleibt künftig somit mehr Zeit für die genaue Diagnose.
    Im Detail haben die Forschenden herausgefunden: Beim überwiegenden Teil der Betroffenen, die einen akuten Herzstillstand erleiden, ist die Koronarangiografie zwar die beste Therapie, um verschlossene Gefäße schnellstmöglich wieder zu eröffnen. Der Zeitpunkt der Durchführung ist dabei jedoch nicht so zeitkritisch zu sehen, wie bisher angenommen: Eine rasche Koronarangiografie führt laut der Studie bei wiederbelebten Patientinnen und Patienten nach außerklinischem Herzstillstand und ohne ST-Hebung im EKG nicht zu einer Verbesserung der Überlebenschancen. Das Ergebnis wurde auf dem Europäischen Kardiologenkongress vorgestellt und wurde zeitgleich im renommierten New England Journal of Medicine, der bedeutendsten Zeitschrift im Bereich der klinischen Medizin, veröffentlicht.
    „Bislang nahm man an, dass Betroffene, die außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erleiden und reanimationspflichtig werden, so schnell wie möglich mittels Koronarangiografie behandelt werden müssen, um einen möglichen Herzinfarkt als häufigste Ursache zu behandeln“, so Studienleiter Prof. Desch.
    In der vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) geförderten TOMAHAWK-Studie wurden 554 nach außerklinischem Herzstillstand reanimierte Patienten ohne ST-Hebung im EKG an 31 Zentren in Deutschland – unter anderem in Lübeck - und Dänemark eingeschlossen und zwei Gruppen zugelost:
    • sofortige Herzkatheteruntersuchung: im Schnitt erfolgte diese ca. drei Stunden nach Aufnahme in das Krankenhaus
    • abwartendes Vorgehen mit zusätzlicher Diagnostik auf der Intensivstation und gegebenenfalls, bei weiter bestehendem Verdacht auf einen Herzinfarkt, Herzkatheteruntersuchung zu einem späteren Zeitpunkt (im Schnitt erfolgte diese nach ca. zwei Tagen)
    Prof. Inke R. König, Direktorin des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität zu Lübeck, hat im Rahmen dieser Studie als verantwortliche Biostatistikerin fungiert. Sie hält die Zusammenarbeit zwischen dem Herzzentrum Leipzig und der Universität zu Lübeck für einen Erfolgsfaktor und zukunftsweisend für die universitäre Medizin: „Diese Studie zeigt beispielhaft, wie Expertise standortübergreifend gebündelt werden kann. Im Rahmen der DZHK-Förderung haben hier nämlich 31 Kliniken in Deutschland und Dänemark Patientinnen und Patienten standardisiert eingeschlossen, und klinisches Monitoring und Projektmanagement wurden vom Zentrum für klinische Studien Lübeck (ZKS Lübeck) übernommen.“
    Die Ergebnisse der TOMAHAWK-Studie sind eindeutig: Nach 30 Tagen waren in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie 54 Prozent verstorben, in der Vergleichsgruppe mit verzögerter Koronarangiografie waren es 46 Prozent. Laut Prof. Eitel, Direktor der Medizinischen Klinik II (Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin des universitären Herzzentrums Lübeck) am UKSH, der ebenfalls an der Studie als Koautor und die Klinik als Studienzentrum beteiligt war „ist die Strategie, Patientinnen und Patienten mit überlebtem Herzstillstand nach Einlieferung in das Krankenhaus routinemäßig rasch einer Koronarangiografie zu unterziehen im Vergleich zu einer abwartenden Vorgehensweise nicht sinnvoll“. Dies werde man ab sofort auch in der klinischen Praxis umsetzten um „unnötige Herzkatheteruntersuchungen nach Herzstillstand vermeiden zu können“.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Inke R. König
    Direktorin des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik
    Universität zu Lübeck
    Ratzeburger Allee 160, Haus 24
    23562 Lübeck
    Tel: ++49 451 500 50610
    inke.koenig@uni-luebeck.de

    Prof. Dr. Ingo Eitel
    Direktor
    Medizinische Klinik II (Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin)
    Universitäres Herzzentrum Lübeck
    UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein (UKSH)
    Ratzeburger Allee 160
    23538 Lübeck
    Tel.: 0451 500-44501
    Ingo.Eitel@uksh.de


    Originalpublikation:

    https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2101909?url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=or...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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