idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
22.07.2005 13:13

Abwehr mobilisiert - Kräfte geschwächt: Die Anregung des Immunsystems kann paradoxe Folgen haben

Dipl.-Biol./Journalist Manfred Braun Presse und Kommunikation
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

    Substanzen, die unsere Erregerabwehr aktivieren, können gleichzeitig zu einer vorübergehenden Schwächung der Abwehrkräfte führen. Diesen paradoxen Effekt haben Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig am Beispiel des Moleküls TLR7 beobachtet, eines wichtigen Bestandteils des Immunsystems. Wird TLR7 durch einen Wirkstoff künstlich gereizt, verstärkt es zwar Abwehrreaktionen in der Haut, führt aber zugleich für mindestens 24 Stunden zu einer gravierenden Immunschwäche. Seine Ergebnisse beschreibt das Forscher-Team, dem neben GBF-Wissenschaftlern auch Kollegen aus Basel, Münster und Essen angehören, demnächst in der Fachzeitschrift "Blood".

    "Das Immunsystem hat bestimmte angeborene Antennen-Moleküle. Sie erkennen Strukturen, die für Bakterien und Viren typisch sind", erklärt der Projektleiter, GBF-Forscher Dr. Matthias Gunzer. "Sie versetzen den Körper in einen Alarmzustand, sobald sie diese Erreger-Komponenten vorfinden."

    Vom Blut ins Gewebe: Immunzellen wandern ab

    Wesentliche Bestandteile dieser angeborenen Grundausstattung des Immunsystems sind die Toll-like-Rezeptoren oder TLR: Proteine auf den Oberflächen bestimmter Zellen, die nach Erreger-Bestandteilen "Ausschau halten". Einen dieser Rezeptoren, den TLR7, nahmen Gunzer und seine Kollegen ins Visier. Sie stimulierten den TLR7 von Mäusen mit einem chemisch hergestellten Wirkstoff, den sie den Tieren in die Blutbahn injizierten. Ihr Ergebnis: "Immunvorgänge in der Haut der Tiere wurden verbessert und beschleunigt", berichtet Gunzer. "Dafür fand man im Blut der Mäuse für 24 Stunden kaum Abwehrzellen. Sie erlitten eine vorübergehende Immunschwäche." Zwei Effekte, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, sich aber beide durch die Stimulierung von TLR7 erklären lassen.

    Die Forscher entdeckten nämlich, dass TLR7 nicht nur auf Immunzellen, sondern auch auf den Zellen von Blutgefäßen sitzt. Bei Stimulierung werden die Wände der Adern an den betreffenden Stellen durchlässig; Abwehrzellen können hier die Blutgefäße durchdringen und in das Körpergewebe gelangen. "Das ist bei lokal begrenzten Infektionen sinnvoll", erklärt Gunzer. "Normalerweise befinden sich, wenn TLR7 auf Blutgefäßen ein Signal empfängt, im Gewebe dahinter die Erreger, gegen die die Abwehrzellen vorgehen müssen. Aber wenn diese Wirkung überall im Körper auftritt, wie bei unserem Versuch, dann verlassen fast alle Immunzellen die Blutbahn. Die Festung ist sozusagen unbewacht und das Immunsystem auf gefährliche Weise geschwächt - jedenfalls zeitweilig."

    Weil TLR-stimulierende Wirkstoffe für medizinische Zwecke geeignet sind, etwa zur Bekämpfung von Infektionen oder um die Wirkung von Impfstoffen zu verstärken, sieht Gunzer praktische Konsequenzen aus seiner Arbeit: "Wenn man TLR7-Stimulanzien systemisch verabreicht, also ins Blut spritzt und damit im ganzen Körper verteilt, muss man wissen, dass die Patienten dann erst einmal ein erhöhtes Infektionsrisiko haben könnten. Man muss ihren Zustand also sorgfältig überwachen und, falls nötig, gezielt gegensteuern."

    Hinweise

    Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: M. Gunzer, H. Riemann, Y. Basoglu, A. Hillmer, C. Weishaupt, S. Balkow, B. Benninghoff, B. Ernst, M. Steinert, T. Scholzen, C. Sunderkotter, and S. Grabbe. Systemic administration of a TLR7 ligand leads to transient immune incompetence due to peripheral blood leukocyte depletion. Der Artikel ist als Vorab-Publikation in der Online-Ausgabe von Blood erschienen.


    Weitere Informationen:

    http://www.bloodjournal.org/cgi/content/abstract/2005-01-0342v1
    http://www.gbf.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).