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27.10.2007 09:22

Rückenschulen laufen ins Leere: Bekehrte werden missioniert

Meike Drießen Pressestelle
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)

    Rückenschmerz kostet pro Patient 1200 Euro im Jahr

    Rückenschulen bringen nichts. Denn sie werden genau von denen besucht, die sie am wenigsten nötig hätten: Gut situierte Angehörige höherer Statusgruppen, die sowieso aktiv und gesund leben. Die Hochrisikogruppe sind aber Arbeiter aus den klassischen manuellen Berufen. Sie sind wesentlich häufiger von Rückenschmerzen betroffen. Psychische und soziale Barrieren halten sie aber von Rückenschulen fern. Das haben Wissenschaftler vom Mannheimer Institut für Public Health um den Präventionsforscher PD Dr. Sven Schneider beim Deutschen Schmerzkongress berichtet. Sie forderten innovative Angebote wie Rückenschulen direkt am Arbeitsplatz, in der Pause oder als bezahlte Arbeitszeit. Denn Rückenschmerzen sorgen für 15 % aller Krankentage in Deutschland und sind der Grund für 18 % der Frühberentungen. Die jährlichen Kosten pro Patient und Jahr durch Rückenschmerzen betragen rund 1200 Euro. Das ermittelten Gesundheitsökonomen am GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit auf Basis der Daten des Deutschen Forschungsverbunds Rückenschmerz (DFRS), der vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.

    Arbeitsbelastung ist nicht der einzige Grund für Rückenschmerz

    Arbeiter sind deutlich häufiger von Rückenschmerzen betroffen als Angestellte. Fast jeder zweite gab in Befragungen an, in der vorangegangenen Woche daran gelitten zu haben, 70 Prozent im vo-rangegangenen Jahr. Dagegen hatte nur jeder vierte Angestellte in der zurückliegenden Woche Rückenschmerzen, aufs Jahr gesehen etwa jeder zweite. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der stärkeren körperlichen Belastung am Arbeitsplatz: Für die Entstehung von Rückenschmerzen sind viele verschiedene Faktoren bedeutsam. Dazu gehören u.a. Begleiterkrankungen und kognitive Bewertungsprozesse der Schmerzen. Ein entscheidender Faktor für die Erklärung sozialer Unterschiede bei der Häufigkeit von Rückenschmerzen liegt in der fehlenden Nutzung von Präventionsangeboten. Psychische Barrieren und soziale Schließungsprozesse halten Hochrisikogruppen wie Arbeiter von den Kursen fern.

    Bewegte Pause und der Therapeut am Fließband

    "Das Erreichen dieser Risikogruppen ist das eigentliche Problem", erklärte Dr. Schneider. "Wir plädieren für sehr intensive, langfristige, arbeitsplatznahe Interventionen. Das bedeutet, der Therapeut steht neben dem Arbeitnehmer z.B. am Fließband und zeigt optimale Haltung und Bewegungsabläufe. Zudem zeigt er ausgleichende Kräftigungsübungen in Kurzpausen." Dabei spielt die Einbettung in den konkreten Arbeitsalltag nach Ansicht der Experten eine wichtige Rolle. Dies sei z.B. möglich als bewegte Pause oder durch die Anrechnung als Arbeitszeit, um die Teilnehmerrate zu erhöhen. Viele Unternehmen haben solche Modelle schon erfolgreich implementiert. Dagegen ist die klassische Rückenschule in ihrer aktuellen Form nicht effizient, wie auch der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen ebenfalls jüngst konstatierte. "Wir sprechen dabei von 'preaching to the converted'", bringt es Dr. Schneider auf den Punkt.

    Kosten durch Rückenschmerzen

    Die Kosten, die Rückenschmerzen im Jahr durchschnittlich verursachen, betragen pro Rückenschmerzpatient rund 1200 Euro. Das haben Forscher auf Basis der Daten einer Langzeitstudie des Deutschen Forschungsverbunds Rückenschmerz (DFRS) ermittelt. An der Studie hatten 9.267 Personen teilgenommen von denen 5.602 angaben, in den vorangegangenen drei Monaten Rückenschmerzen gehabt zu haben. Die Forscher vom GSF-Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen bezogen sowohl die direkten Kosten ein, die durch Arztbesuche, Medikamente und andere medizinische Leistungen entstanden, als auch die indirekten Kosten durch Produktionsausfälle wegen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit. Die direkten Kosten machten dabei 54 % der Gesamtkosten aus, die indirekten 46 %. Die direkten Kosten lassen sich wiederum aufgliedern in Arztkosten (19 %), Arzneimittelkosten (6 %), Kosten für Heil- und Hilfsmittel (20 bzw. 5 %), Kosten für stationäre Krankenhausaufenthalte (19 %), Kosten für Reha-Maßnahmen (12 %) und Kosten, die für eigene Maßnahmen zu Linderung und Vorbeugung anfallen (20 %).

    Ansprechpartner

    Sven Schneider, PD Dr., M.A., Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- and Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Ludolf-Krehl-Str. 7-11, 68167 Mannheim, Germany, Tel: 0621/383-9917, Fax: 0621/383-9920, E-Mail: sven.schneider@medma.uni-heidelberg.de

    Bernd Schweikert, GSF-Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg, Tel.: 089/3187-4445, Fax: 089/3187-3375, E-Mail: bernd.schweikert@gsf.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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