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01.12.2022 15:00

Auch ältere Menschen profitieren von einer Blutdrucksenkung

Dr. Bettina Albers Pressestelle Deutsche Hochdruckliga
Deutsche Hochdruckliga

    Bluthochdruck ist eine der Hauptursachen für die Schädigung von Organen und Gefäßen. Je länger Bluthochdruck unbehandelt bleibt, desto höher ist das Sterberisiko. Es ist also nie zu spät, auch im höheren Alter mit einer medikamentösen Therapie zu beginnen, das zahle sich im Hinblick auf Lebenszeit und -qualität aus, wie Prof. Peter Trenkwalder, Experte der Deutschen Hochdruckliga e. V. DHL® │ Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention, auf der heutigen Pressekonferenz zum Hypertonie Kongress in Berlin hervorhob. Allerdings müsse die Diagnostik bei älteren Menschen besonders sorgfältig erfolgen.

    Eine Altershypertonie ist unabhängig vom Geschlecht ein weit verbreitetes Phänomen. Von in Deutschland insgesamt ca. 20 bis 30 Millionen Menschen mit Bluthochdruck ist im Alter über 60 Jahren fast jeder Zweite betroffen. Der Grad der Gefäßverkalkung nimmt zu, damit steigt das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Die Hälfte aller Schlaganfälle tritt bei über 70-Jährigen auf, die Überlebenschancen älterer Menschen nach einem Herzinfarkt verschlechtern sich mit jedem weiteren Lebensjahr. Etwa ein Viertel aller Betroffenen, die bei einem Infarkt 75 Jahre oder älter sind, überlebt diesen nicht [1].

    „Die Hypertonie hat auch im Alter einen hohen Krankheitswert, doch das wird immer wieder bagatellisiert“, betonte Prof. Dr. Peter Trenkwalder, Gauting, ehemaliges Mitglied des Vorstands der Deutschen Hochdruckliga. „Die Zeiten von ‚normaler Blutdruck = 100 plus Lebensalter‘, dem sogenannten Erfordernis-Hochdruck im höheren Alter, sind vorbei. Mit dieser althergebrachten Einstellung – mental wie auch im Hinblick auf den Blutdruck – gefährden wir Leben“, so lautet sein eindringlicher Appell. Auch eine Altershypertonie muss konsequent behandelt werden, um Folgekomplikationen durch Organschädigungen zu verhindern. Der Nutzen einer Therapie ist mittlerweile gut belegt.

    Bereits 2008 hat die groß angelegte HYVET-Studie („Hypertension in the Very Elderly Trial“), eine randomisierte, doppelblinde Studie, gezeigt, dass „rüstige“ über 80-jährige Hochdruckpatientinnen und -patienten (alle Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen konnten noch selbst zum Studienzentrum gehen) von einer blutdrucksenkenden Therapie profitieren. Im Vergleich zur Placebogruppe reduzierte die Therapie das Schlaganfallrisiko um 30 %, die Gesamtmortalität um 21 % und die kardiovaskuläre Mortalität um 23 %, die Herzinsuffizienzrate war unter antihypertensiver Behandlung sogar um 64 % reduziert. Letzteres bringt einen großen Vorteil für die Lebensqualität, denn die Herzinsuffizienz beeinträchtigt das Leben alter Menschen stark, führt oft zur Einschränkung ihrer Selbstständigkeit und zur sozialen Isolation.

    Auch was die vermeintlichen Nebenwirkungen der blutdrucksenkenden Therapie anging, war die doppelt verblindete Studie, bei der also weder die Betroffenen noch ihre Behandler wussten, wer zur Placebogruppe gehörte und wer die „echte“ Medikation erhielt, aufschlussreich: Die Nebenwirkungsrate war in der Placebogruppe signifikant erhöht (358 vs. 448, p = 0,001).

    Im vergangenen Jahr bestätigte eine große chinesische Studie [3] das Ergebnis der HYVET-Studie und zeigte ebenfalls, dass ältere Menschen (hier 60–80 Jahre alt, auch in dieser Studie relativ gesund) von der Therapie im Hinblick auf Mortalität und Morbidität profitieren. Sie verglich das kardiovaskuläre Outcome von über 8500 Menschen mit Bluthochdruck, deren Blutdruck entweder in den Zielbereich von 110–129 mm Hg oder in den von 130–150 mm Hg eingestellt wurde. Die striktere Blutdrucksenkung führte zu einer signifikant geringeren Rate an Herz- und Gefäßerkrankungen, allein das Schlaganfallrisiko konnte durch die Therapie um ein Drittel gesenkt werden (HR = 0,67).

    Bezüglich der Zielwerte könne man bei älteren Patientinnen und Patienten zwar etwas großzügiger als bei jungen oder bei Menschen im mittleren Lebensalter sein, bei denen 120–130/75–80 mm Hg optimal sind, erklärte Prof. Trenkwalder. Dennoch sollte man auch bei „rüstigen“, gesunden Betagten und Hochbetagten einen systolischen Wert zwischen 130 und 140 mm Hg anstreben. Bei der Blutdruckeinstellung sei zudem zu beachten, dass Menschen sehr unterschiedlich altern. So gebe es gesunde und körperlich aktive über 80-Jährige ebenso wie gebrechliche, kognitiv eingeschränkte und wenig belastbare 70-Jährige – und diese allgemeine Verfassung habe letztlich Einfluss auf die Therapieziele. Je „rüstiger“ ältere Menschen sind, desto eher solle man die Blutdruckziele jüngerer Hypertonikerinnen und Hypertoniker anstreben.

    „Dennoch sind die alten Vorurteile, die Blutdrucksenkung bringe bei Hochbetagten weniger Nutzen als Schaden, bestehen geblieben – und wir bitten die Medien herzlich, uns zu helfen, mit diesem tödlichen Vorurteil aufzuräumen“, appellierte Prof. Trenkwalder.

    Warum sich dieses Vorurteil so hartnäckig hält, erklärte Prof. Trenkwalder mit zwei gängigen Fehlern, die in der Praxis und der Klinik immer wieder vorkämen und in wenigen Fällen zu einer Übertherapie führten. So würde nicht berücksichtigt, dass bei alten Menschen die sogenannte Weißkittelhypertonie, bei der durch äußere Einflüsse wie z. B. Aufregung beim Arztbesuch der Blutdruck kurzzeitig erhöht ist, oder auch kurzfristige Blutdruckschwankungen häufiger vorkommen. „Jede Bluthochdruckdiagnose sollte in einer 24-Stunden-Messung bestätigt werden, bevor therapiert wird“, so der Experte. Denn die Langzeitmessung kann ausschließen, dass blutdruckgesunde Menschen fälschlicherweise behandelt werden und entdeckt umgekehrt auch Fälle der sogenannten maskierten Hypertonie. Zum anderen würde die orthostatische (aufrecht stehend) Hypotonie vielmals nicht beachtet werden, die z. B. beim Aufrichten des Körpers aus einer Sitz- oder Liegestellung den Blutdruck plötzlich absacken lässt. Um sie auszuschließen, sollte der Blutdruck unbedingt auch im Stehen gemessen werden. Denn bei orthostatischer Hypotonie trotz Hypertonie sollte die antihypertensive Therapie vorsichtig erfolgen und ist in schweren Fällen sogar kontraindiziert. „Gerade bei älteren Patientinnen und Patienten muss daher die Diagnosestellung sorgfältig erfolgen. Betroffene sollten sich an DHL®-zertifizierte Hypertensiologinnen/Hypertensiologen wenden, denn sie haben mögliche Fallstricke im Blick und sind in der Diagnose und in der Therapie der Hypertonie bei alten und betagten Menschen geschult.“

    Weitere Informationen zu Bluthochdruck unter https://www.hochdruckliga.de

    [1] Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom 07.04.2018. Langzeit-Sterblichkeit nach Herzinfarkt: Alter, Gewicht und Akuttherapie sind entscheidende Faktoren. https://dgk.org/daten/PA-Langzeitdaten-BSR.pdf
    [2] Beckett NS, Peters R, Fletcher AE, Staessen JA, Liu L, Dumitrascu D, Stoyanovsky V, Antikainen RL, Nikitin Y, Anderson C, Belhani A, Forette F, Rajkumar C, Thijs L, Banya W, Bulpitt CJ; HYVET Study Group. Treatment of hypertension in patients 80 years of age or older. N Engl J Med. 2008 May 1;358(18):1887-98. doi: 10.1056/NEJMoa0801369. Epub 2008 Mar 31. PMID: 18378519.
    [3] Zhang W, Zhang S, Deng Y, Wu S, Ren J, Sun G, Yang J, Jiang Y, Xu X, Wang TD, Chen Y, Li Y, Yao L, Li D, Wang L, Shen X, Yin X, Liu W, Zhou X, Zhu B, Guo Z, Liu H, Chen X, Feng Y, Tian G, Gao X, Kario K, Cai J; STEP Study Group. Trial of Intensive Blood-Pressure Control in Older Patients with Hypertension. N Engl J Med. 2021 Sep 30;385(14):1268-1279. doi: 10.1056/NEJMoa2111437. Epub 2021 Aug 30. PMID: 34491661.

    Kontakt/Pressestelle
    Dr. Bettina Albers
    Jakobstraße 38
    99423 Weimar
    albers@albersconcept.de
    Telefon: 03643/ 776423


    Weitere Informationen:

    https://www.hypertoniekongress.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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