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11.06.2007 13:20

Schmerzmittel ohne Suchtpotential?

Dr. Annette Tuffs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Heidelberg

    Schmerzlindernde Effekte üben Haschisch-Wirkstoffe Cannabinoide an Nerven aus - Nebenwirkungen entstehen in Gehirn und Rückenmark / Heidelberger Wissenschaftler veröffentlichen in "Nature Neuroscience"

    Wissenschaftler des Pharmakologischen Instituts der Universität Heidelberg haben im Tierversuch erstmals gezeigt, dass die schmerzlindernde und die unerwünschte Wirkung der im Haschisch enthaltenen Wirkstoffe Cannabinoide an verschiedenen Stellen im Nervensystems ausgelöst werden: Die Schmerzen werden vor allem an den Nervenfasern unterdrückt während Rausch und Muskellähmungen überwiegend in Gehirn und Rückenmark entstehen. Cannabinoide können chronische Schmerzen hemmen - zur Therapie sind sie in Deutschland jedoch wegen ihrer schweren Nebenwirkungen und Suchtpotential nur in Ausnahmefällen zugelassen.

    Die neuen Erkenntnisse zeigen möglicherweise einen Ausweg. Es ist denkbar, Cannabinoid-Medikamente zu entwickeln, die gezielt die Schmerzen bekämpfen, ohne gleichzeitig gefährliche Begleiterscheinungen hervorzurufen. Jeder fünfte Europäer leidet an chronischen Schmerzen. Von einer geeigneten Therapie könnten z.B. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, Entzündungen der Haut oder von Organen sowie Patienten mit Nervenverletzungen, etwa nach einem Unfall, profitieren.

    Die herausragenden Ergebnisse des Wissenschaftlerteams um Frau Professor Dr. Rohini Kuner und Dr. Nitin Agarwal des Pharmakologischen Instituts der Universität Heidelberg in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mainz wurden jetzt vorab online in der renommierten internationalen Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht.

    Köpereigene Cannabinoide lindern akute und chronische Schmerzen

    Der Körper produziert Cannabinoide als erste Hilfe gegen akute Schmerzen, z.B. bei Hitze oder mechanischen Reizen. Aber auch bei chronischen Entzündungen entfalten körpereigene Cannabinoide ihre schmerzlindernden Eigenschaften innerhalb des Nervensystems: Sie binden an passende Eiweiß-Strukturen, so genannten Cannabinoid-Rezeptoren, auf Nervenzellen und setzen dadurch Prozesse in Gang, die schließlich eine Schmerzlinderung bewirken. Auch Cannabinoide, die man dem Körper von außen zuführt, agieren auf diese Weise.

    "Wir wollten wissen, wo genau innerhalb des schmerzverarbeitenden Nervensystems Cannabinoide aktiv werden, und die komplexen Abläufe erforschen", sagt Professor Kuner, die seit Herbst 2006 die W3 Professur für Pharmakologie an der Medizinischen Fakultät innehat. Bisher galt die Vermutung, dass Cannabinoide vor allem im Zentralen Nervensystem, also in Gehirn und Rückenmark, sowohl ihre schmerzlindernde Wirkung als auch die unerwünschten Effekte entfalten. Dass Cannabinoide auch in den peripheren Teilen des Nervensystems wirken können, also in Nervenfasern, die Schmerzsignale von außen zur Körpermitte transportieren (Nozizeptoren), war bekannt. Aber dass diese als Hauptwirkungsorte der Schmerzlinderung fungieren, galt als unwahrscheinlich.

    Nachweis der getrennten Wirkung bei gentechnisch veränderten Mäusen

    Mit Hilfe gentechnisch veränderter Mäuse konnten die Heidelberger Forscher jetzt diese Vorstellung widerlegen: Mäuse, die in den peripheren Nervenfasern keine Cannabinoid-Rezeptoren ausbilden, im Zentralen Nervensystem jedoch über ein funktionierendes Rezeptor-System verfügen, zeigten eine stark erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen.

    "Die körpereigenen Cannabinoide vermitteln ihre schmerzlindernde Wirkung also hauptsächlich über intakte periphere Nervenfasern und nicht über das Zentrale Nervensystem", erklärt Rohini Kuner. Auch eine Behandlung der Tiere mit Cannabinoiden blieb bei den gentechnisch veränderten Mäusen erfolglos. Die üblichen Nebenwirkungen wie Rausch und Lähmungen bildeten sich jedoch aus. "Damit konnten wir bestätigen, dass die unerwünschten Begleiterscheinungen vor allem durch Prozesse in Gehirn und Rückenmark entstehen."

    Die Ergebnisse ermutigen die Wissenschaftler. "Denkbar wäre es, die erwünschten von den unerwünschten Wirkungen zu trennen. Cannabinoide könnten im Labor so verändert werden, dass sie als Medikamente in den peripheren Nervenfasern ihre schmerzstillenden Effekte entfalten, die so genannte Blut-Hirnschranke aber nicht mehr passieren können und so erst gar nicht in das Zentrale Nervensystem gelangen", blickt Professor Kuner in die Zukunft.

    Literatur:
    Nitin Agarwal, Rohini Kuner, et.al.: Cannabinoids mediate analgesia largely via peripheral type 1 cannabinoid receptors in nociceptors. Nature Neuroscience. Published online: 10 June 2007 , doi:10.1038/nn1916

    (Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

    Weitere Infos im Internet
    www.klinikum.uni-heidelberg.de/Pharmakologisches-Institut.102627.0.html

    Ansprechpartner:
    Professor Dr. Rohini Kuner
    Tel.: 06221 /54 82 89
    E-Mail: rohini.kuner@pharma.uni-heidelberg.de

    Bei Rückfragen von Journalisten:
    Dr. Annette Tuffs
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
    und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
    Im Neuenheimer Feld 672
    69120 Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56 45 36
    Fax: 06221 / 56 45 44
    E-Mail: annette.tuffs(at)med.uni-heidelberg.de

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/presse


    Weitere Informationen:

    http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Pharmakologisches-Institut.102627.0.html


    Bilder

    Professor Dr. Rohini Kuner , Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg.
    Professor Dr. Rohini Kuner , Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg.
    Foto: privat.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Professor Dr. Rohini Kuner , Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg.


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