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30.04.2007 12:05

124. Chirurgenkongress: Folgen für Kliniken - Bürokratie statt Einsparungen

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    München - Das Fallpauschalensystem, nach dem heute die meisten Krankenhausbehandlungen vergütet werden, hat sich in der Praxis nicht überall bewährt. Nach Meinung von Professor Dr. med. Hans-Ulrich Steinau, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), besteht dringender Handlungsbedarf, um Kliniken von unnötigem Verwaltungsaufwand zu entlasten und die gewünschten Einsparungen zu erzielen. Welche Strukturen sich bewährt haben und wo Veränderungen notwendig sind, ist das Thema des 124. Chirurgenkongresses, der unter dem Motto "Chirurgie im Systemwandel" steht.

    Kongresspräsident Professor Steinau schätzt, dass jede fünfte Klinik in Deutschland aufgrund der ökonomisch schwierigen Gesamtsituation von der Schließung bedroht ist. Vor dem Jahr 2000 erfolgte die Abrechnung über die Liegezeit der Patienten mit Tagessätzen. Diese - ebenfalls gesetzlich festgelegte Regelung - zwang Kliniken, Patienten mit kostengünstigen Verläufen länger als notwendig in der Klinik zu behalten, um mit den zusätzlichen Tagessätzen die Behandlung schwer erkrankter Patienten zu finanzieren. Seit dem Gesundheitsreformgesetz im Jahr 2000 stellen Kliniken den Krankenkassen einzelne Leistungen, in Form von Fallpauschalen, in Rechnung. In den letzten Jahren wurden immer mehr solcher Diagnosis-Related Groups (DRG) geschaffen. Diese erhöhen den Verwaltungsaufwand für Ärzte und Pflegepersonal und halten sie zunehmend von ihrer eigentlichen Tätigkeit ab.

    Vor allem Kliniken mit vielen Schwerstkranken sieht Professor Steinau, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte der BUK Bergmannsheil, Ruhr-Universiät Bochum, im Nachteil: "Auf Intensivstationen muss das Personal 25 bis 30 Prozent der Arbeitszeit für die korrekte Abrechnung der Einzelleistungen aufwenden, weil jede einzelne Maßnahme von den Beatmungszeiten bis zum Verbandswechsel minutiös erfasst wird." Dennoch würden die DRG der Komplexität in der Klinik nicht gerecht. Zum Beispiel wurde zunächst im Fallpauschalensystem die Handrekonstruktion bei fünf abgetrennten Fingern gleich bewertet wie mit einem einzelnen Finger. Dies änderte sich erst nach mehr als fünf Jahren. Viele Bestimmungen seien darüber hinaus ungenau formuliert oder lassen mehrere Interpretationen zu. Daraus folgen "Kodierungsfehler", die zu Unstimmigkeiten mit den Krankenkassen führen.

    Um finanzielle Nachteile zu vermeiden, beschäftigen Kliniken inzwischen spezialisierte sogenannte "Best-Coder", die die Kodierung komplett übernehmen. Doch auch mit professioneller Bearbeitung erzeugt die Abrechnung immer wieder Nachfragen und kann sich über mehrere Monate bis hin zur gerichtlichen Klärung hinziehen.

    Dieser bürokratische Aufwand stelle das Ziel des DRG-Systems in Frage, in den Krankenhäusern Kosten zu sparen. "Obwohl eine Begleitforschung gesetzlich vorgeschrieben war, liegen bisher nach sieben Jahren keine überprüfbaren Daten zum Einspareffekt vor", bedauert Steinau, der das DRG-System nicht grundsätzlich ablehnt. Seiner Meinung nach, ist es aber nur für etwa 60 Prozent aller Behandlungsfälle geeignet und die Kodierung muss vereinfacht werden. Dies zeigten die Fallpauschalensysteme anderer Länder, wie zum Beispiel Australien, das ursprünglich für das deutsche System als Vorbild diente: Diese haben nach jahrelangen Erfahrungen lediglich zwischen 40 und 60 Prozent aller Diagnosen in dieses System eingebracht.

    Terminhinweise:

    DGCH-Pressekonferenz
    Donnerstag, 3. Mai 2007, 11.00 bis 12.00 Uhr
    Saal 22b, ICM München
    Thema:
    Priorisierung und Rationierung in der Chirurgie
    mit dem Beitrag:
    Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Steinau, Bochum

    BDC/DGCH-Vortragssitzung:
    Informationstechnologie in der ärztlichen Dokumentation - Zeitersparnis oder Spielerei?
    Freitag, 4. Mai 2007, 12.30 bis 14.00 Uhr
    Saal 14c, ICM

    Anmeldung für Journalisten zur 124. Jahrestagung der DGCH/
    Kontakt für Rückfragen:

    Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Pressestelle
    Beate Schweizer, Pf 30 11 20, 70451 Stuttgart,
    Tel.: 0711 8931 295, Fax: 0711 8931 167, Schweizer@medizinkommunikation.org


    Weitere Informationen:

    http://www.chirurgie2007.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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